Bewertung
Daniel Alfredson

Vergebung

"Du hast nie verstanden, wie wichtig Berührung für die Behandlung ist."

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Inhalt

Nach dem gewaltsamen Zusammentreffen mit ihrem Vater Alexander Zalatschenko (Georgi Staykov) wird Lisbeth Salander (Noomi Rapace) mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Doch auch ihr Vater hat die Auseinandersetzung überlebt und liegt im gleichen Krankenhaus. Zeitgleich treffen sich ehemalige und noch tätige Mitarbeiter der Sicherheitspolizei, um einen Plan zu entwickeln, wie man die Affäre Zalatschenko vertuschen kann. Mikael Blomqvist (Michael Nyqvist) sorgt währenddessen dafür, dass Lisbeth nicht ganz von der Außenwelt abgeschnitten und in der Lage ist, ihrerseits die Recherchen weiterzuführen.

So baut sie mithilfe Mikaels Schwester Annika (Annika Hallin), die sich als Rechtsanwältin für Lisbeth angeboten hat, ihre Verteidigung auf, denn Lisbeth steht immer noch im dringenden Verdacht, ihren Vormund Nils Bjurman sowie zwei Journalisten getötet zu haben. Die Staatsanwaltschaft und die sogenannte "Sektion" der Sicherheitspolizei haben es sich zum Ziel gemacht, Lisbeth für immer außer Gefecht zu setzen und sie in eine geschlossene Psychiatrie einzuweisen. Hilfe erhalten sie von Lisbeths ehemaligem psychologischen Betreuer Dr. Teleborian (Anders Ahlbom Rosendahl), der mit ihr bereits seit ihrem zwölften Lebensjahr zu tun hat.

Kritik

Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte: "Verblendung" (und damit wahrscheinlich auch der Rest der Trilogie) erhält ein US-Remake, das im Grunde in Anbetracht der Qualität, die die schwedische Verfilmung erreicht, ganz und gar unnötig ist. Die gute: David Fincher, seines Zeichens unter anderem Regisseur von "Fight Club", "Sieben", "Zodiac – Die Spur des Killers" und "Der seltsame Fall des Benjamin Button", hat sich der Aufgabe angenommen. Wenn man Finchers bisheriges Schaffen begutachtet, muss man zu dem Schluss kommen, dass deutlich untalentiertere Regisseure sich an der mittlerweile schon fast legendären Buchvorlage und deren Verfilmung hätten vergreifen können. Nachdem auch noch Carey Mulligan, die für ihre Rolle in "An Education" verdientermaßen mit einer Oscarnominierung belohnt wurde, für den Part der Lisbeth Salander im Gespräch ist, hätte es also wesentlich schlechtere Vorzeichen für ein Remake geben können.

Interessanterweise ist es jedoch so, dass teilweise trotz des Namens Mulligan die Kritik an einer Neuauflage des ersten Teils zunahm, eben weil Carey Mulligan nicht Noomi Rapace ist, so dumm das jetzt auch klingen mag. Denn Rapace ist, wie bereits bei den zwei Vorgängerfilmen, einmal wieder der große Glanzpunkt, der die anderen Schauspieler und teilweise sogar das Geschehen überstrahlt. Wenn die Faszination für den Charakter der Lisbeth Salander selbst dann nicht verloren geht, wenn sie erst mal einen beträchtlichen Teil des Films in einem Krankenhausbett liegt, dann muss Rapace etwas gehörig richtig machen, in dem Fall durch zu Beginn spürbar reduzierter Gestik und Mimik. Insbesondere der Gerichtsfall legt den Fokus noch weiter auf Lisbeth und ihre Vergangenheit, die Storyline um die sogenannte "Sektion" der Sicherheitspolizei läuft, so hat man das Gefühl, teilweise eher im Hintergrund.

Noch viel mehr als bei "Verblendung" und "Verdammnis" verkommt die Figur des Mikael Blomkvist zur Randfigur. Das ist in der Hinsicht bemerkenswert, als dass ihm auch nicht weniger Screentime gegönnt wird als sonst und er sogar derjenige ist bzw. sein sollte, der den Plot vorantreibt, während Lisbeth zu Untätigkeit verdammt ist. Dennoch wird es bei "Vergebung" ganz besonders deutlich, wie sehr Noomi Rapace als Lisbeth dem Mikael Blomkvist von Michael Nyqvist die Show stiehlt, auch weil man das Gefühl nicht los wird, dass Mikael nun mehr denn je mit dem immerzu selben nachdenklich-mürrischen Gesichtsausdruck durch das Geschehen schreitet. Trotz der ausgiebigen Zeit, die ihm dazu gegeben wird, die Geschichte zu beherrschen, sorgt vor allem die Inszenierung dafür, dass er dabei keinerlei neue Facetten erhält. Das bedeutet zwar mitnichten, dass Mikael Blomqvist eine wenig ausstaffierte Figur ist, aber man muss schon mehr bieten, um von Lisbeth Salander und deren tollem Portrait durch Noomi Rapace nicht an die Wand geklatscht zu werden.

Der restliche Cast ist, mittlerweile im Grunde typisch für die Verfilmung der "Millennium"-Trilogie Stieg Larssons, zu groß und zu unübersichtlich. Um die Geschehnisse aus der Buchvorlage jedoch entsprechend darstellen zu wollen, musste der notwendige Schritt zu einer derartigen Schar an Darstellern vollzogen werden. Einmal wieder hätte der Film trotz einer Länge von knapp zweieinhalb Stunden von einer ausgedehnteren Laufzeit profitiert. Für Kenner der Buchvorlage ist es selbstverständlich nicht sonderlich schwer, die einzelnen Charaktere und ihre Motivationen in das Geschehen einzuordnen. "Vergebung" gelingt sogar, dass auch für Nicht-Kenner eine sinnvolle Reduktion der Figuren vorgenommen wird, auch wenn der Gesamteindruck, dass das alles irgendwie zu viel ist, bleibt.

Der Plot setzt unmittelbar nach Teil 2 an, weswegen es unerlässlich ist, nicht nur diesen zu kennen, sondern am besten auch kurz vor Teil 3 nochmal gesehen zu haben, denn sonst könnte man so manchem Ereignis, das nur sehr kurz angeschnitten wird, eine falsche Bedeutung beimessen bzw. es unter Umständen auch unterschätzen. Glücklicherweise haben Daniel Alfredson, der bereits beim Vorgänger auf dem Regiestuhl saß, und sein Team darauf verzichtet, die Erzähldichte durch Nebenplots aufzublasen. Konsequenterweise fehlt daher auch die Storyline rund um Erika Berger und ihren neuen Arbeitsplatz, die gänzlich ausgeklammert wurde und zu keinem Zeitpunkt wirklich fehlt. Ansonsten sind nur Geringfügigkeiten ausgelassen worden, die Geschichte aus der Buchvorlage verliert so kaum etwas an ihrer Faszination.

Inszenatorisch hat sich Alfredson offensichtlich eines Besseren belehren lassen und sich eher an dem ersten als dem zweiten Teil orientiert. Schwedens Straßen sind wieder mit der nötigen Dunkelheit ausgestattet und auch sonst wirkt die Optik wieder deutlich düsterer als im zweiten. Unterstützt wird dieser Eindruck durch einen passenden und daher erfrischend unauffälligen Soundtrack.

Fazit

Damit findet nun also die Verfilmung der international erfolgreichsten Thrillertrilogie der vergangenen Jahre ein Ende. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass auch europäische Thriller mühelos mit ihren Pendants aus den USA mithalten können, wenn sie vor allem eine gleichwohl glaubwürdige und fesselnde Geschichte zu erzählen haben. Auch "Vergebung" weist dieses Element auf und kann darüber hinaus auch noch mit einer alles und jeden überragenden Hauptdarstellerin auftrumpfen. Geschadet hat die nun wieder spürbar düstere Inszenierung bei dem Härtegrad des Films mit Sicherheit auch nicht. Inwieweit es David Fincher, falls es tatsächlich zu einem US-Remake kommen sollte und er dann auch erwartungsgemäß auf dem Regiestuhl Platz nimmt, gelingen wird, die Qualität der Trilogie schwedischer Machart zu übertrumpfen, bleibt abzuwarten. Zwei Dinge stehen jedoch fest: 1. Es wird schwer werden. 2. Niemand wird Lisbeth Salander besser darstellen können als Noomi Rapace.

Andreas K. - myFanbase
08.05.2010

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