Bewertung

Review: #6.13 Chicago bei Nacht

Nachdem sich #6.08 Black and Blue schon um Kevin Atwater gedreht hat und er ohnehin immer derjenige im Cast von "Chicago P.D." war, der stets vernachlässigt wurde, war meine Überraschung doch groß, dass die aktuelle Folge sich ebenfalls um ihn dreht. Nun kommt bei Kevin ja noch ein zweites Phänomen hinzu: steht er im Mittelpunkt des Geschehens, dann geht es meist um seine Zerrissenheit zwischen seinen schwarzen Mitmenschen und der Verantwortung, die er als Polizist auf sich genommen hat. Erleben wir ihn in dieser Episode also wieder in diesem Konflikt?

Im Grunde müssen wir die Frage eindeutig bejahen, denn die Episode hätte durchaus ebenfalls den Titel "Black and Blue" tragen können. Gerade am Anfang entstand bei mir schnell die Befürchtung, dass wir wirklich Kevin in haargenau derselben Handlung erleben, wie wir ihn immer erleben. Doch dann nahm die Episode zur Hälfte doch noch eine sehr überraschende Wendung, die zwar weiterhin unter dem Thema "Black and Blue" stand, aber dennoch merkte man deutlich, dass es nicht mehr nur um Kevin ging, sondern ganz existenziell um das Rassenthema schwarz gegen weiß. Die Polizeibrutalität von weißen Polizisten gegenüber Schwarzen ist ein dominierendes Thema in der US-amerikanischen Bevölkerung und wurde schon oft szenisch umgesetzt. Bei "Chicago P. D." gefällt mir nun vor allem, dass das Thema nicht einseitig beleuchtet wird, sondern dass alle Positionen wertfrei nebeneinandergestellt werden.

Natürlich habe ich als Zuschauerin automatisch eine Sichtweise eingenommen und andere Aspekte verurteilt, gleichzeitig war mir aber auch klar, dass sich auch alle anderen in irgendeiner Position wiederfinden werden können. Dieser Gedanke wiederum hat mich zum Nachdenken gebracht, weil ich alle Sichtweisen nachvollziehen wollte. Dieses tiefe Eintauchen in die Thematik, die mir jetzt noch sehr nachhängt, ist wohl definitiv die große Stärke dieser Folge und das wird auch das Ziel dieser Episode gewesen sein. Für mich persönlich war dann der wichtigste Moment das Gespräch zwischen Kevin und Adam Ruzek. Zum einen natürlich, weil in dieser Staffel ihre Partnermomente viel zu kurz gekommen sind, zum anderen aber, weil Adams Aussage, dass 'wir Weißen' die Geschichte der Schwarzen vielleicht erahnen, aber niemals gänzlich verstehen können, mir aus der Seele gesprochen hat. Jede Rasse, jede Nation, jedes Volk hat seine eigene Geschichte, aber Außenstehende werden diese nie so nachvollziehen können, wie das Zeitzeugen tun.

Es ist vollkommen klar, dass die Episode mich emotional sehr mitgenommen hat. Das liegt vorderrangig natürlich an der tragischen Entwicklung, dass Daryl für ein Verbrechen stirbt, das er gar nicht begangen hat. Aber es liegt vor allem auch an der grandiosen schauspielerischen Leistung von LaRoyce Hawkins, der einen mit seiner Darbietung einfach an den Bildschirm gefesselt hat. Spätestens ab dem Moment, als er den Tod von Daryl mitansehen musste und realisierte, dass er beinahe selbst das Opfer eines rassistischen Polizisten geworden wäre, war ich absolut bei ihm und konnte jeden inneren Kampf, den er mit sich austragen musste, an mir selbst spüren. Wie er am Ende seine Verantwortung löst, ist sicherlich ein Streitthema. Ich bin nicht 100% glücklich mit der Entscheidung, Daryl als Verbrecher zu inszenieren, während Doyle nur Kevins persönliche Rache abbekommt, aber andererseits war mir bewusst, dass es in einer Episode, die keine Position bezieht, auch keine Lösung geben würde, die der gesamten Menschheit den richtigen Weg vorgeben wird. Von daher kann ich den Ausgang der Folge gar nicht überkritisch bewerten.

Kritisch sehen kann ich stattdessen den Aufhänger für die undercover-Ermittlungen, über die Kevin überhaupt erst an Daryl gekommen ist. Ich war zwar sehr glücklich, Ray Price nach längerer Zeit mal wieder als Teil von "Chicago P. D." zu erleben, da sein chamäleonartiges Politikerverhalten wirklich immer faszinierend mitzuverfolgen ist, auch wenn es natürlich abstoßend auf einen wirkt. Aber ich fand es etwas unlogisch, mit welcher Vehemenz er Daryl und seinen Ziehvater Gamble loswerden wollte. Staffel 5 hat uns in gleich mehreren Episoden vor Augen geführt, dass Price gerne mit Verbrechern zusammenarbeitet, da ihm diese wichtige Projekte in der Stadt finanzieren. Bei diesen Verbrechern handelt es sich aber auf den ersten Blick um keine anderen Kaliber als es Daryl und Gamble sind. Der zweite Blick auf die beiden wird uns in dieser Episode aber nicht gewährt, ganz im Gegenteil, Daryl wird sogar bis zu einem gewissen Grad durch seine Liebe für seinen jüngeren Bruder Vance sympathisch inszeniert und spätestens als Opfer eines Hassverbrechens kann man nicht mehr negativ an ihn denken, so dass ich mich wirklich mehrfach gefragt habe, was Prices Problem mit den beiden genau war. Da es keine Antworten auf diese Frage gibt, komme ich leider zum Fazit, dass Price in dieser Folge nicht besonders klug eingesetzt wurde. Positiv kann ich da nur sehen, dass er nun gegen Brian Kelton als Bürgermeister antreten wird. Das könnte wirklich sehr spannend werden!

Fazit

Nach zwei eher schwächeren Folgen besinnt sich "Chicago P. D." wieder auf ein dringend notwendig fokussiertes Erzählen. Das führt gepaart mit Hawkins toller schauspielerischer Leistung zu einer emotional wuchtigen Folge, die sich ohne moralische Keule dem Thema der Polizeigewalt gegenüber Schwarzen widmet. Diese Folge wird gewiss niemanden kalt lassen!

Lena Donth – myFanbase

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