Review: #4.05 Rosa Cupcakes
"American Horror Story" ist nicht unbedingt die subtilste Serie der Welt, doch ab und an schaffen die Macher es durchaus, gekonnt mit bestimmten Ideen zu spielen und diese in metaphorischen Bildern in die Dramaturgie einzubauen. Die storyübergreifende Metapher dieser Episode sind, wie der Titel schon andeutet, pinke Cupcakes, die in einer Szene auch tatsächlich als solche vorkommen, in Wirklichkeit aber sinnbildlich für die Fantasien und Träume der jeweiligen Charaktere stehen. Viele Protagonisten kommen ihren Wünschen diesmal zum Greifen nah, bekommen sie quasi wie einen pinken Cupcake auf einem Teller serviert, doch dieser Cupcake entpuppt sich dann als Täuschung, als Trugschluss, ja sogar als pures Gift.
"Fraulein Elsa's Cabinet of Curiosities is about to have a terrible run in bad luck."
Beginnen wir mit demjenigen, der die besagten pinken Cupcakes tatsächlich anbietet: Stanley hat sich in der Freak Show eingenistet und mit ihm werden diesmal auch endlich einige Hebel in Gang gesetzt. Natürlich ist der Charakter ganz klar als Unruhestifter ausgelegt, als so genanntes plot device, der nur dafür da ist, um bestimmte Figuren in bestimmte Richtungen zu lenken. Doch Denis O'Hare spielt Stanley auf seine Art so wunderbar schmierig und skrupellos, dass man sehen will, wie er die Leute um sich herum manipuliert und gegeneinander ausspielt.
An erster Stelle steht auf seiner Liste Elsa, der er den metaphorischen Cupcake des Starglamours vor die Nase hält. Elsa lässt sich dabei lächerlich leicht manipulieren, so verblendet ist sie von ihrem Wunsch, ein Star zu werden. Ihr Auftritt vor dem ausverkauften Publikum gleicht einer Katastrophe, einer Karikatur ihrer Performance aus #4.02 Massacres and Matinees, und während sie auf der Bühne steht und mit Popcorn beworfen wird, überkommt einen als Zuschauer für einen kurzen Moment wirklich Mitleid für diese arme Frau. Doch Elsas intrigantes Wesen und ihre völlig selbstzentrierte Verhaltensweise lassen dieses Mitleid schnell wieder im Nichts verpuffen. Es ist schade, dass man nun gar nichts mehr von Elsas fürsörglicher Art sieht, die in den ersten zwei Episoden noch ansatzweise durchschien. Damit bleibt die Figur weiterhin relativ uninteressant, da einfältig.
"Once they change me down there, I'm gonna be too much woman for you anyway."
Desirees sinnbildlicher Cupcake sieht derweil ganz anders aus: Sie bekommt die Chance, endlich normal zu sein, nachdem sie erfährt, dass sie genetisch zu hundert Prozent eine Frau ist und sie sogar Kinder bekommen kann. Diese Erkenntnis führt dazu, dass sich Desiree von Dell emanzipiert und sich aus ihrer problembehafteten Ehe rettet. Angela Bassett füllt die Rolle mit genau der richtigen Mischung aus Stärke und Unsicherheit aus, sodass man es als Zuschauer sogar akzeptieren kann, wenn sie sich den überhasteten Avancen Jimmys hingibt. Desiree ist in der Tiefe ihres Herzens vor allem eines, nämlich unglaublich einsam, und nun sieht sie die Chance, ihrem Leben endlich einen Sinn und eine Richtung zu geben.
Dabei haben Desiree und Dell (und Jimmy) eigentlich ein sehr ähnliches Problem: Sie alle hadern mit ihrem Körper und im konkreteren Sinne mit ihrer Sexualität, was die Macher in dieser Staffel anscheinend zu einem zentralen Thema machen wollen. Desiree dachte, sie wäre eine Hermaphroditin, will jedoch eine "normale" Frau sein. Dell ist vordergründig der Starke Mann, hat aber (zumindest in Anwesenheit seiner Frau) Potenzprobleme und fühlt sich zu Männern hingezogen. (Und Jimmy will einfach einer Frau nahe sein, doch seine Missbildungen hindern ihn daran, wie in Maggies Fall, oder zerstören jeglichen Versuch, wie bei Desiree.) Mit der Enthüllung, dass Dell eigentlich Männer liebt, führen die Serienmacher uns in eine weitere Subkultur ein, die damalige Homosexuellenszene, in der Gaststar Matt Bomer als Stricher auftreten darf. Wie fragil Dell, der "Starke Mann", eigentlich ist, zeigt dessen überschnelle Hingabe zu Andy, der Dells Zuneigung nicht gleichermaßen erwidert. Und doch scheint Dell gleichzeitig auch noch zumindest ansatzweise Gefühle für Desiree zu haben – oder ist sein brutaler Wutanfall gegenüber ihrem Arzt vielmehr als eine Verteidigung "seiner" Desiree, seines Eigentums, zu interpretieren?
"This body is America: Strong, violent and full of limitless potential [...] I am perfection. I am greatness. I am the future, and the future starts tonight."
Während die Ereignisse rund um Stanley, Elsa und die Tattler-Zwillinge (Bette und Dot sind wirklich die bislang am schlechtesten genutzten Figuren der Staffel) sowie um Dell, Desiree, Ethel und Jimmy eher Seifenoper- als Horrorstorycharakter haben, entfaltet der Plot rund um Dandy diesmal eine wirklich schaurig-perfide Faszination. Wir bekommen erstmals einen Einblick in die verzerrte Gedankenwelt Dandys, in seine psychopathischen Züge, seine Mordlust und seinen Größenwahn, die letztlich ihren Ursprung in der fehlgeschlagenen Erziehung Glorias haben. Man weiß gar nicht, was verstörender ist: Dandys brutaler Mord an Dora oder Glorias Reaktion darauf, die ihren Sohn völlig unverhältnismäßg damit "bestraft", dass er aufs Zimmer gehen muss. Mal ganz zu schweigen davon, dass Gloria zu Dandys Komplizin wird und die Mordexzesse ihres Sohnes damit nicht nur duldet, sondern auch noch vertuscht.
Was Dandy auf seine Weise interessant macht, ist die paradoxe Kombination aus seinem gepflegten Äußeren, seinem reichen und sauberen Schein, und seinem mörderischen Inneren, seiner Unmenschlichkeit und Brutalität. Dandy sorgt zudem für den Höhepunkt des Horrors in dieser Episode, als er sich seinen sinnbildlichen Cupcake greift, und seinen ersten geplanten Mord in die Tat umsetzt – und das auf die wirklich abartigste, fürchterlichste, entsetzlichste und ekligste Weise, die man sich vorstellen kann. Urgh. Ein Lob muss an dieser Stelle aber Finn Wittrock ausgesprochen werden, der in dieser schwierigen Rolle bislang sehr überzeugend agiert und maßgeblich daran beteiligt ist, dass diese Storyline funktioniert.
"I would rather be boiled in oil than be on television."
Was #4.05 Pink Cupcakes im Vergleich zu seiner Vorgängerepisode letztlich besser macht, ist vor allem die Tatsache, dass endlich einmal etwas vorwärts geht. Nachdem bereits ein Drittel der Staffel rum ist, stehen wir jetzt am Anfang des tatsächlichen Plots, der mit dieser Folge langsam ins Rollen gebracht wird. Wir haben die von Stanley entfachte Konkurrenz zwischen Elsa und Bette und Dot, die Elsa dazu bringt, die Zwillinge an Gloria Mott verkaufen zu wollen. Wir haben die erstarkte Desiree, die sich von Dell trennt und zu Ethel zieht. Wir haben Dandy, der zur brutalen Killermaschine mutiert, wobei mit Regina (hallo, Gabourey Sidibe!) im Hintergrund jemand lauert, der ihm vielleicht auf die Schliche kommt (oder sein nächstes Opfer wird). Es passiert etwas, es geht etwas vorwärts – und das kommt dem Gesamteindruck eindeutig zu Gute.
Maria Gruber - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Pink CupcakesErstausstrahlung (US): 05.11.2014
Erstausstrahlung (DE): 15.04.2016
Regie: Michael Uppendahl
Drehbuch: Jessica Sharzer
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