Looking - Review Staffel 1

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Serien, die homosexuelle Charaktere ins Zentrum ihrer Geschichte stellen, sind schon lange nichts Besonderes mehr. Viel hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten in diesem Bereich getan, angefangen bei der Vorstellung einzelner schwuler oder lesbischer Charaktere in Nebenrollen, dann später in Hauptrollen und schließlich als Protagonisten von Serien wie "Queer as Folk" und "The L Word", die sich speziell auf das Leben der LGBT-Community konzentrierten. Was es bisher aber noch nicht gegeben hat, das ist eine Serie, die sich zwar um homosexuelle Protagonisten dreht, die aber genau diese Tatsache fast überhaupt nicht kümmert. Und hier setzt Michael Lannans und Andrew Haighs "Looking" an.

Foto: Frankie J. Alvarez, Jonathan Groff & Murray Bartlett, Looking - Copyright: 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Frankie J. Alvarez, Jonathan Groff & Murray Bartlett, Looking
© 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.

Co-Produzent Haigh trifft eigentlich den Nagel auf den Kopf, wenn er über seine Hauptcharaktere sagt: "The fact that they're gay is the least interesting thing about them." Natürlich dreht sich "Looking" um drei schwule Freunde und natürlich ist das Setting somit durchaus vorgegeben, doch was die Serie ausmacht, ist ihre Fähigkeit, die Charaktere so auszuformen, dass sie nicht nur mit dem Charakteristikum "schwul" etikettiert werden können, sondern weitaus mehr Facetten haben, weitaus komplexer sind und mit ihren Problemen ganz verschiedene Zuschauergruppen ansprechen. Patrick (Jonathan Groff), Dom (Murray Bartlett) und Agustín (Frankie J. Alvarez) sind authentische Figuren mit Stärken und Schwächen, die manchmal richtige, manchmal falsche Entscheidungen treffen, die in der Liebe, in der Karriere oder mit der Familie zu kämpfen haben, die orientierungslos in der Gesellschaft umherstreunen und sich bei allem doch zumindest gegenseitig haben.

Genau hier liegt die große Stärke von "Looking": Die Freundschaftsbande zwischen den drei Männern ist von Anfang an eine enge, eine unzerrüttbare, haben sie doch schon viele gemeinsame Jahre hinter sich und kennen ihre gegenseitigen Marotten dementsprechend bestens. Unzerrüttbar heißt aber nicht perfekt – Streitereien, Auseinandersetzungen und Komplikationen gibt es durchaus, doch Patrick, Dom und Agustín stärken sich immer gegenseitig den Rücken, sagen dem anderen zur Not auch mal, wenn er Mist gebaut hat, stehen sich immer zur Seite. Gleichzeitig driften die drei Charaktere dann aber auch in ihre einzelnen Storylines ab, die zwar alle immer nur punktuell – die Episodenlänge beläuft sich auf 30 Minuten –, aber dafür umso konsequenter vorangetrieben werden. "Looking" ist großartig darin, mit jeder Folge einen Ausschnitt aus dem Leben dieser Figuren zu zeigen, der zwar nur kurz ist, die Charakterentwicklung aber enorm vorantreibt und Geschichten erzählt, die den Zuschauer – egal ob schwul oder nicht – amüsieren, berühren und zum Nachdenken bringen. Das beste Beispiel dafür ist die wirklich fantastische Episode #1.06 Looking For the Future, in der Patrick und Richie (Raúl Castillo) einfach nur den ganzen Tag herumlaufen, über Gott und die Welt reden, storytechnisch eigentlich nichts passiert und aber doch so viel passiert.

Foto: Raúl Castillo & Jonathan Groff, Looking - Copyright: 2014 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Raúl Castillo & Jonathan Groff, Looking
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Dabei schadet es natürlich nicht, dass "Looking" mit San Francisco eine Location gewählt hat, deren besonderer Puls und rauer kalifornischer Charme die perfekte Basis für das Storytelling bietet. Hier treffen verschiedene Kulturen und Generationen aufeinander, hier ist die Welt ein bunter Mix aus den unterschiedlichsten Menschen. Besonders Serienmacher Haigh, der fünf der acht Episoden von Season 1 inszenierte, besitzt ein besonderes Auge dafür, wie er bestimmte Szenen filmen muss, um den größtmöglichen emotionalen Effekt beim Zuschauer zu erzielen – sei es in Patricks Apartment, auf den Straßen San Franciscos, auf der Golden-Gate-Bridge oder im Dolores Park. Die Stadt ist wie ein weiterer stiller Protagonist, der immer präsent ist, sich dabei aber nie in den Vordergrund drängt.

Letztlich wäre "Looking" aber sicherlich nur halb so gut, wenn Lannan und Haigh nicht solch ein Händchen fürs Casting bewiesen hätten. Mit dem liebenswerten und einfach durch und durch sympathischen Jonathan Groff ist die Rolle des leicht naiven Patrick perfekt besetzt, der als Endzwanziger, der zwar einen guten Job, dafür aber Pech in der Liebe hat, eine erfrischend konventionelle Figur ist. Die im US-Fernsehen bis dato noch eher unbekannten Darsteller Bartlett und Alvarez sind gleichermaßen ein Glücksgriff: Bartlett besticht als attraktiver Dom, der mit 40 in eine Art Sinnkrise fällt und sein Leben umkrempeln will, während Alvarez seiner gebeutelten Künstlerfigur Agustín die nötige Mischung aus Arroganz und Verletzlichkeit verleiht. Bei den Nebendarstellern stechen vor allem Newcomer Raúl Castillo, der stets gern gesehene Scott Bakula sowie die einzige wichtige weibliche Darstellerin der Serie, Lauren Weedman, hervor. Jeder Darsteller bringt etwas Einzigartiges in die Serie hinein und alles fügt sich zu einem homogenen Ganzen, einer unterhaltsamen wie berührenden kleinen Serie, die einfach das Leben zeigt, wie es ist, mit all seinen Höhen und Tiefen. Jonathan Groff selbst hat es eigentlich einmal wunderbar pointiert zusammengefasst: "'Looking' is about a group of gay friends living in modern-day San Francisco looking to connect, looking for love and living their lives." Und genau das macht die Serie in ihrer ersten Staffel schon mal sehr, sehr gut.

Maria Gruber - myFanbase

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