Bewertung

Review: #2.12 Spieglbilder

Manche Menschen schauen nicht gerne in den Spiegel, weil sie sich nicht hübsch genug finden. Es gibt aber auch Menschen, die all die Gefühle und Schmerzen der anderen widerspiegeln und sich gar nicht dagegen wehren können. Genau diese Thematik behandelt "Chicago Med" in #2.12 Spiegelbilder, bei der mich wieder einmal Sarah Reeses Storyline etwas enttäuscht. Ganz im Gegenteil zu Will Halstead, der mir in dieser Staffel immer sympathischer wird.

Einmal im Leben nicht unscheinbar sein

Fangen wir einmal mit dem Handlungsstrang an, bei dem Will durch seine Hartnäckigkeit und spätere Reue durchaus glänzen konnte. Will muss einen Patienten behandeln, der unter starken Kopfschmerzen, aber auch Diabetes leidet. Alles deutet darauf hin, dass er unter einer Nasennebenhöhlenentzündung leidet. Allerdings glaubt Will, dass etwas an dieser Diagnose nicht stimmt und geht – vollkommen zurecht - seinem Bauchgefühl nach, anstatt auf Stanley Stohls Anweisungen zu hören, der ihn ohne weitere Untersuchung entlassen möchte.

Vielleicht hätte Stanley die Pilzinfektion im Gehirn des Mannes genauso gut feststellen können, wenn er nicht darauf erpicht gewesen wäre, einen großartigen und sofort erkennbaren Fall zu bekommen, bei dem er vor der Kamera glänzen kann. Ich weiß schon, warum ich ihn nicht leiden kann. Solche Menschen wie Stanley sind aber leicht zu durchschauen und das weiß auch Will, denn nur so konnte er ihm den Fall schmackhaft machen und die Pilzinfektion feststellen. Dass er dabei den Patienten in gewisser Weise ausgenutzt hat, steht erst einmal auf einem anderen Blatt.

Vielmehr denke ich, dass er einfach froh darüber gewesen ist, dass man ihn mit seinen Symptomen nicht wieder ignoriert hat und er nun weiß, was ihm fehlt. Das Schlimme an der Sache ist allerdings, dass es offenbar keinerlei Überlebenschancen gibt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Will so viel Courage gezeigt hätte, Sharon Goodwin zu gestehen, dass er den Patienten ausgenutzt hat, um seinen Willen zu bekommen. Ich finde es aber gut, dass für ihn die Privatsphäre seines Patienten an erster Stelle stand und er sein Handeln auch vor ihm eingestanden hat.

Wirklich verwunderlich war es allerdings nicht für mich, als Wills Patient die Einwilligung für das Video nicht zerrissen hat. Zum einen liegt seine Entscheidung sicher darin begründet, dass er kein unscheinbares Leben mehr wollte. Allerdings denke ich, dass der wichtigste Faktor für seine Entscheidung gewesen ist, dass Will richtig auf ihn und seine Symptome eingegangen ist und sich darum bemüht hat, die richtige Diagnose zu stellen. Auch wenn der notwendige Eingriff höchst wahrscheinlich tödlich für ihn endet, so würde das Video doch klar und deutlich zeigen, dass die Ärzte vom Chicago Med, alles dafür tun, um den Patienten zu helfen und dazu gehört auch nun mal, erst einmal die richtige Diagnose zu stellen und das setzt für mich persönlich voraus, dass man sich vom behandelnden Arzt verstanden fühlt. Meiner Ansicht nach hat Will all diese Kriterien erfüllt.

Wie man sich selbst sieht

Da es sich bei der Folge um die Sichtweisen und Spiegelungen von Gefühlen und Schmerzen dreht, bleibt natürlich auch nicht aus, dass davon auch zwei Mitarbeiter des Krankenhauses betroffen sind: Isidore Latham und Sarah. Die ersten Weichen dafür wurden bereits in der letzten Folge gestellt. Während bei Dr. Latham Asperger festgestellt wurde, glaubte Sarah ihren Mentor Daniel Charles zu enttäuschen und stimmte letztlich einer Psychotherapie zu.

Ehrlich gesagt, bin ich noch immer nicht davon überzeugt, dass die Autoren hier die richtige Entscheidung getroffen haben. Es ist zwar toll, dass wir etwas mehr übers Sarahs Vergangenheit erfahren, dennoch ist das für mich eher als Rückschritt in ihrer Entwicklung anzusehen. Nach den Geschehnissen in der letzten und dieser Folge wirkt es auf mich eher so, als würde Sarah wieder in ein altes Muster verfallen, was wir bereits in der ersten Staffel kennengelernt haben. In ihrer ersten Zeit im Chicago Med wirkte sie sehr schüchtern, mit sehr wenig Selbstbewusstsein. Allerdings hat sie sich immer weiter gesteigert und ist zu einer jungen Ärztin geworden, die keinerlei Zweifel an ihrem Tun hat. Gerade deswegen fällt es mir momentan so schwer, zu akzeptieren, dass sie offenbar jetzt wieder diesen Rückschritt macht, der meiner Meinung nach durchaus mit ihrer Mutter und deren Aussage zu tun hat. Schon in der letzten Folge wurde deutlich, dass sie das Gefühl hat, nichts richtig zu machen und ich hätte mir gewünscht, dass es in dieser Folge einen Schritt nach vorne gibt, anstatt einen zurück.

Ich denke schon, dass Sarah in die richtige Richtung bei dem Patienten von Ethan Choi und Jeff Clarke gedacht hat. Ich glaube, dass auch der Vater des Jungen eine erhebliche Mitschuld daran trägt, dass sein Sohn nun im Gefängnis einsitzen muss. Auf mich machte es den Eindruck, als wolle er ihm alles recht machen, was ihm aber nicht gelang bzw. gelingt. Sarah wird es vermutlich ähnlich ergeben und vielleicht wurde sie durch den Patienten an ihre eigene Vergangenheit erinnert, bei der ihr auch immer wieder vorgehalten wurde, nichts zu verstehen. Ich bin mal gespannt, wie es nun weitergehen wird, auch wenn ich der Ansicht bin, dass die aktuelle Entwicklung besser in die erste Staffel gepasst hatte.

Im Gegensatz zu Sarah gefällt mir die Entwicklung von Dr. Latham sehr gut. Nachdem bei ihm Asperger diagnostiziert wurde, bin ich froh darüber, dass man diese Handlung noch weiter ausbaut und es nicht Knall auf Fall beendet. Und obwohl Dr. Latham eine Methode gefunden hat, die ihm dabei hilft, die Welt mit anderen Augen zu sehen, ist diese Elektroschocktherapie eben erst der erste Schritt. Dabei finde ich es aber auch verständlich, dass es ihm nicht so leicht fällt, sein altes, über Jahre bestehendes Muster einfach aufzubrechen, nur weil er nun weiß, was mit ihm los ist.

Zwar entschuldigt das nicht seinen Wutausbruch bei der OP, es zeigt allerdings auch, wie unsicher er noch ist und lieber dem treu bleiben würde, was er schon so lange kennt. Das Problem dabei ist aber wie gesagt, dass die Elektroschocktherapie keine Dauerlösung ist, auf die er sich stets und ständig verlassen kann. Schön, dass Daniel ihm das klar machen konnte und er dessen Rat befolgt und sich an Connor Rhodes gewandt hat. Wer weiß, vielleicht werden die beiden doch noch ein klasse Team und vielleicht sogar so etwas wie Freunde? Auch dafür wurden die Weichen schon mal gestellt.

Die Spiegel-Krankheit

Einen sehr interessanten Fall betreuen auch Natalie Manning und Daniel. Nach einem Autounfall werden Laura und deren Tochter ins Krankenhaus eingeliefert. Während die Mutter eine Platzwunde am Kopf hat, scheint die Tochter unverletzt zu sein, weist aber die gleichen Symptome auf. An sich war es ein toller Fall, seltsam fand ich es nur, dass Natalie und Daniel doch relativ lang brauchten, um eine Diagnose stellen zu können. Aber manchmal kommt man einfach nicht auf das Naheliegende. Ariel tat mir ein bisschen leid, da sie mittlerweile selbst davon ausging, schizophren zu sein. Dazu kommt auch noch, dass ihre eigene Mutter glaubt, ihre Tochter würde simuliert.

Ich stelle es mir sehr schlimm vor, jeden Schmerz und jede Gefühlsregung selbst zu spüren, die einem gar nicht 'gehören'. Ich bin froh, dass Daniel dann doch noch auf des Rätsels Lösung gekommen ist und er Ariel helfen konnte. So schlimm für Ariel diese Erkrankung auch ist, so unwohl fühlen sich anscheinend auch die Menschen, die ihre Gefühle verbergen wollen und sobald sie in Ariels Nähe kommen, von ihr erwischt werden.

Ich bin gespannt, ob Daniel in nächster Zeit auf Natalie zugeht, da er nun mal mitbekommen hat, dass sie irgendetwas belastet und traurig macht. Vielleicht ist es auch Maggie Lockwood, die Natalie auf Jeff anspricht. Schließlich scheint sie nicht völlig überzeugt davon zu sein, dass zwischen den beiden alles aus ist. Ehrlich gesagt erschreckt mich die Tatsache etwas, dass Natalie doch noch sehr viel für Jeff außer Freundschaft empfindet. In der letzten Folge sah es noch danach aus, als würde den beiden die künftige Zusammenarbeit unglaublich schwer fallen und jetzt ist Natalie traurig, weil sie anscheinend glaubt, sich vorschnell getrennt zu haben? Ich nehme einfach mal an, dass es auch mit seiner Heldentat bzgl. der Schusswaffe zu tun hat. Dennoch hoffe ich mal nicht, dass das jetzt alles komplizierter wird, darauf habe ich nämlich absolut keine Lust.

Fazit

Eine interessante Thematik, eine Heldentat, eine versehentliche Offenbarung, eine aufkeimende Freundschaft. Eigentlich eine perfekte Folge, die "Chicago Med" ablieferte. Wenn da nur nicht die Handlungsstränge rund um Sarah, Jeff und Natalie wären, mit denen ich noch ein bisschen sehr hadere und die hoffentlich nicht in eine unschöne Richtung gehen.

Daniela S. - myFanbase

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