Bewertung

Review: #6.12 Fehler im System

In dieser so starken Staffel 6 von "Chicago P.D." hatte mir #6.11 Trust doch einen erheblichen Dämpfer verpasst, da bei spannenden Entwicklungen die Pausentaste gedrückt wurde, um einen neuen großen Handlungsbogen einzuführen: die Intelligence Unit gegen Deputy Superintendent Katherine Brennan und ihren direkten Vorgesetzten Brian Kelton. Daher war nun die große Frage für die neuste Episode, welcher Storyline man sich nun widmet?

Die Frage möchte ich gleich am Beginn dieser Review beantworten: im Endeffekt wird wiederum alles niedergelegt, um eine zugeschnittene Folge für Jay Halstead zu präsentieren. Natürlich blitzt der Konflikt mit Kelton kurz durch, da er die Herausgabe von 50.000 USD nicht genehmigen will und das wiederum aus politischen Gründen, aber das war nur so ein kurzes Wortgefecht, dass ich es nicht als weiteren Schritt im Machtkampf sehen würde. Daher entsteht bei mir der Eindruck, dass die Drehbuchautoren aktuell ihre bis dato gut funktionierenden Strategien aus den Augen verloren haben und sich aktuell nur Folge für Folge voran hangeln. Ich mag nicht so recht glauben, dass man nun vielleicht einiges für das Staffelfinale hinauszögern will, denn noch zehn Episoden bis dahin sind verdammt viel. Daher ist es für mich etwas unverständlich, was man aktuell für "Chicago P.D." im Kopf hat.

Die Geschichte rund um Jay in dieser Folge hat mich doch sehr stark an die Storyline aus Staffel 1 erinnert, als er einen persönlichen Rachefeldzug gegen Lonnie Rodiger geführt hat, den er des Kindesmissbrauchs und –tötung verdächtigt hatte, bis er schließlich des Mordes an ihm verdächtigt wurde. Die Parallelen zu Matthew Garrett sind groß, da er im Prinzip derselben Vergehen von Jays damaliger Einheit verdächtigt wurde, aber nie überführt werden konnte. Daher hängt sich Jay wie ein Terrier an Garretts Fersen, um ihn der Tat überführen zu können. Erneut geht es ihm nicht vorrangig um die absolute Gerechtigkeit, sondern um die Gerechtigkeit für die Angehörigen, denen er Gewissheit verschaffen will, was mit dem Opfer passiert ist. Das ist gewiss ein ehrenwertes Motiv, aber ich fand es doch sehr schade, wie extrem die Parallelen zwischen den Ermittlungen aus Staffel 1 zu den aktuellen waren. Zudem handelt Jay genauso stur und unlogisch, wie er es damals getan hat. Das könnte ja eigentlich darauf schließen lassen, dass bei ihm keinerlei Charakterentwicklung stattgefunden hat und das würde ihm nicht gerecht werden. Daher war die Episode nun wahrlich keine Gelegenheit, sich einmal mehr an ihm zu erfreuen, sondern doch eine herbe Enttäuschung.

Das Abschlussgespräch zwischen Jay und Hailey Upton ist einerseits gut gelungen, andererseits bereitet es mir doch auch Kopfschmerzen. Mir hat es sehr gut gefallen, dass in dieser Folge einmal unterstrichen wurde, dass die Polizeiarbeit nicht nur von Erfolg gekrönt ist, da eben nicht immer die Gerechtigkeit siegt. Jay schafft es nämlich, Jenny Sanders Gewissheit zu verschaffen, was Garrett mit ihrer Tochter Lauren gemacht hat. Bei Lonnie wurde damals alles aufgelöst, hier gibt es nun nicht alle Antworten und genau so ist auch das Leben. Dass Jays Suche nach der Wahrheit nicht belohnt wurde, hat auch mich frustriert, aber andererseits ist es authentisch und das fand ich gut unterstrichen. So sehr mir auch die Partnermomente von ihm und Hailey gefallen, so sehr drängt sich nach dieser Folge doch wieder die Sorge auf, dass Jay vielleicht doch mehr für seine Partnerin empfindet. Eigentlich hatte ich diesen Gedanken schon abgehakt, da er, als er von ihr und Adam Ruzek erfahren hat, absolut professionell reagiert hat. Diesmal ist sein Blick doch etwas wehmütig, als Hailey einen Anruf von ihm erhält. Zwar fordert er sie selbst auf, dass sie zu ihm nach Hause gehen soll, aber ich habe diese Szene doch als Erinnerung von Jay an sich selbst gesehen, dass er von ihr nicht mehr erwarten darf. Vielleicht genießt er auch einfach nur ihr vertrauensvolle Partnerschaft, aber ich fand die Szene doch auffällig. Mal abwarten…

Dass die Gerechtigkeit nicht immer siegt, erleben wir auch in einer Nebenhandlung von Hank Voight, die mich ebenfalls sehr hin- und hergerissen zurücklässt. Einerseits passte sie thematisch hervorragend ins Gesamtkonzept, da sich auch hier die Botschaft der Folge zeigt. Aber andererseits war es leider viel zu offensichtlich, dass Gus der Mörder von Garrett ist. Schon an dem Punkt, als er Hank anvertraut, was ihm seinen Job gekostet hat, war klar, das wird noch wichtig, denn warum sollte sonst die Lebensgeschichte von ihm so interessant sein. Diese Vorhersehbarkeit hat der Folge definitiv einen besonderen Kniff genommen, da keinerlei Überraschungseffekt möglich war. Zudem fand ich das Endgespräch zwischen Hank und Gus sehr belastend. Da Letzterer ja erst mit dieser Folge eingeführt wurde, ist man an ihn emotional sicherlich nicht so gebunden wie an Jay. Daher war mir natürlich auch klar, dass Gus seine Schuld eingestehen muss, damit die Verdächtigungen gegen Jay fallen gelassen werden, aber andererseits hatte Gus natürlich recht. Wenn er mit Hank wirklich so gut bekannt war, wie uns suggeriert wurde, dann war Hanks klare Entscheidung pro Jay viel zu einseitig. Vor allem sehe ich das Ganze noch problematischer, wenn man bedenkt, dass Gus sich am Ende umbringt, weil er nicht ins Gefängnis will. Als er um ein paar Minuten gebeten hat, um noch ein paar Dinge zu regeln, war mir als Zuschauerin, aber sicherlich auch Hank klar, was passieren wird. Während ich den Moment, bis der Schuss fiel, einfach nur unerträglich fand, habe ich mich gefragt, wie Hank das mit sich ausgemacht hat. Wäre es wirklich so schwer gewesen, einen eindeutigen Beweis zu finden, dass Jay nicht Garretts Mörder gewesen sein kann? Hätte man dann nicht Gus' Involvierung vertuschen können? Immerhin ist das in der Intelligence Unit doch an der Tagesordnung. Aber die Lösung, die in dieser Episode gefunden wurde, die hat mir nicht gefallen.

Einen winzigen Anteil bekommt in dieser Folge auch Kim Burgess, die sich sehr offensiv um einen Undercover-Einsatz bemüht. Ob sie zu dem Zeitpunkt schon eine persönliche Agenda hatte, bleibt offen, aber als sie an Garretts Seite eine junge Frau sieht und mitanhört, dass er Spaß hat, diese gefügig machen zu können, da war ihr Kampfgeist natürlich geweckt. Seit der brutalen Vergewaltigung ihrer Schwester ist Kim bei Missbrauchsfällen immer wie ein Flitzebogen gespannt und auch in dieser Folge nimmt sie die Ermittlungen wieder sehr persönlich. Sie geht bewusst das Risiko an, die Ergreifung von Garrett zu torpedieren, um seine Begleitung zu warnen. Ich fand diesen Schritt absolut nachvollziehbar, weil es durchaus hätte sein können, dass sie diese ansonsten auch tot aufgefunden hätten. Es unterstreicht aber auch, dass Kim trotz Hanks Ansage, dass sie ihn nicht anlügen und hintergehen darf, wenn sie ihren Job behalten will, ihren Biss immer noch hat. Daher wird es mal wieder Zeit für eine Episode, die sich ganz ihr widmet.

Fazit

Auch in dieser Woche tritt "Chicago PD" auf der Stelle, da man keine klare Linie erkennen kann, wohin die Cop-Serie aktuell will. Zudem bekommt Jay eine Storyline, die er fast eins zu eins schon in Staffel 1 hatte, ohne dass daran aber eine Charakterentwicklung aufgezeigt wird. Das empfinde ich neben anderen fragwürdigen Entscheidungen in dieser Folge als sehr schade.

Lena Donth – myFanbase

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