Review: #9.19 Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Episoden, in denen Kevin Atwater im Fokus steht, werden nur dadurch negativ getoppt, dass Trudy Platt noch weniger hat. In dem Sinne ist eigentlich jede Episode für ihn schon ein Gewinn. Dennoch kann man bei eigentlich allen Figuren ein bestimmtes Muster feststellen und bei Kevin geht es oft um die Familie mit seinen jüngeren Geschwistern oder die innere Zerrissenheit zwischen Black und Blue, als zwischen seiner Rasse und seinem Polizistendasein. An diesem inneren Konflikt ist auch seine letzte Beziehung zu Celeste gescheitert, weil er eben seinen Job lieber verheimlicht hat. Diese Episode ist dann verhältnismäßig ungewöhnlich gestrickt, was mir also per se sehr gut gefallen hat.
Der Einstieg in die Episode war schon sehr eindrücklich, was ich immer wichtig finde, denn in einer klassischen Cop-Serie bleibt oft nur der Anfang und das Ende, wo es wirklich um die Hauptfiguren gehen kann. Hier wird uns nun gezeigt, dass Kevin die abendliche Ablenkung sucht und heftig von einer weißen Frau angeflirtet wird, die überhaupt nicht in sein Beuteschema passt und der er dementsprechend auch relativ problemlos seinen Job verraten kann. Wobei er es ironischerweise diesmal vielleicht sogar als Abschreckung intendiert hat, weil er es schon gar nicht mehr kennt, dass eine Frau positiv auf diese Offenbarung reagiert. Auch wenn die junge Frau davon sich nicht hat abhalten lassen, sie ist eben einfach nicht Kevins Typ und damit Auftritt von Mel, der Barkeeperin, die den Austausch zwischen den beiden mitbekommen und offenbar schnell durchschaut hat. Zwischen ihr und Kevin hat man schnell eine sehr gute Basis bemerkt, denn nicht nur ist sie einfühlsam, hört zu und ist ihm gegenüber aufgeschlossen, sie ist definitiv eher Kevins Typ. In dem Sinne war es dann auch perfekt, dass Mel selbst einen Cousin hat, der Polizist ist und es wurde deutlich, dass sie dem auch nicht kritisch gegenüber steht, also Haken dran für Kevin. Aber so einfach ist es dann eben doch nicht, denn er ist gedanklich immer noch bei Celeste und ihrem unschönen Beziehungsaus, das er definitiv noch nicht verarbeitet hat. Ich habe innerlich fast geweint, dass die Serie sich diesmal Zeit nimmt, um uns Kevins Gefühlsleben so transparent darzustellen, denn es hat mir schon sehr leid getan, dass er sie offenbar mindestens einmal wöchentlich anruft, um sich so immer wieder in Erinnerung zu rufen und noch auf eine Versöhnung hofft.
Das ist also die persönliche Ausgangslage, in der sich Kevin befindet, als er zufällig ganz in der Nähe eines Raubüberfalls unterwegs ist. So lernt er Raquel kennen und es war schon auffällig, wie lange die Kamera auf den beiden gewesen ist, als Kevin die völlig verängstigte und angeschossene Frau findet, um ihr beizustehen. Hier wurde schnell deutlich, dass es ein wichtiger Moment für die Episode ist, denn hier geht Kevin eine Verbindung zu Raquel ein, die noch Folgen haben wird. Als der Fall dann mit den Ermittlungen losgeht, ist es erstmal ein harmloses Dahinplätschern, bis sich eben zeigt, Raquel ist offenbar an den Raubüberfällen beteiligt. Auch wenn die Hinweise zuvor sanft gestreut worden waren, so steht diese Vermutung im krassen Gegensatz zu der traumatisierten Frau, die wir erlebt haben, weil man sich denkt, das kann doch nicht gespielt sein, oder?! Genau das sind eben auch die Gedanken von Kevin, der dennoch seiner Arbeit nachgeht und Raquel in Gewahrsam nimmt, um sie mit Beweisen zu konfrontieren, dass sie eine professionelle Betrügerin zu sein scheint. Da sie erstmal dicht macht, wird der Fall zwischendurch etwas konfus, weil wir so viele Details genannt bekommen, die erstmal gar nicht so recht Sinn ergeben wollen. Bis sich langsam das Dickicht lichtet und offensichtlich wird, dass Raquel offenbar seit ihrem 16. Lebensjahr das Opfer eines obsessiven Mannes namens Sam war.
Hier kommt es zu einem wichtigen Gespräch zwischen Kevin und Raquel, das mich sehr berührt hat, denn auch wenn es erste Andeutungen gab, dass sie mehr Opfer als Täterin ist, so gab es dennoch genug Fragezeichen. Kevin hat aber in der bedeutsamen Szene mit Raquel ihr Innerstes erkannt. Entgegen all der Einschätzungen seiner Kolleg*innen, ob er nicht auch nur von ihr reingelegt wird, hat sich Kevin auf seine Instinkte ihr gegenüber verlassen und das sicherlich auch, weil er sich selbst in ihr erkannt hat. Auch wenn man nicht wirklich vergleichen kann, warum die beiden gelogen haben und warum sie etwas vorgespielt haben, so ist es doch ein Schicksal mit den gleichen Konsequenzen. Kevin war es vor allem wichtig, Raquel zu glauben und ihr eine Stimme zu geben, weil er sich das umgekehrt für sich auch gewünscht hätte. Er hätte sich gewünscht, dass auch Celeste ihm eine Stimme gibt und erkennt, dass er trotz seiner Lügen dennoch genau der Mann war, in den sie sich verliebt hat. Damit sind wir auch an dem Punkt, die diese Episode für Kevin so ungewöhnlich macht, denn es geht tatsächlich nicht um konkreten Verbindungen, Loyalitäten etc., es geht um Kevin selbst (und das ganz abseits von seiner Hautfarbe), der sich in einer anderen Person wiedererkannt hat und sich damit eine Art Selbstheilung verschaffen wollte. Deswegen war es umso wichtiger, dass er in Bezug auf Raquel auch Recht behalten hat. Auch wenn ich mir letztlich nicht sicher bin, ob in dem Kriminalfall wirklich alles zusammengepasst hat, lassen wir das mal außen vor, denn es ging mehr um Symbolkraft als um Logik.
Final hat Kevin noch einmal ein Gespräch mit Raquel. Er hat ihr die finale Freiheit verschafft, dass sie endlich in ein selbstbestimmtes Leben ohne Sam aufbrechen kann, aber dennoch ist es kein bedingungsloses Happy End, denn Raquel hat, ob sie nun wollte oder nicht, viel verbrannte Erde hinterlassen mit ihren Lügen und sie hat einen Ehemann verloren, den sie wohl wirklich geliebt hat. Während Kevin in letzter hoffnungsdurchtränkter Naivität glaubt, dass sie dennoch in Chicago bleiben könnte, hat Raquel erkannt, dass es keine Option ist und nimmt Kevin dann doch auch seine Hoffnung. Lügen sind durchaus verzeihbar, aber es gibt dennoch klare Grenzen und ich denke, dass Raquel den Neuanfang auch für die in ihrem Leben verletzten Menschen und für sich selbst gleichermaßen wollte. Kevin kann daraufhin auch seinen Abschluss mit Celeste finden, weswegen die finale Szene sehr aussagekräftig war, als er das Rolltor schließt und ein Kapitel seines Lebens beendet. Auch wenn man nie weiß, ob Celeste nicht doch noch zu einer Erkenntnis kommt, die sie in Kevins Arme treibt, aber es war wichtig, dass er weitermachen kann und dann vielleicht mit Mel? Ich fand sie jedenfalls sofort sehr sympathisch und dass sie bereits weiß, dass er ein Cop ist, nimmt gleich die größte Hürde weg, also wer weiß?!
Fazit
Mit einem etwas verwirrenden Fall, wo man besser nicht alle Stimmigkeiten überprüft, ist eine tolle Kevin-Atwater-Episode verwoben worden, die sein inneres Gefühlsleben so intensiv wie lange nicht behandelt. Es war ein sensibles Drehbuch, das definitiv zu berühren wusste. Es schließt ein Kapitel für Kevin, öffnet aber gleich auch ein neues und ich würde mir wünschen, dass er in der bereits genehmigten zehnten Staffel mehr neue Kapitel denn je erhält.
Lena Donth – myFanbase
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Fool's GoldErstausstrahlung (US): 20.04.2022
Erstausstrahlung (DE): kein Termin
Erstausstrahlung (Pay-TV): 19.10.2022
Regie: Bethany Rooney
Drehbuch: Ike Smith
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