Bewertung

Review: #1.02 Auf der falschen Seite der Gefängnistür

Die zweite Episode von "Chicago PD" setzt dort an, wo die erste aufgehört hat und dreht sich hauptsächlich um die Entführung von Antonios Sohn Diego. Dadurch steht in dieser Folge, neben Voight, vor allem Antonio im Mittelpunkt und durch den Handlungsstrang, welcher seine Familie involviert, steht vor allem die Frage im Raum, wie weit Antonio gehen wird, um seinen Sohn zu retten.

"They took Antonio's son, but they took my own, as far as I'm concernd. Nothing else matters till we get Diego back."

Der Fall der Woche, welcher ja eigentlich schon in der letzten Episode begann, war nicht nur spannend und mitreißend, sondern er gab uns auch einen schönen Einblick in einen Teil der Charaktere, die im Mittelpunkt der Serie stehen. Die Entführung eines Kindes ist ja schon aufgrund dessen, dass es sich um ein Kind handelt, sehr emotional, da es sich hier jedoch um Antonios Sohn handelt, wurden die Emotionen auf die Spitze getrieben. Dass ein Familienmitglied eines Ermittlers in den Fall involviert wurde, war ein cleverer Schachzug der Macher der Serie, haben so doch die Charaktere gleich mehr Tiefe erhalten und ihre Beziehungen, ihre Familien und ihre Eigenschaften konnten so schön herausgearbeitet werden ohne den Hauptfokus von dem Fall zu nehmen.

Natürlich ist es in dieser Beziehung auch ein Vorteil, dass viele der Charaktere eine Einführung in "Chicago Fire" genossen haben und ihre Storyline dort bereits aufgebaut wurde. So ist beispielsweise klar, welche Vorgeschichte Antonio und Voight verbindet und auch Halstead kennt Antonio bereits von früher. Die anderen Beziehungen zwischen den Charakteren werden nun in der neuen Serie schön als Handlungsstrang aufgebaut, allen voran natürlich diejenige zwischen Voight und Erin. Wie genau die anderen Charaktere insbesondere Olinsky und Jin, der auch in dieser Folge nicht überzeugen konnte, in dieses Beziehungsgefüge hineinpassen und wie sich das ganze Team gefunden beziehungsweise zusammengesetzt hat, ist bisher noch nicht ganz klar, wird aber hoffentlich in dieser ersten Staffel noch thematisiert werden.

Doch kommen wir noch einmal auf den Fall zu sprechen, der einerseits wie oben erwähnt dadurch, dass ein Familienmitglied eines Hauptcharakters involviert wurde, punkten konnte, andererseits jedoch auch mit dem Bösewicht, Pulpo. Dadurch, dass er auch aus dem Gefängnis heraus fähig ist, solche Verbrechen wie Diegos Entführung zu planen, zeigt wie mächtig er ist, und dass er durchaus weiter dazu fähig ist, dem Chicago PD gefährlich zu werden. Was mir ein bisschen gefehlt hat, waren die Emotionen von Antonios Kollegen, im Zusammenhang mit Pulpos Festnahme. Schließlich ist er derjenige der eine Kollegin von ihnen umgebracht hat und vor allem Erin schien Julia ja ziemlich nahe gestanden zu haben. So hätte ich hier wenigstens erwartet, dass sie die Konfrontation mit Pulpo sucht oder sich sonst irgendwie stark dafür macht, dass Pulpo seine "gerechte" Strafe erhält. Doch dies ist nur ein winziger Kritikpunkt, der diese starke Folge kaum negativ beeinflussen konnte.

"As your wife, I love the man that you are, you are the father, I expected you to be. Eva and Diego see that every day. But as a mother do whatever it takes to bring our son home."

Die besten Szenen hatte in dieser Episode aber ganz klar Antonio. Dabei stechen vor allem zwei Szenen heraus, die wegweisend für die ganze Episode sind. Die erste war diejenige als Ernesto, der verdächtig wird Diego im Auftrag von Pulpo entführt zu haben, festgenommen wird und sich Antonio auf ihn stürzt, um zu erfahren, wo sein Sohn festgehalten wird. Natürlich weigert sich Ernesto die Informationen preiszugeben und Voight steckt Antonio ein Messer zu, mit welchem er Ernesto zum Reden bringen soll. Bei dieser Szene wird der innere Kampf, den Antonio später in der Folge immer wieder mit sich ausfechten muss, wunderbar dargestellt. So ist in ihm einerseits der Polizist zu sehen, dem es wichtig ist, gewisse Grenzen in seinem Beruf nicht zu überschreiten und andererseits ist er aber auch der Vater von Diego, der einfach alles tun würde, um seinen Sohn zu retten. Dieser Zwiespalt ist schön zu sehen, als Antonio das Messer immer näher an Ernestos Auge bringt, es dennoch nicht schafft diese eine Grenze zu übertreten und dies trotz Voight, der ihn nebenan sozusagen dazu anfeuert. Hier wird klar wie viel Antonio sein Beruf bedeutet, und dass er an das Rechtssystem glaubt. Ich denke für ihn ist es momentan schon schwer genug mit Voight zusammenzuarbeiten und zu wissen, dass dieser ab und zu mal Methoden anwendet, die sicherlich nicht Antonios Zustimmung finden.

Genau diese Methoden spricht Antonio schließlich auch in Gegenwart seiner Ehefrau an, was mich zur nächsten großartigen Szene bringt. Antonio gesteht seiner Ehefrau Laura, dass es Methoden - Voights Methoden - gibt, die Ernesto vielleicht zum Reden bringen würden, dies aber Methoden sind, die er selber nicht anwenden möchte. Vielleicht sind jetzt einige der Meinung, dass es nicht fair von Laura ist, Antonio zu bitten gegen seine Überzeugungen zu handeln und genau diese Methoden anzuwenden, doch Laura agiert hier wie eine Mutter, die einfach ihr Kind wiederhaben möchte, ganz egal wie. Und ich glaube in diesem Augenblick brauchte Antonio nur diese eine Bestätigung, denn er als Vater hat sich schon längst entschieden, seine Berufsehre über Board zu werfen und die Gefühle als Vater in den Vordergrund zu stellen, egal ob diese Methoden nun richtig sind oder nicht.

Die anschließende "Folter" an Ernesto zeigt einerseits auf, wie weit Menschen zu gehen bereit sind, wenn jemand der einem nahe steht in Gefahr schwebt, und andererseits, warum Familienangehörige in solchen Augenblicken von den Fällen ferngehalten werden sollten, da diese Methoden nun einmal gegen das Rechtssystem sind und sich plötzlich immer irgendeine Entschuldigung findet, um sie anzuwenden. Was eine schöne Überleitung zum viel diskutierten Thema führt, ob Folter nicht in gewissen Augenblicken gerechtfertigt ist, beispielsweise, wenn wie hier ein Kind gerettet werden kann oder wenn das Leben von mehreren Menschen davon abhängt. Die Frage, die bleibt lautet, wann und wo wird die Grenze gezogen. Eine Diskussion zu diesem Thema würde hier diverse Seiten füllen und würde doch keine Lösung bringen, so dass ich es nicht weiterverfolgen werden. Doch finde ich es sehr interessant, dass die Serie "Chicago PD" mit genau diesem Aspekt spielt und es hier in den Reviews sicherlich nicht zum letzten Mal diskutiert wird. Ich von meiner Seite aus bin nun vor allem gespannt, wie Antonio weiterhin mit seiner Entscheidung umgehen wird und ob sich dadurch sein Verhältnis zu Voight und seine Berufseinstellung verändern wird.

"I've got to ask you something" – "Go ahed" – "I saw you file as one of Voights CI's. Did he turn you out?" – "He didn't have to turn me out. I volunteered because he saved my life."

Ein weiterer Handlungsstrang der langsam Formen annimmt, ist die Vergangenheit von Erin und Voight. Während in der Pilotfolge klar wird, dass Voight Erin irgendwann mal geholfen hat, findet man jetzt heraus, dass sie sogar eine Informantin für Voight gewesen ist. Das bedeutet wohl, dass sich Erin vor ihrer Polizeiausbildung definitiv in einem anderen Umfeld befunden hat und Voight sie da herausgeholt hat. Mir gefällt diese Beziehung zwischen Voight und Erin sehr gut, auch wenn Erin, neben Jin, immer noch der einzige Charakter ist, mit dem ich mich noch nicht wirklich identifizieren kann. Doch wird dadurch Voights Charakter vielschichtiger und es deutet immer mehr darauf hin, dass er nicht nur der korrupte und kaltherzige Polizist ist, wie wir ihn in "Chicago Fire" kennengelernt haben.

Halstead hat in dieser Episode eher eine Nebenrolle eingenommen und wird eigentlich nur im Handlungsstrang um Erin aktiv integriert. Er ist nämlich derjenige, der Erins Name in Voights Informantenakten entdeckt, etwas was ich nebenbei bemerkt ziemlich merkwürdig finde. Würden solche Akten nicht entfernt, wenn einer der Informanten nun selber im Polizeidienst ist? So was müsste doch eigentlich nur in den Personalakten stehen und nicht für das ganze Team zugänglich sein. Natürlich war diese Entdeckung aber wichtig, um einerseits das Mysterium Erin weiter aufzubauen, die Beziehung von ihr zu Voight weiter zu thematisieren und auch um die angehende Liebesbeziehung zwischen ihr und Halstead voranzutreiben. Von dieser Liebesbeziehung bin ich immer noch nicht wirklich angetan und hoffe, dass sich die Autoren hier wirklich zurückhalten und dies nicht zu einem wichtigen Faktor der Serie machen.

"You work for me Hank, you work for me. Do you understand?" – "I work for Chicago, you understand?"

Zu Letzt wird auch noch kurz die Frage angeschnitten, die ich mir in meiner Review zu #1.01 Auge um Auge für das Gesetz gestellt habe. Wie ist es möglich, dass Voight aus dem Gefängnis entlassen wird und kurz darauf eine Spezialeinheit der Polizei leiten darf? Obwohl ich bei der ganzen Geschichte noch nicht wirklich durchblicke, scheint es so, dass Voight mit der internen Abteilung der Polizei zusammenarbeitet und sozusagen als Informant für diese tätig ist. Wahrscheinlich um weitere korrupte Polizisten ans Messer zu liefern. Ich hoffe doch sehr, dass wir hier eine plausible Erklärung geliefert bekommen, freue mich aber gleichzeitig auch auf weitere solche Szenen mit Voight, da er ja auch hier versucht die Oberhand zu behalten, dies aber sicherlich nicht ganz so einfach sein dürfte.

Randnotizen und persönliche Bemerkungen

  • Sowohl Burgess als auch Atwater scheinen bei Platt einen schweren Stand zu haben, können sie aber zum Schluss mit einem Hot Dog überlisten. Die Szenen zwischen den dreien sind zwar charaktertechnisch nicht sehr aussagekräftig, doch lockern sie die doch sonst eher ernste Episode etwas auf, was sicherlich positiv zu werten ist.
  • Eine der witzigsten Szenen war jedoch Olinksy als Obdachloser, besser hätte er sich kaum tarnen können.
  • Schön war, dass Gabby in der Episode erschienen ist und man daran gedacht hat, dass in der Realität in so eine Situation die Familienmitglieder einander sicherlich beistehen würden.
  • Ruzek wurde in dieser Episode nicht in den Fokus gestellt und die zwei kleinen Szenen in denen klar wird, dass er seine Verlobte wegen seines Jobs belügt, sagen meiner Meinung nicht wirklich viel über ihn aus. Mir ist noch nicht ganz klar, ob er es tut, weil er sich Sogen um sie macht oder weil die Beziehung nicht wirklich funktioniert. Da seine Verlobte bisher aber überhaupt keine Charakterzeichung erhalten hat, fühlt man hier als Zuschauer auch nicht wirklich mit und es ist einem bis jetzt noch ziemlich egal, wohin dieser Handlungsstrang führen wird. Ich hätte es für sinnvoller gehalten sich erst mal auf Ruzek als Individuum zu konzentrieren, bevor man Beziehungsprobleme generiert.

Fazit

Eine zweite starke Folge, die Antonio und die Unterschiede seiner Arbeitsweise zu derjenigen von Voight in den Fokus stellt. Mit einem gefährlichen Gegner wie Pulpo und einem emotionalen Entführungsfall konnte man den Zuschauer richtiggehend an den Bildschirm fesseln und zusätzlich schöne Charaktermomente generieren, die den einzelnen Figuren sowie ihre Beziehungen zueinander näher beleuchten.

Maria Schoch - myFanbase

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