Review: #3.16 Das Traumatorium
In der langen Ausstrahlungspause innerhalb dieser Staffel wurden die restlichen Episoden dieser in einem Vakuum produziert, ohne das übliche direkte Feedback für Dan Harmon und sein Autorenteam, wie die von ihnen gewählten Erzählstränge beim Publikum ankommen. Auf die Frage hin, welche Folge aus diesem Zeitraum ihm besonders riskant erscheint, hat Dan Harmon sofort die mit Annie und Abed allein im Dreamatorium genannt. Auch Alison Brie und Danny Pudi gaben zu, beim Dreh keine Vorstellung davon gehabt zu haben, was daraus eigentlich werden soll und so richtig zusammengefunden hat sich die Geschichte erst beim Zusammenschneiden. Solche Voraussetzungen sind oftmals das Rezept für ein Desaster, aber wieder einmal hat es "Community" geschafft, aus einem solchen Desaster ein kleines Meisterwerk zu schaffen.
Einer der Gründe, warum "Community" für mich eine solch besondere Serie ist, ist die Tatsache, dass sich die Betrachtungsweisen auf die verschiedenen Charaktere so tiefgründig interpretieren lassen, wie ich das bei einer Comedy-Serie nur selten erlebe. Und da nun mal eines meiner Hobbys das Nachdenken und Schreiben über Serien ist, macht dies nun mal viel mehr Spaß, wenn es auch reichlich Futter für diese Tätigkeit gibt. Einen Text zu schreiben, in dem ich lediglich abhandle, was mir denn so gefallen hat und was nicht, macht lange nicht so viel Spaß wie das tiefe Eintauchen in Motive, Themen, Parallelen und einfach die Bedeutung des Gesehenens für die Charaktere, für uns Zuschauer und gerade im Falle von "Community" für die Beziehung zwischen den Zuschauern und der Serie. Mit #3.16 Virtual Sytsems Analysis geht man dabei gleich mehrfache Risiken ein, die sich für mich aber auch mehr als ausgezahlt haben.
Wieder einmal werfen wir einen tiefen Blick auf Abeds Psyche, die doch ganz anders tickt als wir es von den meisten Menschen gewohnt sind. Manchmal vergisst man einfach, dass hinter all dem coolen Popkultur-Wissen Abeds doch eine tiefe Andersartigkeit steckt und da Abed sich dieses Unterschieds zwischen ihm und den "anderen" Menschen schmerzlich bewusst ist, steckt in ihm ein sehr verunsicherter Kern. Mittlerweile ist es wohl nicht mehr von der Hand zu weisen, dass Abed irgendwo auf dem vielfältigen Spektrum der Asperger-Skala liegt. Was aber Mut erfordert und wahrlich nicht dem normalen Umgang einer solchen Serie mit dem Thema entspricht, ist, dass dies nicht einfach zu den Akten gelegt wird. Schließlich hätte man dieses für eine Comedy-Serie so schwierige Thema auch nach Abeds Zusammenbruch in der Weihnachtsfolge aus dem letzten Jahr beiseitelegen und so tun können, als wäre das Problem mittlerweile beseitigt. Aber so ist es nun mal nicht und seither hat sich Abeds Verhalten zwar den neuen Umständen um ihn herum angepasst, normal ist es deshalb aber noch lange nicht. Ich würde mir zwar immer noch wünschen, man würde Abeds Zuordnung zum Autismus irgendwann einmal wirklich laut aussprechen, aber ich habe das Gefühl, dass man mit diesen speziellen Abed-Episoden dies irgendwie doch tut. Denn wie sonst sollen wir dazu stehen, dass Abed zweimal wimmernd zusammenbricht, weil er sonst mit der ihm auferlegten Situation nicht fertig wird?
Eine unheimlich wichtige Erkenntnis dieser Episode ist zudem, dass Annie einige Aspekte von Abeds Wesen gar nicht so fremd sind. Und mit Annies ganz normalen Ängsten, die diese durch die Kontrolle ihrer Umgebung zu bekämpfen versucht, rücken auch wir als Zuschauer, selbst wenn wir nun sicher nicht alle eigene Erfahrung mit Autismus haben, diesem anfangs so seltsam erscheinenden Verhalten näher. Klar, wir haben sicher keinen Extraraum in unserer Wohnung, in dem wir sowohl Sci-Fi-Szenarien als auch potentielle Zukunftsebenen unseres eigenen Lebens durchspielen und bis ins letzte Detail ausstatten, aber dass wir uns ab und an einzelnen Vorkommnissen festklammern, diese wieder und wieder im Geiste durchspielen und uns fragen, ob in diesem Moment alles hätte anders sein können, damit kann sich wohl jeder identifizieren. Und damit ist diese so seltsam anmutende und durchaus experimentelle Folge auch dazu da, um tiefer in Annies Wesen zu blicken.
Wie bereits beim letzten Mal vermutet, steckt hinter der manchmal schwer mitanzusehenden Schwärmerei Annies für Jeff viel mehr, als die Absicht, diese beiden irgendwann zusammenzubringen. Gott sei Dank, kann ich da nur sagen. Und es wird immer klarer, dass Annie sich dessen auch bewusst und nicht wirklich daran interessiert ist, Jeff näher zu kommen. Sie hängt nur seit Monaten in dieser Dauerschleife der Schwärmerei, sicher auch, weil es in der Zwischenzeit niemanden gab, der ihr Herz erobern und ihre Gedanken von Jeff weg bringen konnte. Aber Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung und da sie hier durch die Mittel des Dreamatoriums die Welt und auch sich selbst mit Abeds Augen sehen konnte, sollte ihr bewusst geworden sein, wie selbstzerstörerisch und sinnlos ihr Festklammern an diesem alten Traum rund um ihren Kuss mit Jeff ist. Mit diesem tieferen Blick auf den Charakter Annie, der über einen großen Teil der 3. Staffel für meine Verhältnisse leider zu kurz kam und zu sehr auf das sexy Häschen reduziert war, gewinnt sie sofort wieder viel Integrität zurück, auch weil sie sich hier so ehrlich um Abed bemüht. Und das ist sicher nicht leicht wie ihre Unterscheidung zwischen scary weird und cute weird an den Tag legt.
Es ist eines, mit einer solch schwierigen Person wie Abed befreundet zu sein, eine ganz andere ist es, mit ihm zu leben. Auch Troys besorgter Anruf klang mehr wie bei einer Mutter, die ihr Kind zum ersten Mal in einer fremden Umgebung lässt, als der eines Freundes von einem erwachsenen Mann. Abed ist eben etwas Besonderes, mit all den guten und schlechten Aspekten, die dazugehören. Aber da Abed von seinen Freunden geliebt wird, sind diese grundsätzlich bereit, es auch mit den damit einhergehenden Herausforderungen aufzunehmen. Zumal es Abed seinen Freunden manchmal noch zusätzlich schwer macht, wenn er, wie hier, von einer Art überheblichem Podest auf sie herabblickt. Die Serie schreckt da auch kein bisschen davor zurück, Abed wie einen Arsch dastehen zu lassen. Und wenn wir ein wenig zurück blicken, dann manifestierte sich dieses überhebliche Verhalten von ihm schon eine ganze Weile, auch besonders im Umgang mit Troy, schließlich war es Abed der im Kissen- und Deckenkrieg zu Mitteln unterhalb der Gürtellinie gegriffen hat. Aber wir blicken hier eben hinter die Fassade von Abeds Verhalten und auch wenn ihn das nicht entschuldigt, erklärt es ihn zumindest ungemein gut.
Auch wenn der Inhalt rund um die Charaktere Abed und Annie dieser Episode für mich klar die treibende Feder der Geschichte darstellt, möchte ich doch auch noch ein wenig über die Form dieser reden. Ich muss sagen, ich bin ein richtiger Fan dieser Erzählweise, die uns mit welchen Mitteln auch immer in Abeds Fantasiewelt eindringen lässt. Ob es sein Winterwunderland zu Weihnachten war, oder auch das Dungeons-&-Dragons-Spiel mit Neil, diese besondere Methode der Verdeutlichung seiner Sichtweise auf die Dinge fasziniert mich nicht nur, sie kann mich auf eine wunderbar simple, aber auf keinen Fall einfache, Art und Weise mitreißen. Ich weiß nicht, wie sich dieser kleine Trip für Annie dargestellt hat, schließlich war sie wirklich auf ihre Fantasie angewiesen, aber ich war völlig im Bann der Geschichte und habe alle Szenen- und Personenwechsel begeistert mitgemacht. Dazu kamen die vielen kleinen Details, die sich daraus ergaben, dass die Darsteller ihre Rolle gespielt haben, als stecke Abed in ihnen, plus unzählige Gags wie Troys Geständniszusammenbruch, Abeds Vorstellung vom Rumknutschen, Annies zunächst schlechter und dann bedeutend besserer britischer Akzent und Danny Pudis Version von Annie Edison. Ich könnte noch einige Zeit so weiter machen, denn nicht nur hat mich diese Folge tief berührt, sie war darüber hinaus noch richtig lustig.
Bevor ich zum Schluss komme, muss ich aber zumindest noch Dean Pelton erwähnen, der sich mit seinem zweiseitigen Kostüm noch einmal selbst gesteigert hat, was eigentlich nach so vielen verrückten Outfits fast unmöglich erscheint. Und er liefert dabei den perfekten Kommentar zur Serie und ihrem Verhältnis zur eigenen Verrücktheit ab: "Can I be perfectly honest with you, guys? I think I went too far with this one." Ich für meinen Teil kann darauf antworten: Nein, absolut nicht!
Cindy Scholz - myFanbase
Die Serie "Community" ansehen:
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Virtual Systems AnalysisErstausstrahlung (US): 19.04.2012
Erstausstrahlung (DE): 06.07.2013
Regie: Tristram Shapeero
Drehbuch: Matt Murray
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