Bewertung

Review: #5.05 Mit besten Absichten

Foto: LaRoyce Hawkins, Chicago P.D. - Copyright: 2018 Universal Pictures; Matt Dinerstein/NBC
LaRoyce Hawkins, Chicago P.D.
© 2018 Universal Pictures; Matt Dinerstein/NBC

Die vorangegangene Episode bot einen kleinen Cliffhanger am Ende, da Kevin Atwater überall Gefahren für seine jüngeren Geschwister Jordan und Vinessa sieht, denn Jordan hat gegen ein Gangmitglied ausgesagt. "Chicago PD" hat über die Jahre für mich das Muster entwickelt, dass immer mal wieder persönliche Aspekte der Ermittler aufgegriffen werden, aber nach einer Episode auch schnell wieder fallen gelassen werden. Die einzigen Figuren, für die das nie galt, sind und waren Hank Voight und Erin Lindsay. Daher fielen mir fast die Augen aus dem Kopf, als die Gefahr für Kevin und seine Geschwister nahtlos weitererzählt wurde. Das hat mich riesig gefreut, da Kevins Konflikt in der letzten Folge, ob Jordan wirklich aussagen soll und ob er die Gelegenheit nutzt, das Gangmitglied Kurtis zu töten, wahrlich das Highlight der Folge war.

Mir hat jedoch nicht nur gefallen, dass Kevin, Jordan und Vinessa wieder im Fokus standen, sondern dass ihre Geschichte auch in einem Aspekt mit dem Fall der Woche verwoben wurde. Nachdem Vinessa von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen wird und als Rache für Jordans Aussage vergewaltigt werden soll, ist klar, dass der Verrätervorwurf die Runde gemacht hat. Damit erweisen sich Kevins Ängste als begründet und er steht vor einer neuen persönlichen Herausforderung: kann er seine Geschwister in Chicago schützen oder überlässt er sie lieber einer Tante in Texas, wo sie sicherer sind? Genau dieser Aspekt spiegelt sich im Fall der Woche wieder. Eltern, die mit ihren Adoptivkindern nicht zurechtkommen, haben legal die Möglichkeit über ein Programm, das sich Re-Homing nennt, die Kinder ohne behördliche Überprüfung an andere Familien weiterzugeben. Dies nutzt ein Kinderhändler schamlos aus, um die Kinder abzuzweigen und im Darknet zu versteigern. Und Kevin fühlt sich durch seine eigene Situation stark an diese Idee des Re-Homings erinnert. Da in der Intelligence Unit alle diese Alternative verurteilen, fühlt auch Kevin sich verurteilt bzw. will die Eltern, die sich der Frage stellen, ob sie ihre Adoptivkinder weggeben, nicht verurteilen, da er sich ja eine ganz ähnliche Frage stellt. Dieser kleine, feine Aspekt war gut gemacht, weil es insgesamt die Linie der Drehbuchautoren für diese Staffel zeigt, dass Fall der Woche und Persönliches der Ermittler nicht einfach nur so nebeneinander stehen sollten.

Dass die Emotionen zwischen Kevin und seinen Geschwistern wieder hochkochen, war nachvollziehbar. Er hatte auf Jordans Aussage gedrängt, da er ihn als Vorbild wissen wollte und nun fällt diese Strategie wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das zerrt vor allen an Jordans Nerven, der nicht ertragen kann, dass seine kleine Schwester das für ihn ausbaden musste. Mit seiner geplanten Racheaktion an der Gruppe Jugendlicher hat er mich stark an Kevin selbst erinnert und ich fand es großartig, dass er eben selbst gemerkt hat, dass er genauso integer wie sein großer Bruder ist. Ob Kevins Entscheidung, seinen Bruder zu der Aussage zu drängen, nun wirklich falsch war, das steht wohl für immer zur Diskussion offen, da auf der einen Seite Jordan gebraucht wurde, um Kurtis dingfest zu machen und auf der anderen Seite in einer Stadt wie Chicago die Gefahr für Snitches allzeit präsent ist. Keine Diskussion gibt es dagegen in Bezug auf Kevins Entscheidung, seine Geschwister in sichere Gefilde zu seiner Tante zu schicken. Klar, Kevin hätte auch gleich mitgehen können, aber es wäre mir viel zu schade um seine Figur, als dass ich da jetzt meckern würde.

In diesem Zusammenhang ist auch noch die Abschlussszene der Episode großartig gewählt, da Hank bei Kevin zuhause auftaucht, um sich bei ihm über die Situation zu erkundigen. Bereits in der vorangegangenen Episode stand Hank seinem Ermittler bei, zwar auf fragliche Art und Weise, aber er war dennoch für ihn da und das wird hier weiter fortgesetzt. Hank passt natürlich auch perfekt, weil er, als er erfährt, dass Kevin seine Geschwister hat gehen lassen, sich an seine eigene Situation mit seinem Sohn Justin erinnert fühlt. Vermutlich hat er sich in diesem Moment auch die Frage gestellt, ob er seinen Sohn und dessen kleine Familie nicht auch zu einem Neuanfang weit weg hätte überreden sollen.

Einen kleinen Kritikpunkt habe ich an der sonst erneut großartigen Storyline von Kevin: nach dem Angriff auf Vinessa stellt er sich die Frage, wie die Aussage von Jordan nach außen dringen konnte. Das ist nur ein kurzer Moment, aber danach steht die Frage nie mehr im Raum. Dabei hätte man da großartig nochmal eine Ermittlung gegen einen Maulwurf in der Polizei führen können oder kommt da noch was?

Der Fall der Woche war okay, stand aber für mich in der Dramaturgie klar hinter Kevins persönlichen Problemen zurück. Ich stelle bei mir immer wieder fest, dass sobald Kinder in die Kriminalfälle verwickelt sind, ich diese als viel schlimmer und mitreißender empfinde. So war es hier grundsätzlich auch und spätestens als die Kinder dann als seltene Tiere getarnt im Darknet angeboten wurden, hatte ich den Kaffee auf. Eine kurze Recherche in den Weiten des WWWs ergab dann tatsächlich, dass Re-Homing bereits ein jahrelanges Problem in den USA ist, über das sogar in Deutschland mehrfach berichtet wurde und das natürlich den Menschenhandel begünstigt. Gut, dass dieser Skandal in dieser Episode noch einmal aufgegriffen wurde.

Der Fall war natürlich auch gewählt, weil Hank ein bisschen wie ich ist und bei Fällen, wo es um das Leben von Kindern geht, nicht mehr rational denken kann. Klar, das kennen wir vom Leiter der Intelligence Unit alles schon, aber dass diese emotionale Verwicklung noch einmal hochkochte, war angesichts der Überwachungskameras in dem Verhörraum und der Verdächtigungen, dass Antonio Dawson für den Feind (in Person von Denny Woods) ermittelt, strategisch günstig gewählt. Hank stürzt sich regelrecht auf den Menschenhändler Dupree und würde ihn am liebsten umbringen, aber Antonio geht dazwischen und wirft ihm einen enttäuschen Blick zu. Im Verhörraum ergab sich dann eine großartige Szene, da man regelrecht merkte, wie Hank Dupree am liebsten erneut an die Gurgel gegangen wäre, aber angesichts der Spionage durch Woods reißt er sich am Riemen und macht Dupree eben hintenrum klar, was diesen als Kinderschänder im Knast erwartet. Diese Szene war großartig von Jason Beghe gespielt.

Da nun das Misstrauen gegen Antonio für Hank auf hoher Flamme lodert, sucht er das direkte Gespräch zu ihm. Dafür war ich unheimlich dankbar, da ich mich ja bereits in der letzten Review beschwert habe, dass ausgerechnet Antonio sich schon zum zweiten Mal Verdächtigungen gegenübersieht, er sei der Maulwurf. In meinen Augen ist Antonios Erklärung, warum er Kontakt mit dem Staatsanwalt Potter und Woods hat, absolut nachvollziehbar und da ich ohnehin nie damit gerechnet habe, dass er Hank hintergeht, ist die Sache damit hoffentlich gegessen. Natürlich war es ungünstig, dass er Hank über seinen Termin mit Potter angelogen hat, aber er hat zurecht noch einmal betont, dass er immer zu seiner Polizeifamilie steht.

Zum Abschluss ist noch eine kleine Szene zu erwähnen, von der ich geahnt habe, dass sie kommen würde und die ich dennoch immer noch entschieden ablehne. Hailey Upton stützt sich leicht an Jay Halsteads Schulter ab und kassiert dafür einen doppeldeutigen Blick von ihm. Nein, bitte nicht! Jay musste Erin schon immer hinterherhecheln und das brauche ich für ihn nicht ein zweites Mal. Liebe Autoren, lasst die beiden bitte einfach nur Partner sein und zu guten Freunden werden!

Fazit

Man kann es schon fast als Wunder bezeichnen, dass Kevins private Probleme nahtlos wieder aufgegriffen wurden und erneut durch hohe Emotionalität zu überzeugen wissen. Zudem wird die Geschichte vorerst sinnvoll beendet, so dass ich damit leben kann, dass sein Privatleben möglicherweise länger wieder keine Rolle spielt. Des Weiteren gefiel mir gut, dass Kevins Probleme und der Fall der Woche in einem kleinen Aspekt miteinander verwoben wurden. Der Fall der Woche selbst war erschütternd, aber auch nicht mehr. Dafür wird auch der Konflikt zwischen Hank und Antonio weitergeführt, was zeigt, dass die Autoren endlich mal bereit sind, größere Handlungsbögen zu bedienen. Sauer stößt mir dagegen die kleine Szene zwischen Hailey und Jay auf, die zu sehr wie Linstead 2.0 wirkt.

Lena Donth - myFanbase

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