Bewertung

Review: #1.03 Gestern und Heute

Foto: Julika Jenkins, Dark - Copyright: Stefan Erhard/Netflix
Julika Jenkins, Dark
© Stefan Erhard/Netflix

Eine Reise durch die Zeit. In dieser Episode von "Dark" verschlägt es uns 33 Jahre in die Vergangenheit. Wir schreiben das Jahr 1986, das so ganz anders ist als die Zeitebene im Jahr 2019 und dennoch unheimlich viele Parallelen zur Gegenwartshandlung aufweist. Die Figuren, die wir bisher als Erwachsene kennengelernt haben, bekommen wir nun auch als Kinder zu Gesicht, gleichzeitig tun sich rund um das Atomkraftwerk weitere Fragen auf, wodurch sich immer eindringlicher der Verdacht aufdrängt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Zeitreise und dem Kraftwerk geben muss.

Wir begleiten Mikkel und lernen gemeinsam mit ihm das Jahr 1986 kennen. Während der kleine Junge vollkommen irritiert über seine Zeitreise ist, saugt man als Zuschauer jedes Quäntchen Information nur zu gern auf. Der Blick auf die Figuren, die wir als bodenständige Erwachsene kennen, legt in ihren Kindestages ganz neue Seiten an ihnen offen. So passt der rebellische Ulrich nicht recht zu dem Polizisten aus der Gegenwart. Auch die hochnäsig wirkende Katharina erinnert nicht viel an die Mutter von drei Kindern, genau so wie die schüchterne Hannah nichts mit der Frau zu tun hat, die wir 2019 kennengelernt haben. Blickt man jedoch ganz genau hin, dann schimmern schon 1986 einige Eigenschaften durch, die im Erwachsenenalter wesentlich deutlicher geworden sind. So scheint Ulrich ein Draufgänger zu sein und verhöhnt die Polizei, während er 2019 gern außerehelichen Liebschaften nachgeht. Eine Schwärmerei für Ulrich scheint Hannah indes schon als Kind gehabt zu haben, weshalb es in beiden Fällen auf schwarzen Humor hindeutet, was später aus ihnen geworden ist. Ulrich hat seinem rebellischen Ich den Rücken gekehrt und sich für Recht und Ordnung entschieden, allerdings nur auf beruflicher Ebene, privat bewegt er sich auf einem ganz anderen Pfad. Hannah hat den Mann ihrer Träume bekommen, aber nur hinter geschlossenen Türen darf sie ihn genießen. Es macht Spaß, die früheren Ichs der Charaktere zu verfolgen, auch wenn dieser Handlungszweig der am wenigsten faszinierende der Episode ist und eher der sanften Eingewöhnung ins Jahr 1986 dient. Um einiges aufreibender ist der Weg von Mikkel, der gar nicht weiß, wohin er sich zuerst wenden soll und der bei jedem neuen Anlauf ins Leere rennt. In der Schule trifft er auf seinen 33 Jahre jüngeren Vater, bei der Polizei trifft er auf Unverständnis, im Krankenhaus trifft er auf Stirnrunzeln und in der Windener Höhle trifft Mikkel schlussendlich auf ein Labyrinth aus Gängen, das ihm dann doch keinen Ausweg bieten kann. Die Szene mit dem parallelen Versuch Mikkels und Ulrichs, in der Höhle nach Antworten – beziehungsweise einem Weg zurück – zu suchen, war genial. Man fiebert von Beginn an mit den beiden mit, hofft, dass Mikkel den Rufen seines Vaters folgen kann und dass die beiden sich am Ende erleichtert in den Armen liegen. Dass der Versuch vergebens ist, macht die Windener Höhlen und das Geheimnis, das sie umgibt, nur noch spannender.

Während das Atomkraftwerk bisher nur am Rande thematisiert wurde, steigen wir nun tiefer in die Geschichte ein, die scheinbar bereits 1986 ihren Ursprung fand. Mit den Massen von radioaktivem Müll und der Mutter der späteren Hotelbesitzerin kann man erst einmal nicht ganz so viel anfangen, zu fremd erscheint einem diese Geschichte auf den ersten Blick. Dennoch werfen die aufgeworfenen Fragen neue Theorien auf und es wird immer deutlicher, dass die Serie die beiden Handlungen rund um Kraftwerk und Höhlen miteinander verknüpfen will. Zwar ist noch nicht greifbar, auf welche Weise man Wissenschaft und Fantasie nun unter einen Hut bringen will, ein weiterer Hinweis darauf ist jedoch bereits gefallen. Mit Feuereifer spekuliert man, wie das Buch, das wir bereits beim Fremden gesehen haben und das nun durch Helge in die Hände von Claudia Tiedemann gekommen ist, die Brücke zwischen Atomkraftwerk und Zeitreiseapparat schlagen wird.

Neben der Höhlenszene mit Ulrich und Mikkel war für mich die Gegenüberstellung der Charaktere, die wir bereits 1986 und 2019 kennengelernt haben, ein weiterer Höhepunkt. Zuerst erscheinen die Bilder der Figuren relativ nichtssagend und eher wie ein Versuch, dem Zuschauer zu erleichtern, die Gesichter einzuordnen, so wie man es zuvor mit den Familienporträts getan hat. Doch wenn man das Gesehene kurz sacken lässt, entfaltet sich plötzlich die gesamte Wirkung und die Synapsen versuchen weitere Zusammenhänge herzustellen. So fragt man sich, wie Mikkel 2019 wohl aussehen würde, wenn er nicht zurück in seine Zeit reisen kann. Er wäre dann erwachsen und könnte in etwa so alt sein wie der Fremde. Handelt es sich bei dem Fremden also um das erwachsene Ich einer Person, die wir bereits kennengelernt haben? Fragen dieser Art häufen sich schlagartig an, man versucht sich mögliche Szenarien auszumalen und entwickelt einen großen Nervenkitzel dafür, dass die selbst aufgestellten Theorien beantwortet werden.

Randnotizen

  • Über Ines Kahnwald haben wir bisher nicht viel erfahren. Sie müsste bald Mutter werden, damit Michael in 2019 das passende Alter hat.
  • Die Zahl 33 wird nicht nur beim Zeitunterschied zwischen den Jahren aufgegriffen, sondern auch bei den toten Schafen. In welchem Zusammenhang stehen sie mit der Geschichte und warum ist ihr Gehör auf ähnliche Weise zerstört worden, wie das des toten Jungen?
  • Häufig habe ich gehört, dass "Dark" und "Stranger Things" viele Parallelen zueinander aufweisen. Dieses Mal haben mich die toten Schafe aus "Dark" sehr an das Feld mit gammelnden Kürbissen aus "Stranger Things" erinnert. Sonst finde ich nicht, dass sich die beiden Serie ähneln, zumindest bisher ist " Dark" weit weniger übernatürlich.
  • Schon mehrmals habe ich mich gefragt, was es mit Helges zerstörtem Ohr auf sich hat. Handelt es sich um die Folge eines schief gelaufenen Zeitreiseexperiments?
  • Tronte Nielsen hatte eine Affäre mit Claudia und 33 Jahr später begeht sein Sohn ebenfalls Ehebruch.
  • Die vom Himmel fallenden Vögel stehen ganz sicher in Zusammenhang mit den Giftstoffen, die das Atomkraftwerk produziert. Hat Charlotte bereits damals Nachforschungen angestellt?

Fazit

Zwar schlägt ein Großteil der Handlung des Jahres 1986 keine riesigen Wellen, doch mit den Verknüpfungen zum Jahr 2019 kann man die Spannung um einiges anziehen. Erst lässt man die Handlung auf sich einplätschern, dafür wird man in den letzten Minuten umso stärker zum Mitdenken animiert.

Marie Florschütz - myFanbase

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