Bewertung

Review: #2.02 Dunkle Materie

Foto: Louis Hofmann, Dark - Copyright: Netflix, Inc.
Louis Hofmann, Dark
© Netflix, Inc.

Nach den Anlaufschwierigkeiten mit #2.01 Anfänge und Enden erscheint mir #2.02 Dunkle Materie nun um einiges harmonischer und "Dark"-typischer und das, obwohl man wild in der Zeit hin und her springt. Der große Unterschied zur vorangegangenen Episode besteht an den weiten Teilen, die man mit altbekannten Figuren verbringt, wohingegen der Staffelauftakt vor allem Wert darauf gelegt hat, die neuen Seiten aufzuzeigen, die uns der zweite Zyklus der Serie bringt. Auf vielerlei Weise erscheint diese Episode mir wie der treffendere Beginn in Staffel 2, da der Übergang zur neuen postapokalyptischen Zeitebene um einiges weicher ist und man dieses Mal die Zeit findet, auf die bedeutenden Gesichter der ersten Staffel einzugehen. Durch diese Erzählweise weiß die Episode viel mehr zu berühren und kann trotz der vielen bedrückenden Momente, die dem Serientitel wieder einmal alle Ehre machen, einen erbaulichen Eindruck hinterlassen.

Es ist nicht leicht, die Handlung der Episode gleichzeitig kontinuierlich und verständlich wiederzugeben, da "Dark" sich wieder einmal selbst übertrifft und geschickt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander zu verweben weiß. Dies geschieht auf vielerlei Weise, angeführt von den beiden Zeitreisen, deren Sinn und Zweck jeweils ganz verschieden ist. Betrachten wir zunächst die emotionale Komponente: der erwachsene Jonas bringt seine Mutter Hannah aus dem Jahr 2020 ins Jahr 1987, um ihr zu beweisen, dass er über das Reisen durch die Zeit die Wahrheit gesagt hat und gleichzeitig zu verdeutlichen, dass Michael und Mikkel ein und dieselbe Person sind. Die Offenbarung zwingt Hannah dazu, ihrem erwachsenen Sohn zu trauen – nicht, dass sie dies vorher nicht getan hätte – es ist jedoch etwas ganz anderes, wenn man die Vergangenheit mit eigenen Augen gesehen hat. Es ist ein ergreifender Moment, in dem Hannah realisiert, dass das kindliche Ich ihres verstorbenen Mannes der gleiche Junge ist, den ihre große Liebe Ulrich gezeugt hat. Eine nicht weniger schockierende Erkenntnis muss Claudia 1987 hinnehmen, als sie Besuch von ihrem gealterten Ich aus dem Jahr 2020 bekommt, das gleich darauf ins Jahr 1954 reist, um dort den Zeitreiseapparat für sich selbst zu deponieren. Einerseits bedeutet diese Begegnung, dass Claudia in den 80er Jahren nun aktiv anfangen kann, das AKW und die Zeitreise miteinander zu verknüpfen und den Weg dafür zu ebnen, dass der erwachsene Jonas nach ihrer Pfeife tanzt. Andererseits hindert dies die gealterte Claudia daran, weiterhin durch die Zeit zu reisen. Es bleibt fragwürdig, ob der Zyklus durch Claudias Tat nun wirklich gebrochen werden kann, denn auch wenn das Überleben von Regina einen netten Anreiz darstellt, denke ich nicht, dass es schlussendlich Claudia sein wird, die das Rad der Zeit zum Stillstand bringt. Die Motive Claudias sind nicht ganz eindeutig. Dies ist ein Schwachpunkt der Episode, da Claudia bisher sehr oberflächlich wirkt und viel zu unbeleuchtet bleibt. Ist sie für oder gegen Zeitreisen? Hat sie den erwachsenen Jonas hinters Licht geführt? Zuerst sah es so aus, doch wenn das Portal jetzt tatsächlich geschlossen ist, denn scheint der Plan doch zumindest teilweise aufgegangen zu sein, oder entgeht mir da etwas? Warum hat sie die Kassetten aufgenommen? Auch wenn es Spaß macht, darüber zu grübeln, erscheint mir die Geschichte rund um Claudia nicht ganz rund.

Im Staffelauftakt habe ich bemängelt, dass wir keinen Blick auf Mikkel oder Ulrich geworfen haben, weshalb es mich sehr freut, dass dieses Versäumnis nun aufgeholt wurde. Mikkel im Jahr 1987 strahlt mit jeder Pore Traurigkeit aus und sein zweites Treffen mit Noah hat etwas seltsam Beruhigendes. Noah erscheint die einzige Figur der Serie zu sein, die Gelassenheit und Zuversicht ausstrahlt, was aufgrund der Tatsache, dass es sich bei ihm um den "Bösen" der Geschichte handelt, umso verstörender ist.

Wahrhaft schockierend ist das erneute Aufeinandertreffen von Egon und Ulrich. Die beiden verfeindeten Charaktere begegnen sich ein weiteres Mal mit anderen Augen. Es ist für Egon bereits das dritte Gesicht, das er von Ulrich zu sehen bekommt, auch wenn er keine Ahnung davon hat. Mit Erschrecken stellen wir Zuschauer indes fest, dass Ulrich die letzten 34 Jahre über in der Vergangenheit festsaß, was ich nie und nimmer gedacht hätte. Sein eiserner Wille, den Ablauf der Dinge zu ändern, erschien ein sicheres Ticket zu sein, um noch einmal durch die Zeit zu reisen. Dass ihm dies nie gelungen ist, ist gleichermaßen bitter wie mutig. Diese Serie, die sich bestens darauf versteht, die dunklen Seiten der Figuren zu beleuchten, uns ihre schlechtesten Charaktereigenschaften zu zeigen und den Figuren ihr Glück vorzuenthalten, bestätigt sich dadurch wieder einmal selbst.

Dem postapokalyptischen Jahr konnte ich dieses Mal einiges mehr abgewinnen. Durch den großen Fokus auf Jonas erscheint es weniger fremdartig, mit dem Elvis-Song im Hintergrund hatten die Szenen beinahe schon etwas Erheiterndes. Ist die schwarze Kugel gleichzusetzen mit dem Gottpartikel und der dunklen Materien, die der Episode ihren Titel verleiht? Während hier viele Fragen im Raum stehen, bildet Jonas dagegen eine Konstante der Traurigkeit, auf die man sich gern zu stützen bereit ist. Jonas' Verzweiflung kennen wir aus der ersten Staffel der Serie gut, weshalb seine Szenen das Jahr 2053 immer weniger fremd erscheinen lassen.

Randnotizen

  • Die junge Regina im Jahr 1987 hat eine wahrhafte Verwandlung hingelegt. Das schüchterne Mädchen hat plötzlich Selbstbewusstsein entwickelt, was sie nicht nur durch ihr Aussehen nach außen trägt, auch ihre Ausstrahlung ist eine ganz andere als in Staffel 1. Aleksander – dessen junges Ich wirklich treffende gecastet ist – tut ihr unheimlich gut.
  • Es ist Katharinas Geburtstag und trotzdem haben wir sie im Jahr 2020 nicht zu Gesicht bekommen.
  • Wen meint Helge, als er über den weißen Teufel spricht? Vielleicht Adam?
  • Im Jahr 2020 erwartet uns weitere Ermittlungsarbeit von Charlotte und Clausen. Warum wirkt sie durch ihren Kollegen so eingeschüchtert?
  • Der Hinweis darauf, dass Charlotte ihre Eltern nicht kennt, ruft das altbekannte Kribbeln hervor und sofort laufen die Nerven wieder heiß, wenn man versucht sich auszumalen, wer Charlottes Eltern sein könnten. Wer tippt noch auf Jonas und das bisher namenlose Mädchen?
  • Warum hat Elisabeth Jonas verschont?
  • Es gibt also eine ganz simple Erklärung für Franziskas Bekanntschaft mit Benni/ Bernadette.

Fazit

Eigentlich hätte diese Episode sehr gut als Staffelauftakt fungieren können. Spielend leicht greift sie die losen Fäden der ersten Staffel auf, zeigt fast jeden Hauptcharakter und stellt weitere Verknüpfungen zwischen ihnen her. So kann es gern weitergehen.

Marie Florschütz - myFanbase

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