Bewertung

Review: #10.03 Jay

Auf Wiedersehen, Jesse Lee Soffer alias Jay Halstead! (Zumindest hoffe ich auf ein Wiedersehen irgendwann…) Seit im August verkündet worden war, dass der Abschied bevorsteht, ist viel spekuliert worden. Viel über das 'Warum', ob freiwillig oder aus Kostengründen erzwungen und das ist generell bei Wolf Entertainment so, dass nur wenig an die Öffentlichkeit kommt. Das soll hier auch gar nicht bewertet werden, aber diese Spannung hat natürlich etwas aufgebaut, was nun zu einem Ende gebracht wurde. Der Ausstieg passt zwar durchaus in vielen Nuancen zu Jay, aber alles drum herum ist schlichtweg eine Frechheit und sorgt für einen ganz bitteren Beigeschmack.

Es ist bald ein Jahr her, dass auf NBC #10.05 Auszeit von "Chicago Fire" lief. Es war der bemerkenswerte Meilenstein von 200 Episoden und es war zugleich der Ausstieg von Jesse Spencer alias Matt Casey. Diese ist wunderschön gestaltet worden, weswegen auch meine Kollegin Dani zurecht die volle Punktzahl gegeben hat. Es war auf den Charakter zugeschnitten und der Abschied ist so gelungen, dass aufgezeigt wurde, wie sehr er für die Serie und das Gefüge geleistet hat. Soffer bringt es mit "Chicago P.D." knapp nicht auf 200 Episoden, dafür war er vor Bestellung des ersten Spin-Offs einige Episoden bei "Chicago Fire" zu sehen, bringt es also in etwa sicherlich auch auf die 200 Episoden, womit wir einen vergleichenden Wert haben. Aber der jeweilige Ausstieg ist nicht im Geringsten vergleichbar, denn Jay verlässt Chicago, als wäre er nur eine lästige Fliege gewesen. Während ich jetzt gleich noch näher in den spezifischen Inhalt einsteige, so bricht es mir einfach das Herz, dass es von mehr als der Hälfte des Intelligence Unit keinen aktiven Abschied gab. Einzig mit Hailey Upton und Hank Voight hat es eine Art Abschluss gegeben, aber die waren ja ohnehin seit über einer Staffel das magische Dreieck, das kaum noch auseinandergerissen wurde. Aber dass Jay in Trudy Platt eine wertvolle Mentorin hatte? Ignoriert. Dass Jay in Kevin Atwater und Adam Ruzek definitiv Kollegen hatte, in denen er Brüder gefunden hat? Ignoriert. Dass er tatsächlich in Dr. Will Halstead von "Chicago Med" einen Bruder hat? Ignoriert. Der einzige Minigewinn dieser Episode ist, dass Jay und Kim Burgess eine kleine Interaktion hatten und das ist so erwähnenswert, weil es das über zehn Staffel hinweg quasi nie gegeben hat. Aber es tut mir leid, das ist kein Abschied. Vor allem kein würdiger Abschied nach all der Zeit. Der Ausstieg wird früh genug festgestanden haben und dann hat man sich auch drei ganze Episoden Zeit gelassen und dann kommt sowas heraus…

Auch wenn sich Jay in Staffel 4, als sein Freund Greg 'Mouse' Gerwitz wieder in den Kriegsdienst zurückgekehrt ist, dies für sich selbst nie vorstellen konnte, ist es sechs Staffeln später genau dort ausgekommen. Das könnte man jetzt als schlampig gegenüber den eigenen Drehbüchern erachten, aber ich fand, dass man es sich logisch durchaus erklären kann. Denn sechs Jahre sind doch eine lange Zeit und wir haben Jay dabei begleitet, wie er vieles erlebt hat und ich kann durchaus nachvollziehen, dass er jetzt an dem Punkt war, wo auch er auf eine Art und Weise 'gebrochen' wurde. Gegenüber Hailey gibt er schließlich auch an, dass er in den Grauzonen seines Jobs nicht mehr agieren kann und dass er wieder das klassische schwarz-weiß braucht. Auch wenn es auf eine Art ein persönlicher Rückschritt ist, so habe ich hier volles Verständnis, zumal uns über all die Zeit immer wieder aufgezeigt wurde, dass Jay ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken hat, das je nach Thema besonders bedient wurde. Deswegen passte auch der Fall, bei dem er es mit einem Veteranen zu tun hat, der ihn erstmal tief beeindruckt und zu dem sofort eine Verbindung entsteht. Als dann rauskommt, dass Lenny bei den Überfällen selbst beteiligt war, da ist die Bindung schon zu groß, als dass er ihn einfach dem Justizsystem überlassen könnte. Denn Jay war selbst im Krieg, er weiß, was das mit einem macht, wenn man wiederkehrt und deswegen war auch alles seinem Charakter entsprechend.

Letztlich ist es auch sinnig, dass das magische Dreieck endlich auseinandergebrochen wurde, auch wenn ich weiterhin Hank favorisiert hätte, aber die beiden waren in einem Kreis drin, aus dem es keinen Ausweg gab, weil sie immer wieder neu in Situationen kamen, wo irgendjemand gedeckt werden muss und wo sie es als normal empfanden. Denn selbst Hailey, die zuletzt immer die Stimme der Vernunft war, war sofort wieder dabei, für Jay ein Alibi zu kreieren, denn sie liebt ihn, sie will ihn schützen. Indem Jay dann sagt, dass er das nicht mehr kann und ausbricht, muss dieses Thema vielleicht neu justiert werden oder es wird tatsächlich mal begraben, denn Hailey ist schon länger nicht mehr die Verbündete Nummer Eins von Hank. Aber zurück zu Jay, der sich dann ein Herz fasst und seine Tat ohne polizeiliche Grundlage dem neuen Chief Patrick O'Neal gesteht, um dann dort einen zweiten Hank 2.0 anzutreffen, der ihn sogar noch lobt, obwohl es faktisch einfach falsch war. Das hat ihn dann endgültig bewogen, dass dieses System überall ist und dass er für sich etwas anderes will und deswegen nun in Bolivien Drogenkartelle zerstört. Sicherlich eine ehrenwerte, wenn auch gefährliche Aufgabe, aber eine, die dennoch zu Jay passt.

Bis hierher hat also alles gepasst, aber wir haben eben auch die zwei Episoden davor gehabt und wir haben den Abschied von Hailey. All das passt überhaupt nicht zu Jay und es ist überhaupt nicht logisch zu erklären, was man sich dabei gedacht hat. Okay, er hat offenbar mit sich gehadert auf eine Art und Weise, aber gleichzeitig hat er immer wieder Hanks Nähe gesucht und sich Hailey gegenüber zunehmend wie ein Idiot benommen. Selbst wenn er vielleicht sich selbst einmal sortieren musste, aber sein ganzes Gedankenleben ist überhaupt nicht deutlich geworden. Denn warum ist er überhaupt erst an den Punkt gekommen, wie Hank sein zu wollen? Das war schon in Staffel 9 für mich das Problem, dass es eigentlich angesichts von Haileys Situation beinahe zum Bruch gekommen ist. Dann haben sie eine Allianz geschmiedet und erfolgreich ihre Köpfe aus der Schlinge gezogen. Aber dann? Dann hat eine Verbrüderung stattgefunden, die null zu Jay passte und das ist einfach fortgeführt worden, um jetzt im Gesamtbild lächerlich zu erscheinen. Die Fehler sind also schon früh gemacht worden, aber ich verstehe dennoch nicht, warum man mit Staffel 10 nicht noch einmal anders abgebogen ist. Denn so ist Jay jetzt auch der, der die Liebe seines Lebens zurücklässt und sie sogar emotional erpresst, ihn gehen zu lassen. Im Endeffekt hat er sich wohl auch argumentativ so verhalten, wie Hailey es mal über ihren Vater sagte, der immer mit einem Liebesgeständnis kam, um ihr Verständnis zu erwirken. Jay hat nichts anderes gemacht und es schüttelt mich innerlich, weil ich nicht einschätzen kann, ob hier wieder geschlampt oder ganz bewusst die Worte genutzt wurden. Auch wenn erstmal von acht Monaten die Rede ist, ich glaube nicht, dass Soffer als Hauptrolle zurückkehren wird und dann spätestens wird Jay vermutlich als ganz mieser Charakter zurückbleiben und das hat er trotz all seiner Fehler über die Jahre hinweg nicht verdient.

Fazit

Sich nach zehn Jahren von einer Hauptfigur zu verabschieden, ist immer eine Herausforderung, aber "Chicago P.D." hat diese Aufgabe nicht gemeistert bekommen. Auch wenn es inhaltlich für Jay Halstead in vielen Aspekten passt, so sind die Umstände, die fehlenden Abschiede zu den anderen und der ganze Blödsinn zuvor viel lauter in der Wahrnehmung. Daher kommt unter dem Strich ein unbefriedigender Ausstieg heraus, der einer solchen Figur nach einer so langen Zeit einfach nur unwürdig gegenüber ist.

Lena Donth – myFanbase

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