Review: #6.02 Kapitel 2

Irgendwann in der Mitte von #6.02 Chapter Two sagt Matt Miller einmal: "It's amazing how long a person can rationalize the irrational." In der Tat möchte man den Charakteren während dieser Episode mehr als einmal schreiend zurufen, dass sie doch bitte endlich begreifen mögen, dass blutige Schweineköpfe, fliegende Messer, blutige Graffitis, an Nägeln zappelnde Würmer, kleine Mädchen mit Hauben, geheime Keller, nächtliche Anrufe trotz gekapptem Telefonanschluss und brennende Marterpfähle mit (menschlichem?) Fleisch NICHT allesamt wegzurationalisieren sind – vor allem, wenn alle diese Vorkommnisse nur binnen weniger Tage passieren.

Aber wie es damals schon ein gewisses Ehepaar namens Vivien und Ben Harmon tat, so versuchen auch Shelby und Matt Miller, selbst das verrückteste Vorkommnis in einen erklärbaren Zusammenhang zu bringen. Und damit beginnen auch so ein bisschen die Probleme dieser zweiten Episode von "American Horror Story: Roanoke".

"If it was a fight they wanted, it was a fight they were gonna get."

Zunächst einmal: Wenn Kathy Bates mit voller Inbrunst ein böses "Let him be purrrrrifiiieed" ruft, während zombieartige Gestalten durch die Dunkelheit stapfen und Sarah Paulson wie am Spieß schreit, und genau in diesem Moment der Schriftzug "Dramatic Re-Enactment" eingeblendet wird, ist das irgendwie ein herrlicher Metakommentar (wenn denn so intendiert). Denn natürlich ist "American Horror Story" auch in dieser Folge wieder ungemein übertrieben und dramatisch, angefangen bei der genannten Überfülle an Horrorelementen, über die dramatische (aber sehr wirkungsvolle) Inszenierung, bis hin zur Melodramatik der überflüssigen Lee/Mason/Flora-Storyline.

Shelby will es diesmal wissen. Nachdem sie Zeugin eines abgefahrenen Menschenopferrituals geworden ist, will sie nicht etwa ihre Sachen packen und diesen völlig verrückten Ort schnellstmöglich verlassen, nein, sie stolpert lieber im Stockfinsteren durch den Wald und will ihre potentiell hochgefährlichen/irren Gegner mit ihrer Taschenlampe stellen. Auch wenn diese proaktive Rolle sicherlich positiv ist, nimmt man sie Shelby nur schwerlich ab. Dazu ist die glutenfreie Yogalehrerin zum einen nicht der Typ, zum anderen würde doch auch einfach kein normaler Mensch nachts hinter bedrohlichen Mitgliedern eines Kults herrennen, die gerne Schweineköpfe auf lebendige Menschen stecken und sie dann grillen.

"What he said on that tape sounded insane. But... looking into his eyes as he told the story... we were immediately pulled in."

Die Episode belässt es aber nicht bei gegrillten Schweineköpfen. Auch der Horror innerhalb des alten Landhauses nimmt diesmal voll an Fahrt auf. Dabei bedient sich "American Horror Story" ganz klassischen Motiven und Ideen: das Telefon, das klingelt, obwohl es nicht angeschlossen ist; das kleine Mädchen, das mit einer angeblich imaginären Freundin spricht und plötzlich vom Tod redet; die blutige Vorgeschichte eines alten Landhauses, das verflucht zu sein scheint.

Gerade letzteres Element erinnert stark an Staffel 1, gibt es doch einen direkten Hinweis auf übernatürliche Geisterphänomene, die sich anscheinend im Landhaus abspielen. Obwohl man das Gefühl hat, als würde sich "American Horror Story" hier selbst kopieren, so ist die brutale Legende rund um die zwei Krankenschwestern Miranda und Bridget Jane, die alten Leuten mit Lust und Laune den Garaus machen, durchaus gänsehauterregend (Stichwort: MURDE). Die Einbettung der Legende in eine weitere erzählerische Metaebene ist sicherlich auch keine schlechte Idee: Denis O'Hare darf in dieser Staffel den immer mehr dem Wahn verfallenden Dr. Elias Cunningham spielen, der bereits 1997 die Schrecken des alten Hauses kennen lernte und dessen Schicksal bislang offen ist. Wurde Cunningham Opfer der übernatürlichen Kräfte im Haus? Oder der verrückten Kultmitglieder auf dem Land? Lebt er womöglich noch?

Während die Einbettung der zusätzlichen Erzählebene rund um Cunninghams horrende Entdeckungen recht gelungen ist, so wird in dieser Folge aber auch klar, dass die Erzählebene des Dokumentarfilms prinzipiell gar nichts mehr beiträgt. Während im Staffelauftakt noch die Hoffnung bestand, dass die doppelbödige Erzählung ein bisschen Spannung bringen könnte – auf der einen Seite die "realen" Kommentare der von Rabe, Holland und Porter gespielten Charaktere, auf der anderen Seite das "Dramatic Re-Enactment" von Paulson, Gooding Jr. und Bassett –, so entpuppen sich die Doku-Kommentare diesmal als ziemlich belanglos. Es wird sich zeigen, ob die Autoren hier noch mehr daraus machen können werden.

"Something got to them before they were able to take their final victim and finish spelling 'murder.' Not by the police, by something even more evil than they were."

Bis dahin verbleibt der Zuschauer mit einer relativ soliden, wenn aber auch allerhöchstens durchschnittlichen Episode dieser noch jungen "Roanoke"-Staffel. Während der Horrorfaktor der Serie sehr gut zur Geltung kommt – nicht zuletzt dank wirkungsvoller Kamera und gezielter Musik – und es Spaß macht, den gut agierenden Schauspielern zuzusehen, so ist das Drehbuch einfach noch zu einfallslos, zu schablonenhaft und zu nichtssagend, als dass die Geschichten wirklich packend wären. Ob das schamlose Sich-Selbst-Kopieren da hilfreich ist, ist ebenfalls fragwürdig, auch wenn Staffel 1 weiterhin den unangefochtenen kreativen Höhepunkt der Serie bildet. Zumindest stehen Staffel 6 zu diesem Zeitpunkt noch alle Möglichkeiten offen.

Maria Gruber - myFanbase

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