Review: #10.04 Dort, wo man lebt
Bereits der spanischsprachige Titel hat verraten, dass es diesmal vor allem um Neuzugang Dante Torres gehen würde und obwohl ich die Enttäuschung von letzter Woche immer noch nicht verwunden habe, so finde ich diese Wahl clever. Vielleicht wäre Hailey Upton die logischere Wahl gewesen, um direkt emotional an den Weggang von Jay Halstead anzuknüpfen, aber ich glaube, dass es zu früh gewesen wäre, gerade wegen der Art und Weise, wie alles abgelaufen ist. Dennoch ist es natürlich ein Thema, denn Jay war es, der Torres mit seiner Art an die Intelligence Unit herangeführt hat, weswegen auch dieser daran zu knabbern hat. Aber so konnte man genau mit Torres an der Stelle eintauchen, wo Jay als sein Bodyguard und Mentor weg ist und wo er sich ganz neu positionieren muss.
Ich fand die Anfangsmontage wirklich schön, denn zum einen wurde gezeigt, wie alle anderen Torres jeweils in ihr Spezialgebiet einführen und dennoch wurde dabei auf zurückhaltende Art und Weise immer wieder Jay eingeflochten. Kevin Atwater und Adam Ruzek fürchten die Stimmung und Kim Burgess sorgt sich um Hailey. Nach dem nicht vorhandenen Abschied war klar, dass nicht mega viel nachkommen würde und diese Montage war das Maximum, was wohl herausgeholt werden konnte und damit konnte ich an der Stelle leben. Bei Torres hat man eben deutlich gemerkt, dass seine Stimmung erstmal getrübt ist, weil Vertrauen für ihn ein großes Thema ist und seine Vertrauensperson nun weg ist. Wie sehr ihn das doch emotional belastet, hat man daran gemerkt, dass es praktisch das erste war, was er seiner Mutter Catalina anvertraut hat, als er nach dem Dienst nach Hause kommt. Doch Torres bekommt nicht viel Zeit zum Hadern und Zweifeln, denn es wird schnell persönlich. Erstmal hat mir aber gefallen, dass vor der großen Katastrophe man schon Einblicke in sein Privatleben bekommt. Neben dem bereits angesprochenen Umgang mit seiner Mutter ist es auch das Flirten mit Nachbarstochter Mia und da schwirrten wirklich sehr viele Funken in der Luft. Es war herrlich, in so kurzen Sequenzen einen ganz anderen Torres zu erleben und mir hat die Mischung aus Zurückhaltung und gleichzeitigem unwiderstehlichem Charme sehr gut gefallen. Insgesamt haben die Anfangsmontage und dann das Eintauchen in sein Privatleben gut dabei geholfen, ihn als Perspektive für diese Episode zu etablieren und so eine Verbindung zu knüpfen.
Das Bild von Torres, das wir aus #9.18 Ein neuer Rekrut bereits kennenlernen durften, schärft sich noch weiter. Er ist in seinem Viertel völlig integriert. Alle wissen, dass er der Cop ist, aber er ist 'ihr' Cop, weswegen sie ihm vertrauen. Torres lässt auch niemanden von ihnen im Stich, denn er ist schließlich genau für solche Momente Polizist geworden, um auch 'seinen Leuten' Gerechtigkeit zu verschaffen. Mit dem Mord an Provi wird seine Gemeinschaft mitten ins Herz getroffen und auch wenn sie aus meiner Interpretation heraus keine Freundin war, so war sie Teil der Nachbarschaft, die wie Pech und Schwefel zusammenhält. Damit steht Torres aber auch vor einer neuen Herausforderung, denn er muss da ermitteln, wo er zuhause ist und damit tritt er unweigerlich irgendwem mit auf die Füße. Deswegen war es auch genial, dass Kevin ihn unter seine Fittiche genommen hat. Im Grunde war er sogar von Anfang der idealere Szenenpartner, aber ich habe mich an Torres und Jay zusammen nicht gestört, weswegen das nur Makulatur ist. Aber Kevin und er haben zwar eine andere Herkunft, aber machen dennoch dieselben Erfahrungen. Denn Kevin hat auch seine Gemeinschaft, wo er Gutes tut, eine Gemeinschaft, die er immer auch für seine Geschwister 'sicher' halten wollte und dennoch musste er vor der eigenen Haustüre ermitteln. Aber es ist nicht nur die Gemeinsamkeit, die mich hier reizt, sondern dass Kevin so mal wieder eine richtige Aufgabe bekommt. Seine Partnerschaft zu Adam ist nur noch marginal ein Thema, auch seine Freundschaft zu Kim wird nur mal kurz genutzt, wenn es gebraucht wird. Klare Strukturen gibt es leider nicht mehr, weswegen Torres als fester Partner für Kevin definitiv eine große Chance ist. Es könnte so ähnlich wie bei Hailey und Vanessa Rojas werden, nachdem dies viel zu früh beendet worden ist.
Aber zurück zu Torres und der großen Herausforderung, weil er wie ein Polizist auftreten muss und weil er nicht solo sein eigenes Ding machen kann, um beiden Seiten einen Gefallen zu tun, denn er ist neu in der Unit, es besteht noch kein Vertrauensverhältnis, also wird er natürlich auch beäugt. Torres macht auch Fehler, wie wenn er Mia alleine lässt, obwohl Schlimmes zu befürchten ist und zu seiner Mutter eilt oder wenn er einfach ohne Absprache mit Kevin in dessen Auto die Verfolgung aufnimmt, um dann einen Moment zu lange mit der Schussabgabe zu warten, was tödlich hätte enden können. Das zeigt deutlich, dass er noch geführt werden muss. Kevin hat aber eine Art, die freundschaftlich bestimmt ist. Er lässt ihn die Fehler ohne Tirade machen, aber er wird ihm das nicht noch ein zweites Mal durchgehen lassen. Bei Torres war natürlich auch im Speziellen interessant, wie diese anfängliche Stimmung mit Mia, die mich gleich überzeugt hatte, genutzt wurde. Denn eigentlich hat man gemerkt, mit den beiden, da ist einfach was. Es fußt auf einer gemeinsamen Kindheit und ist vielleicht mit zunehmendem Alter auch etwas geworden, was dann erwachsener gereift ist, aber bis dato eben noch nicht ausgelebt worden ist. Dennoch hätte man ihnen sofort zusprechen können, hier haben wir den Beginn einer tollen Liebesgeschichte. Doch in den Fall ist Mias Bruder Quico verwickelt. Dort, wo etwas zart gedieh, da trampelte es die Ermittlung sogleich nieder. Wo man sich schon bei diversen anderen Verbindungen, die uns in "Chicago P.D." gezeigt wurden, gedacht hat, ach ja, ist nicht so tragisch, schmerzt es hier schon ein wenig, weil Torres und Mia eben so eine tolle Chemie miteinander hatten. Natürlich kann man sich das noch warmhalten für die Zukunft, aber die Gräben sind nun groß und ich kann Mias Perspektive auch verstehen, denn es ist ihr Bruder, der für eine lange Zeit ins Gefängnis gehen muss.
Torres hat aber richtig gehandelt. Quico hat zunächst mit dem Diebstahl eine Straftat begangen, hat dann Provi unverantwortlich in die Sache mit reingezogen und konnte sie später nicht retten. Und statt dass er mit der Polizei gesprochen hat, hätte er vermutlich auch weiter geschwiegen. In dem Sinne hat Quico unter rein objektiver Perspektive die Strafe verdient. Keine Diskussion. Torres ist sich aber natürlich der Tragweite bewusst, dass damit Vertrauen missbraucht wurde, denn nun wissen alle im Viertel, er wird auch gegen uns ermitteln, wenn es nötig wird. Wenn ich mir Kevin heute anschaue, dann hat er auch trotz mehr Diensterfahrung noch nicht die ideale Balance gefunden, von daher wird es sicherlich auch für Torres ein langwieriger Lernprozess sein und ich bin mir sicher, dass wir das auch noch öfters ausgereizt sehen werden. Da habe ich auch nichts dagegen, denn die Episode hat deutlich gezeigt, dass Torres ein sehr empathischer Kerl ist und hier gefällt mir auch das Schauspiel von Benjamin Levy Aguilar, weil es auch einen guten Kontrast zu Adam und Kevin bietet, die entweder eher brummig oder ultracool daherkommen. Torres mag der Schweiger sein, aber er spricht durch Emotionen und das ist reizvoll.
Wie reizvoll aber die letzte Szene ist, da bin ich mir noch nicht so sicher. Sie war auf jeden Fall sehr, sehr überraschend. Denn in der ersten Episode mit ihm wurde seine gewalttätige Episode gegenüber seinem Stiefvater eher als Ausnahme dargestellt und man konnte es durchaus auch verstehen, weil er seine Mutter retten wollte und rot gesehen hat. Zwar gab es auch diesmal eine latente Drohung gegen Catalina, aber dennoch waren die Situationen überhaupt nicht vergleichbar. Dementsprechend hat mich Torres' klare Prügelaktion doch etwas schockiert. Er hat sich damit wieder Respekt verschafft und auch unterstrichen, dass er doch irgendwo zwischen Gesetz und Selbstautonomie steht. Doch ich glaube, dass das eher Fassade als wirklich eigene Überzeugung ist. Gleichzeitig rückt ihn eine solche Szene auch in die Richtung von Hank Voight, der auch gerne mal die Fäuste sprechen lässt, wenn es ans Persönliche geht. Das wiederum lässt meine Alarmglocken laut schrillen, denn bitte, bitte, bitte keine nächste Mentorengeschichte, wo er wieder einen neuen Hank heranzieht. Sollten wir vielleicht jetzt schon Wetten abschließen, dass Hank zum Staffelfinale Torres decken muss oder dieser in etwas von Hank involviert ist? Ich befürchte es schwer, aber ich hoffe dennoch, dass das Gegenteil passiert.
Fazit
Die erste Episode von Torres als vollwertigem Mitglied der Intelligence Unit ist gelungen, denn dem Drehbuch ist es gelungen, zunächst durch mehrere Montagen seine Situation in der Unit zu zeigen und dann wieder die Zuschauer*innen in das Privatleben einzuladen. Das macht die Episode deutlich emotionaler, aber sie macht auch generell Lust auf mehr Torres. Einzig die letzte Szene lässt gewisse Befürchtungen in mir aufsteigen, die sich hoffentlich nicht bewahrheiten.
Lena Donth – myFanbase
Die Serie "Chicago P.D." ansehen:
Vorherige Review: #10.03 Jay | Alle Reviews | Nächste Review: #10.05 Apokalypse der Menschlichkeit |
Diskussion zu dieser Episode
Du kannst hier mit anderen Fans von "Chicago P.D." über die Folge #10.04 Dort, wo man lebt diskutieren.
Informationen zur Episode
Englischer Titel: Dónde VivesErstausstrahlung (US): 12.10.2022
Erstausstrahlung (DE): kein Termin
Erstausstrahlung (Pay-TV): 19.07.2023
Regie: Brenna Malloy
Drehbuch: Kevin Deiboldt
Links
Jetzt ansehen/bestellen
Episode jetzt bei Apple TV+
ansehen
Episode jetzt bei Amazon.de
ansehen
DVD jetzt bei Amazon.de
bestellen
Meistgelesen
Aktuelle Kommentare
22.11.2024 21:56 von Chili_vanilli
Cruel Intentions: Cruel Intentions
Hat schon jemand reingeschaut? Bin akutell bei Folge 1... mehr
20.11.2024 15:18 von Catherine
Liebeskolumnen: Rory & Dean, Teil 3
Ich glaube, es wurde während des "Gilmore... mehr