Bewertung

Review: #5.03 Mütter

Foto: Chloe Sevigny, American Horror Story: Hotel - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Chloe Sevigny, American Horror Story: Hotel
© Frank Ockenfels/FX

In einem Interview, das dem Start von "American Horror Story: Hotel" vorausging, sagte Hauptdarstellerin Sarah Paulson über die fünfte Staffel der Horroranthologieserie treffend: "[The season is about] the way that we can all be addicts in different ways that are detrimental to our health [...], whether it be love addictions, sex addictions, drugs addictions, alcohol addictions." Das Thema der Abhängigkeit in ihren verschiedensten Formen wird in dieser dritten Episode, #5.03 Mommy, mehr in den Fokus gerückt. Es geht um Abhängigkeiten zwischen Personen, um die Abhängigkeit von Sex, von Drogen, von Alkohol, und um den Versuch, dieser Abhängigkeit zu entkommen – oder der Entscheidung, sich ihr völlig hinzugeben.

"The smell was real. He truly smelled like fresh lavender. It was and always will be my drug of choice [...] It was a special kind of love."

Um diese Mechanismen der Abhängigkeit näher zu beleuchten, schaltet "American Horror Story: Hotel" in einen für seine Verhältnisse relativ niedrigen Gang runter und nimmt sich die Zeit, die Hintergrundgeschichten der verschiedenen Charaktere näher zu betrachten. Das Resultat ist eine ruhigere Folge, die jedoch wichtige Charakterarbeit leistet und dazu fähig ist, überzeugendes Drama abzuliefern.

Trotz der Klischeehaftigkeit der Storyline rund um Familie Lowe (die Alex in einem Metakommentar selbst einsieht: "I'm not unaware of the obvious cliché here.") funktioniert die Tragik der Holden-Entführung bislang erstaunlich gut. Familie Lowe ist zerrüttet. John Lowe will seine Familie verzweifelt zusammenhalten, schafft dies jedoch nicht. Alex will John verzeihen, doch es gelingt ihr nicht. Scarlett will ihren Eltern zu verstehen geben, dass sie Holden gesehen hat, doch niemand glaubt ihr (zugegeben, ihre Beschreibung gibt nicht unbedingt Anlass zur Glaubwürdigkeit: "There's this room where they play Nintendo, and glass jars full of jelly beans."). Die Eheleute John und Alex sind emotional so weit voneinander entfernt wie sie im Zimmer der Psychotherapeutin sitzen: Alex sitzt einsam und isoliert auf einem Sessel, weit weg von John auf dem Sofa, der nicht mehr an sie herankommt und auch Scarlett erreicht sie nicht mehr.

Alex erhält diesmal durch einige Flashbacks ein bisschen mehr Profil und ist einer der titelgebenden Mütter der Episode. Ihre unermessliche Liebe zu Holden gleicht einer Abhängigkeit: Holden war es, der ihr Leben mit Sinn erfüllte, mehr noch als John oder später Scarlett. Ihr Selbstmordversuch und ihre Lethargie sind dramatisch und nachvollziehbar. Doch noch viel überzeugender ist das Ehedrama, das sich später in der Hotelbar des Cortez abspielt. In einer starken Szene, in der besonders Wes Bentley aufzutrumpfen weiß, geht hier eine Beziehung zu Ende. Alex will sich von John scheiden lassen, angeblich wegen Scarletts Wohlbefinden, doch eigentlich ist sie diejenige, die John nicht mehr in die Augen sehen kann. Als er mit den Scheidungspapieren konfrontiert wird, offenbart sich auch eine Abhängigkeit Johns: Er braucht Alex, er braucht seine Familie. Sie sind seine letzte verbleibende Konstante in dem Strudel aus Schmerz, Trauer und Verzweiflung, in den er gesogen wird. Nun, da diese wegbricht, wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis er zu einer weiteren Abhängigkeit, dem Alkohol, zurückkehrt.

"My list beats yours. Item one: I gave you life. Item two: I saved your life."

So wie Alex Holden braucht, um ihrem Leben Sinn zu geben, braucht auch Iris ihren Sohn Donovan. Iris ist die zweite Mutter in dieser Folge und Kathy Bates erschafft hier einen durchaus interessanten, da zwiespältigen Charakter. Iris ist gemein, resolut, gnadenlos und gleichzeitig einsam, verloren und unterwürfig. Für Donovan würde sie alles tun und umso härter ist es für sie, den tiefsitzenden Hass ertragen zu müssen, den ihr Sohn für sie empfindet. Auch hier versteckt sich noch ein potentiell interessantes Flashback, das uns erklärt, woher Donovans Verachtung für seine Mutter herrührt. Bis dahin wird man mit starken Dialogszenen zwischen Kathy Bates und Matt Bomer toll unterhalten.

Doch so abhängig wie Iris von Donovan ist, es sieht umgekehrt letztlich nicht anders aus. Donovan, von der Countess ins Exil geschickt, muss nach einer grausamen Nacht auf den Straßen von Los Angeles erkennen, dass er nichts und niemanden hat. Ohne die Countess, ohne das Hotel, ist er ein Niemand. Und Liz Taylor macht ihm letztlich klar, dass Iris, ob er es nun will oder nicht, die einzige Person auf Erden ist, die ihn tatsächlich liebt: "In the next hundred years of living, you may find someone who treats you better, who screws you better, who makes you laugh more than cry. You'll never find anyone who loves you as much as she does," so Taylor. Und so bringt Donovan Iris aus dem Tod ins Leben zurück und bindet sie somit, wie Sally passend kommentiert, in einem Moment poetischer Gerechtigkeit für immer an sich.

"What she couldn't have was one of her creations creating something else. There could only be one queen."

Die dritte Mutter präsentiert sich in Form der Countess. Als Vampirkönigin ist sie nicht nur die Erschafferin vieler kleiner platinblonder Mini-Vamps, sondern auch anderer Abkömmlinge wie ihrem neuen Lover Tristan oder auch einer gewissen Ramona Royale. Angela Bassett erhält in dieser Folge ihren großen Auftritt, und was kann man sagen? Er ist absurd genial. In einer Hommage an die Blacksploitation-Filme der 70er Jahre präsentiert man uns Ramona in herrlich übertriebener Tarantino-Manier als eine B-Movie-Darstellerin mit Sexappeal und Toughness und Bassett macht die Rolle sichtlich Spaß. Sie harmoniert blendend mit Lady Gaga und auch die Inszenierung der Aufzugmontage, die die Beziehung zwischen der Countess und Ramona über die Jahre hinweg zeigt, ist eine gelungene Idee. Was Ramona nun will? Ramona will Rache. Rache dafür, dass die Countess die Liebe ihres Lebens tötete.

Derweil werden auch die Ziele der Countess klarer. Sie möchte Will Drake verführen, ihn heiraten und dann umbringen, um so an sein Vermögen zu kommen und das Hotel wieder zurückzuerlangen. Lady Gaga überzeugt nicht nur in den Szenen mit Bassett, auch mit Cheyenne Jackson verbindet sie eine erstaunliche Chemie. Der eigentlich homosexuelle Drake ist so angetan von der Countess, dass er ihrer Verführung nicht lange standhalten kann – und nur Tristans Auftauchen verhindert weitere Annäherung. Interessant dürfte die Sache insofern werden, als dass die Pläne der Countess denen von James Patrick March im Weg stehen: Dieser will sich nämlich sofort Will Drakes entledigen, da dieser sein geliebtes Folterhotel renovieren will. Und zwischen beiden steht Tristan, der einerseits zur Countess steht, andererseits gegenüber March seine größte Bewunderung ausspricht. Tristan und March werden hoffentlich noch viele gemeinsame Szenen haben – das Intro war nämlich schon mal herrlich (unbezahlbar: "I googled you." – "That sounds obscene!").

"You're giving me dangerous thoughts." – "All great ideas are deadly."

Auf geradezu unerwartet konsequente Art und Weise spinnt #5.03 Mommy die Geschichten der einzelnen Charaktere weiter und bietet insgesamt eine unterhaltsame Episode. Einige Klischees hier und da mögen etwas zu viel sein, doch zumindest ist sich die Serie ihrem eigenen Pathos durchaus bewusst. Insgesamt bringt die Episode alle Charaktere – mit Ausnahme der weiterhin recht blass wirkenden Sally – weiter, sie liefert mit Ramona Royale eine tolle neue Protagonistin, sie erkundet wichtige Momente aus der Vergangenheit, sie lotet die verschiedenen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Figuren aus und konkretisiert deren Wünsche und Ziele. Und das funktioniert. Man wird unterhalten. Man wird geschockt. Man ist fasziniert. So kann es ruhig weitergehen.

Maria Gruber - myFanbase

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