Bewertung

Review: #2.18 Die Hand des Bösen

In den wenigen Augenblicken vor dem Vorspann wird bereits klar, dass uns hier eine großartige Episode erwartet. Die erste Einstellung zeigt Lindsey mit freiem Oberkörper schlafend im Bett, weshalb man hoffen darf, dass der Fokus sich endlich auf ihn richtet. Nach und nach hat Lindsey es geschafft, sich zu meinem Lieblingscharakter der Serie zu entwickeln. Er ist aufregend, unberechenbar, ehrgeizig, bis zu einem gewissen Grad rücksichtlos, hat aber eben doch ein gutes Herz. So kommt das Ende dieser Episode wie ein Donnerschlag, denn mitten in der Staffel und angesichts drei weiterer Staffeln verlässt uns dieser komplexe Charakter einfach. Ich kann nur hoffen, dass David Boreanaz und seinen langjährigen Kumpel Christian Kane doch bald wieder die Lust darauf packt, zusammen zu arbeiten, so dass der Abschied von Lindsey hier noch nicht endgültig ist.

Two enemies, one case, all come together in a beautiful buddy-movie kind of way.

Was gibt es Schöneres, als zwei tolle Männer, die aufs Blut verfeindet, aber plötzlich gezwungen sind, zusammen zu arbeiten, um den gemeinsamen Gegner zu bekämpfen. Lindsey-Angel-Szenen hatten für mich immer einen ganz besonderen Reiz, ob sie sich nun geprügelt oder Wortgefechte geliefert haben oder sich mal wieder gegenseitig töten wollten, denn es war immer eine weitere Komponente vorhanden: Lindseys bedingungsloses Vertrauen in Angel, egal, was sie einander vorher angetan hatten, wenn Lindsey keinen anderen Ausweg gesehen hat, wusste er immer, dass er sich auf Angel verlassen kann - wenn ihm auch der Spott seitens Angel natürlich nie erspart blieb.

Hier gerät Lindsey zwar eher unfreiwillig an Angel als Partner in seinem persönlichen Endgame, die Wirkung aber ist dieselbe. Es ist einfach allerfeinste Unterhaltung, wie Angel auf der gemeinsamen Autofahrt kumpelmäßig auf Lindsey einredet, während dieser den Redeschwall mit einer Mischung aus stummem Trotz und Fassungslosigkeit quittiert. Am Zielort angekommen, stellen sie fest, dass Wolfram & Hart auf perfide Weise Menschen konservieren, um Organ- und Körperteilspenden von ihnen zu entnehmen. Lindsey kam so an eine neue Hand, während es bei Angels Fall um einen Mann mit neuem Auge dreht. Diese Körperteile aber haben ein Eigenleben, was auf nichts anderes hinausläuft, als dass Lindsey aus Barmherzigkeit mit Angels moralischer Unterstützung einem der verstümmelten Menschen den Tod ermöglichen muss.

Den absoluten Höhepunkt aber erlebt das Verhältnis der beiden Kontrahenten, die sich in der vorherigen Episode noch gegenseitig mit einem Eisenhammer verdroschen haben, als Lindsey seinen Wagen packt, die Stadt verlassen will und Angel zu seinem Abschied kommt. Da erst entfaltet sich die gesamte Chemie, die die beiden als Freunde haben könnten, wenn sie welche wären. Sie geben einander gute Ratschläge, verzichten dabei auch nicht auf eine gehörige Prise Provokation, aber klar wird vor allem eines: Unterschiede ziehen sich an, denn so ungleich sie einander auch charakterlich sein mögen, der ewig grübelnde Angel und der impulsive Lindsey, sie würden sich wunderbar ergänzen und gäben ein explosives Team ab.

Seems like the more you get, the less you have.

Angel hat mit diesem Gedanken nicht ganz unrecht. Lindsey wirkt furchtbar einsam. Seine Kollegin Lilah wurde vom Vorstand zu seiner Konkurrentin gemacht, seine Liebe wurde von Darla nur ausgenutzt, seine Firma lässt ihn unverblümt wissen, dass er im Ernstfall verzichtbar wäre, und die einzige Person, der er vertraut, ist sein Erzfeind.

In den ersten paar Minuten der Folge wacht er auf und macht sich mit seiner gesunden Hand für den Tag fertig. Beim Griff nach der Krawatte schaut er traurig auf die Gitarre, die im Schrank verstaut steht, und die er nicht mehr spielen kann. Dann wird er von Wolfram & Hart vollkommen überrumpelt, bekommt innerhalb eines Tages eine neue Hand, die ein Dämon mit ein wenig Hokus Pokus anbringt. Er probiert seine Gitarre aus und geht in die Karaoke-Bar, nur um dort ein herzzerreißende Lied darüber zu singen, dass er nichts mehr empfinden kann. Hier sei Christian Kanes kräftige und zugleich gefühlvolle Gesangsstimme erwähnt, die ganz anders klingt, als seine sexy rauchige Sprechstimme.

Nach der gemeinsamen Zerstörung der Konservierungsbehälter für Menschen mit Angel entschlossen, kanalisiert Lindsey all seine Wut auf Wolfram & Hart und nimmt die nächste Konferenz als Plattform für seinen Showdown. Er stellt verschiedene Mitglieder der Firma bloß, offenbart sein Wissen über die menschlichen Ersatzteillager und kündigt endgültig. Starker Abgang, aber ich hoffe dennoch, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist.

I'm glad I didn't have to do something immature here.

Unreife ist das Stichwort – was ein Spaß in dieser Episode! Es fängt schon gut an mit Angels schwachem Versuch, den blassen Neid in der Karaoke-Bar auf Lindsey als unvergleichlich viel besseren Sänger zu überspielen. Besonders gefallen hat mir auch Lindseys Interpretation von einem cholerischen Anfall, als Angel ihm das Leben rettet, ihm dies völlig ungelegen kommt und er mit einer geladenen Waffe in der Hand mit den Armen herumrudert, als mache er Ausdruckstanz. Ganz zu schweigen davon, wie Angel Lindsey nachäfft: "'He's my lead! He's my lead!' What, are we on the schoolyard here?" und zu guter Letzt auch noch das Schild, das Angel an Lindseys Wagen anbringt, mit dem er sich wohl sehr bald den Ärger der Cops einholen dürfte. Der Witz in Dialogen und Darstellung ist hier einfach herrlich erfrischend.

When I was in charge here, nobody questioned my methods or my singing.

Cordy wird von ihren Visionen mehr und mehr geplagt. Sie hat die Fähigkeit dazu von einem Halbdämonen geerbt und scheint nicht wirklich gut ausgerüstet für all die schrecklichen Bilder zu sein, die ihr vor ihrem inneren Auge geschickt werden. Dies führt zur Ratlosigkeit unter ihren drei starken, männlichen Kollegen, die ihr nicht wirklich helfen können. Der schönste Moment in diesem Zusammenhang ist hier definitiv, als Angel Sandwiches für sie bestellt, nicht weiß, was sie am liebsten mag, einfach alles bestellt und sie ihn dafür mit einem dankbaren „I love you!“ belohnt. Das Strahlen auf Angels Gesicht in diesem Moment, ist wirklich Gold wert, und Cordy hat absolut Recht damit, dass Angel öfters lächeln sollte.

Bon voyage. Don't come back.

Angels gut gemeinten Rat an Lindsey kann ich so nicht unterschreiben. Ich möchte, dass er zurückkommt. Sein Verhältnis zu Angel birgt noch viel Potenzial, wie diese großartige Folge gezeigt hat.

Nicole Oebel - myFanbase

Die Serie "Angel - Jäger der Finsternis" ansehen:


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