True Detective - Review Staffel 2

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Es gibt wahrscheinlich kaum einen schwierigeren Start für eine Staffel als ein solcher, der von riesigen, geradezu utopischen Erwartungen überschattet wird. Die erste Staffel von "True Detective" setzte 2014 ein Zeichen in der Serienlandschaft, verzückte die meisten TV-Kritiker und das gewillte Publikum, und bot in Sachen Storytelling und Inszenierung ein herausragendes Beispiel dafür, wie erzählerisch anspruchsvoll und visuell ansprechend Serienunterhaltung aussehen kann. Somit war klar, dass für die zweite Staffel die Messlatte hoch war und die Erwartungshaltung der Zuschauer dementsprechend ins Unermessliche stieg. Der erste Versuch, diese zu erfüllen, geschah mit den ersten Castankündigungen: von Colin Farrell war da auf einmal die Rede, von Rachel McAdams, von Vince Vaughn. Dazu die Gewissheit, dass Nic Pizzolatto auch für Staffel 2 wieder zur Feder greifen und alle acht Episoden konzipieren würde. Die ersten Trailer sahen vielversprechend aus. Doch letztlich scheiterte, ja musste die zweite Staffel von "True Detective" wahrscheinlich an den hohen Erwartungen scheitern, die sie nur selten und wenn überhaupt nur ansatzweise erfüllen konnte.

"We get the world we deserve."

Foto: Colin Farrell, True Detective - Copyright: Lacey Terrell/2015 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Colin Farrell, True Detective
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Das heißt jedoch nicht, dass die zweite Staffel von "True Detective" durchgehend enttäuschend war – keinesfalls. Man muss Pizzolatto zugute halten, dass er nie in die Falle tappt, sich selbst zu kopieren und wirklich versucht, ganz im Sinne einer Anthologieserie, eine völlig neue Ausgangssituation mit ganz neuen Spielern zu kreieren, gleichzeitig aber an bestimmten, für die Serie essentiellen Grundzügen festzuhalten. Dabei ist das neue Setting im kalifornischen Vinci ähnlich desolat und trostlos wie das Vermillion Parish in Louisiana, wo in Staffel 1 noch Rustin Cohle (Matthew McConaughey) und Marty Hart (Woody Harrelson) ermittelten. Pizzolattos Kalifornien besteht nicht aus hippen Girls in wehenden Kleidern, Surferboys mit perfektem Lächeln und sonnigen Badestränden, sondern aus einem Labyrinth aus Highways, aus unendlichen Feldern aus Ölbohrmaschinen und verseuchtem Acker, aus alten Industriegebieten und verlassenen Häusern. Obwohl das rekurrierende Element der endlosen Highways eine Art roten Faden bildet – gedacht sowohl als Metapher für die ineinander verwobenen Korruptionsnetze, die Velcoro (Farrell), Bezzerides (McAdams) und Woodrugh (Taylor Kitsch) aufzudröseln versuchen als auch als Sinnbild für die Orientierungslosigkeit der Protagonisten –, so wirken die meisten anderen Versuche, eine wirklich düstere Atmosphäre herzustellen, oftmals leider zu gewollt. Die lamentierende Sängerin im Pub, die traurige Lieder singt, oder die ins Monochrome verschwimmenden Kameraeinstellungen, es mag alles nicht so ganz zusammenpassen, nicht so wirklich diese besondere Stimmung erzeugen, die man zu erzeugen versucht.

Foto: Vince Vaughn, True Detective - Copyright: Lacey Terrell/2015 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Vince Vaughn, True Detective
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Dieses Problem auf inszenatorischer Seite spiegelt sich auch in der Geschichte wider. "True Detective" scheint in seiner zweiten Staffel nie so richtig zu wissen, was es sein will. Es birgt einerseits Elemente aus dem Noir mit seiner pessimistischen Weltsicht, der Aussichtslosigkeit des Kampfes gegen die Korruption und seinen urbanen Schauplätzen; es erinnert zeitweise an Gangsterfilme, wenn Frank Semyon (Vaughn) versucht, sein kleinkriminelles Imperium gegen Russen und Mexikaner zu verteidigen; es versucht sich auch an klassischem Drama mit all den familiären Verzwickungen, die in Velcoros, Bezzerides', Woodrughs und Semyons Privatleben dominieren. Ein stimmiges Gesamtbild mag sich jedoch nicht so recht ergeben: Konflikte werden oft nur angeschnitten, wirkliche Tiefe entsteht fast nie. So bleibt man den Protagonisten emotional meist fern, kann nie so richtig tatsächliches Mitgefühl für sie entwickeln. Konflikte wie etwa der um Woodrughs Homosexualität oder den Kinderwunsch von Semyons Frau Jordan (Kelly Reilly) wirken oft belanglos und unausgereift. Einzig bei Velcoro bekommt man tatsächliche Einblicke in dessen Leben und seine Gefühlswelt, was dem Finale überaus zugute kommt, da man so die irrationale und letztlich fatale Entscheidung Velcoros, seinen Sohn ein letztes Mal sehen zu wollen, problemlos nachvollziehen kann.

Foto: Rachel McAdams, True Detective - Copyright: Lacey Terrell/2015 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Rachel McAdams, True Detective
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Das Finale macht insgesamt ohnehin einiges wett und nimmt dort endlich an Fahrt auf, wo die erste Staffelhälfte überaus träge und ereignislos wirkt. Obwohl mit nur acht Episoden (die aber, das muss man natürlich eingestehen, alle mindestens 55 Minuten dauern) die Erzählzeit relativ knapp gehalten ist und somit vermeintlich einfach eine höhere erzählerische Dichte hätte erzielt werden können, ist die zweite Staffel anfangs oft enorm langatmig und vergeudet viel Zeit für die minimalsten Details eines Mordfalls, dessen Überblick man auf halber Strecke, zumindest als normalsterblicher Zuschauer, irgendwann verliert. Was mit dem brutalen Mord an Ben Caspere beginnt, verzettelt sich in einen furchtbar verzwickten Korruptionsfall mit Schmiergeldern, Prostitution und Sexparties, Politikerskandalen, einem Raubüberfall, der bis 1992 zurückreicht, und und und. Wenn man nicht gerade Buch führt, ist es geradezu unmöglich, bei dem Fall wirklich alle Namen und Ereignisse präsent zu haben – vor allem, weil die Serie dem Zuschauer hier auch überhaupt nicht entgegenkommt. Obwohl es natürlich überaus positiv ist, dass dem Publikum diese Denkleistung zugemutet wird, so ist die Komplexität des Falls ab einem gewissen Punkt einfach zu groß, als dass man dessen Lösung wirklich genießen könnte, da man sie nicht mehr nachvollziehen kann.

Foto: Taylor Kitsch, True Detective - Copyright: Lacey Terrell/2015 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Taylor Kitsch, True Detective
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Doch in den Momenten, wo die zweite Staffel sich entfernt von den kleinen Details und langatmigen Nachforschungen, bietet sie dann doch auch wieder so manch großartige Szene. Eine hochspannend inszenierte Massenschießerei in #2.04 zum Beispiel, Bezzerides' albtraumhafte Mission auf einer Sexparty in #2.06 oder auch die finalen Momente von Velcoro, Woodrugh und Semyon sind allesamt erinnerungswürdig. Dasselbe gilt für die interessante Komplizenschaft zwischen Velcoro und Semyon, die als einzige Beziehung einen wirklichen Eindruck hinterlässt. Auch hier kommt man um einen Vergleich mit Staffel 1 aber leider nicht herum, wenn man gleichzeitig an die fantastische Dynamik zwischen Cohle und Hart denkt, die die komplette Geschichte spielend leicht zu tragen vermochten, was Velcoro und Semyon in Staffel 2 letztlich nicht ganz schaffen.

Foto: Kelly Reilly, True Detective - Copyright: Lacey Terrell/2015 Home Box Office, Inc. All rights reserved. HBO® and all related programs are the property of Home Box Office, Inc.
Kelly Reilly, True Detective
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Was bleibt also von der zweiten Staffel von "True Detective"? Nic Pizzolatto lädt ein zu einem hochverwirrenden Mord- und Korruptionsfall, der dem Zuschauer leider zeitweise über den Kopf steigt, gleichzeitig aber doch mit schonungsloser Realität die Missstände des US-amerikanischen Behördenapparats aufzeigt und die Hilflosigkeit des kleinen Mannes. Auch in Staffel 2 dominieren Trostlosigkeit und Desolation, die inszenatorische Umsetzung entwickelt aber leider nie die Wucht und Eindringlichkeit der ersten Staffel. Themen wie Verlust, Verrat, Rache, Vaterschaft, das eigene Vermächtnis, die Unbarmherzigkeit des Schicksals, all das wird angeschnitten, doch nicht wirklich näher beleuchtet. Ähnlich verhält es sich mit den gebeutelten Protagonisten, die nur selten wirkliche Faszination entfalten und oft mehr schablonenhaft als echt wirken, auch wenn ihre Darsteller, ganz besonders Rachel McAdams und Colin Farrell, ihr möglichstes tun. Angesichts der enormen Erwartungen war es wohl fast unmöglich für Staffel 2, ebendiese zu erfüllen und das schafft sie auch nicht. Es ist ein bisschen wie mit Bezzerides' E-Zigarette: durchaus ganz gut, aber halt nicht derselbe Zug am echten Glimmstängel der ersten Staffel.

Maria Gruber - myFanbase

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