Bewertung

Review: #3.10 Gottkomplex

Foto: Jason Beghe, Chicago P.D. - Copyright: RTL / NBC Universal
Jason Beghe, Chicago P.D.
© RTL / NBC Universal

Nachdem mit der TV-Season 2015/2016 das zweite Spin-Off, "Chicago Med", an den Start gegangen ist, hat uns NBC mit dem ersten Dreier-Crossover beglückt. "Chicago P.D." bietet den Abschluss. Schauen wir also mal, wie dieser gelungen ist.

Das Crossover war bislang durch die Sorge um Christopher Herrmann und durch die Auffälligkeiten rund um mehrere Frauen, die unnötig Chemo bekommen haben, geprägt. Der Abschluss der Crossovers verliert dabei "Chicago Fire" völlig aus den Augen. Herrmann spielt keine Rolle mehr und auch von "Chicago Med" gibt es in Dr. Natalie Manning und Dr. Daniel Charles nur zwei Gastauftritte. Da haben die beiden Folgen zuvor wesentlich besser funktioniert, weil es dort tatsächlich so wirkte, als ob Feuerwehr, Krankenhaus und Polizei Hand in Hand arbeiten. Selbst wenn wir mit der Identifizierung des falsch praktizierenden Arztes den Täter schnell überführt haben und es darum geht, ihm das fürs Gericht nachzuweisen, was ganz klar Polizeiarbeit ist, so hätte man doch vor allem am Ende noch einen Bogen schlagen können. Entweder wieder in der Bar, wo alle erleichtert anstoßen, dass es Herrmann geschafft hat oder wahlweise wäre eine kleine Personengruppe an seinem Krankenbett auch nicht verkehrt gewesen, wurde doch teilweise etwas übertrieben betont, wie sehr doch alle mit ihm befreundet sind.

Bevor wir nun zu dem zweiten großen Schwerpunkt rund um den verbrecherischen Arzt kommen, schiebe ich noch einen weiteren Inhaltsblock ein. "Chicago P.D." hatte sich zur Winterfinale mit einem Cliffhanger verabschiedet, denn Sean Roman hatte dort Richie Gibson erschossen, nachdem dieser Callie angegriffen hatte. Doch es war eine Entscheidung aus Notwehr, weil er bei ihm eine Waffe gesehen hatte. Doch dann war eben diese Waffe auf einmal weg und Kim Burgess bat Hank Voight um Hilfe. Das war also die Ausgangslage. Es war sicherlich richtig, dass das Thema nun mit dem Jahresauftakt bearbeitet wird, aber es ist aufgrund des anderen Schwerpunkts zum Beiwerk geworden, was ich angesichts des Potenzials, was auch mit dem Cliffhanger unterstrichen wurde, als zu wenig empfunden habe. Ich hätte intuitiv vermutet, dass sich die ganze Intelligence Unit reinhängt, um für Sean Gerechtigkeit zu finden. Aber so war er selbst auf der Strafbank und Kim alleine hat es sich zur Mission gemacht, Antworten zu finden. Letztlich hat sie noch tatkräftige Unterstützung von Trudy Platt bekommen. Die beiden als Duo – Goldwert! Deswegen wurde ich letztlich auch versöhnt, denn nach Kims intensiver Vorarbeit, die den richtigen Riecher bei Bruder Denny Gibson vermutet hat, hat Trudys Art den Deckel drauf gemacht. Dennoch kommt Callie aus der Geschichte auch nicht ganz sauber heraus, weswegen für Sean wohl ein wertvoller Tipp ist, dass die Gibsons nun passé sein sollten.

Was ich an der Geschichte rund um Dean Reybold so raffiniert fand, das war die unerwartete Verbindung zu Camille Voight. Mit diesem Aspekt hat man für mich doch unterstrichen, dass man sich der Crossover-Bedeutung bewusst war. Auch wenn hier die Gastauftritte fehlten, aber man wollte den Zuschauer*innen zum Ausklang dennoch etwas anbieten, also bei Hank ganz tief in die Vergangenheit eintauchen. Auch wenn Camille selbst kein Opfer von Reybold war, weil sie mit zurückgekehrtem Krebs seine Patientin war und damit nicht ins Raster passte, aber dennoch kann ich gut nachvollziehen, warum es für Hank so persönlich war. Der Verlust seiner geliebten Frau sitzt auch nach all den Jahren sehr tief und zu wissen, dass sie in der letzten Lebensphase auf einen Arzt vertraut hat, der anderen Frau so Schreckliches antut, das muss sich so vergeudet und noch unfairer anfühlen. Denn wenn es langsam zu einem Ende geht, dann will man sich zumindest sicher aufgehoben fühlen. Aber abseits dieser Brisanz hat mir auch sehr gefallen, wie viel wir über Camille erfahren haben. Da war es genauso eine Ergänzung, dass Erin Lindsay genauso ihr Verhältnis hat Revue passieren lassen. Zwischen den beiden ging es nicht ideal los, was es doch umso schöner macht, dass Camille vor allem auch für ihren Mann ihre anfänglichen Bedenken überwunden und für Erin eine echte Mutter war, was sie so durch Bunny Fletcher nie erfahren hat. Auch die Videos, die eingespielt wurden, ich muss echt sagen, auch wenn Camille als Geist sicherlich nicht mehr zum Liebling werden kann, aber sie hat mich sofort berührt und mit ihrer Art und den Erzählungen über sie verdeutlicht, warum sie so eine riesige Lücke hinterlassen hat, die wir durch Hank und seinen Sohn Justin immer wieder erleben.

Trotz der persönlichen Betrachtungsweise muss ich sagen, dass ich die Gestaltung des Falls relativ komplex fand. Ich habe mir durchaus alles zusammensetzen können, aber ansonsten sind die Zusammenhänge in der Serie doch eher einfacher gestrickt. Hier lag es speziell daran, dass es einen größeren juristischen Zusammenhang gab. Reybold stand früh als Täter fest, aber wir hatten noch 40 Minuten mit Inhalt zu füllen. Dadurch kam Maureen Sebastian als Staatsanwältin Dana Shelby eine größere Rolle zu. Ich mochte sie sofort und sie hatte auch ein gutes Auftreten. Sie konnte Hank auf Augenhöhe begegnen, aber sie war auch nicht abgezockt, sondern sie hat Empathie, weil sie die Brisanz von Hanks Involvierung verstanden hat. Mit den ganzen Planungen, wie man den Fall vor Gericht bekommt und wie man es Reybold einwandfrei nachweisen kann, da kam aber eine Ebene hinzu, die mich oft bei Anwaltsserien herausfordert. Die Juristerei ist eine ganz eigene Welt, das ist klar und als Außenstehender ist es oft unmöglich, sich da Urteile zu erlauben, aber es ist doch manchmal verrückt, welche Zahnrädchen alle in einander greifen müssen, was umgekehrt viele Schlupflöcher lässt, damit rechtmäßig verurteilt werden kann. So ein Fall war es hier auch. Eigentlich waren alle Beweise da, aber Shelby musste sich doch sehr strecken, um den Fall zu gewinnen.

Vieles in der Episode findet dann tatsächlich auch im Gerichtssaal statt, was ebenso sehr ungewöhnlich für "Chicago P.D." ist. Vielleicht hätte man hier mehr Raum für Reybold schaffen können, um noch mehr seine Motive zu verstehen, weil wir diese eigentlich nur durch Daniel erzählt bekommen. Genauso hätte ich mir von Brenda Strong als Reybolds Anwältin mehr erhofft. Sie hat eine so toughe Ader, aber sie war für diese Rolle eigentlich verschwendet, denn es war wie gesagt, Sebastian, die als Shelby hier die Zügel in der Hand hatte. Es wurde am Ende gut aufgelöst und es fühlte sich mit der finalen Art auch wie ein Triumph an, das kann ich nicht anders sagen.

Fazit

Das ideale Crossover-Ende war es leider nicht, weil es sich nicht so wie die zwei Episoden zuvor wie ein Gemeinschaftsgefühl anfühlte. Dafür ist rund um die Verurteilung von Reybold durch Hanks Verknüpfung ein cleverer Schachzug gefunden worden, um eine sehr emotionale Stimmung zu haben. Der juristische Anteil war ebenso überraschend wie die Tatsache, dass alles rund um Sean doch so einfach gelöst wurde. Es war eine unterhaltsame Episode, ja, aber eine mit Abstrichen.

Lena Donth – myFanbase

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