Review: #2.03 Gespenster
Nach der sehr erlebnisreichen letzten Episode, in der man versucht hat, jedes Gesicht zumindest ein Mal zu zeigen, erscheint diese Folge schon beinahe minimalistisch. Man beschränkt sich auf zwei Zeitebenen und widmet seine Aufmerksamkeit hauptsächlich Egon und Claudia. Dabei versteht man sich wieder einmal bestens darauf, genau so viele Fragen zu beantworten wie aufzuwerfen und das Gefühl, des sich stets wiederholenden Kreislaufs, zu verdeutlichen.
Bootstrap Paradox
Ich muss sagen, dass ich es jedes Mal großartig finde, wenn wir H.G. Tannhaus besuchen. Seine ältere Version hat etwas Großväterliches und Weises. Wenn er einen komplexen physikalischen Zusammenhang erklärt, der eigentlich mehr wie Fiktion als wie Realität wirkt, erscheinen seine Worte immer vollkommen einleuchtend und nur allzu bereitwillig nimmt man das Gesagte als Fakt hin. Der Besuch von Claudia im Jahr 1987, die nach der Begegnung mit ihrem älteren Ich nichts anbrennen lässt und das Geheimnis der Zeitreisen ergründen will, spiegelt sich 33 Jahre früher wider. Hier ist jedoch Claudia von Weisheit und tiefgründigen Worten geprägt und Tannhaus in der Position des überforderten Neulings im Zeitreise-Kreislauf. Dieses Prinzip macht man sich innerhalb der Episode mehrmals zunutze und legt damit immer wieder den Grundstein für das angesprochene Großvaterparadox, laut dem es eine kausale Schleife von Ereignissen gibt, in der Wirkung und Ursache sich gegenseitig beeinflussen. Ganz genau so geht man auch bei Egon und Ulrich vor. Anders als bei Claudia und Tannhaus, die beide wissen, womit sie es zu tun haben, sorgen die Treffen zwischen den beiden Männern in den verschiedenen Zeitebenen für wahre Gänsehautmomente. Egon ist stets nur einen Schritt davon entfernt, die Puzzleteile zusammenzufügen und darauf zu kommen, dass er es mit etwas Übernatürlichem zu tun haben muss. Doch genau wie Charlotte in Staffel 1 hält Egon sich an den Grenzen des Möglichen fest, weshalb es umso faszinierender ist, seinen Verstand rattern zu sehen, wenn er versucht, sich eine erklärbare Auflösung der Zusammenhänge herzuleiten, die nun aber leider nicht existiert. Wir werfen zum ersten Mal in dieser Staffel wieder einen Blick auf den Ulrich, den wir vom Beginn der Serie kennen und erkennen in ihm einen Mann, der kurz davor ist zu brechen, da er dem Druck nicht länger standhält, aber ebenso wenig wie Egon schlüssig erklären kann, wie alles zusammenhängt. Mit Furcht begegnet Egon Ulrich im Jahr 1954 und auch 33 Jahre später kann er diese nicht recht abschütteln. Zwar gilt Ulrich als verrückt, dennoch zeigt Egon deutlichen Respekt vor seinem Gegenüber. Ulrichs ältere Version gefällt mir indes immer besser, besonders sein Nervenzusammenbruch beim Anblick von Mikkels Bild wurde wunderbar bizarr in Szene gesetzt. Nach 34 Jahren Grübeln über seine Taten und über den Verbleib seines Sohnes muss es für Ulrich wie ein Messerstich sein, dass er sein Leben damit vergeudet hat, in der Vergangenheit festzusitzen, während Mikkel ihn in einer ganz anderen Zeitebene gebraucht hätte. Gleichzeitig muss es allerdings auch erleichternd sein, zu erfahren, dass Mikkel noch am Leben ist und es für Ulrich eine Chance gibt, wieder mit seinem Sohn vereint zu werden.
Die beiden Handlungen sind ebenfalls über ein Bootstrap-Paradox verknüpft, denn Claudia besucht ihren Vater im Jahr 1954. Es ist ein trauriger und ergreifender Moment, in dem Claudia ihrem Vater versichert, dass sie ihn liebt und dass er nichts von dem Schlechten verdient, das ihm noch widerfahren wird. Die Szene spiegelt sich 1987 wider, als Claudia ihren Vater umarmt, nachdem die beiden sich entfremdet haben und Egon ihr gesteht, dass er an Krebs leidet. Durch die vielen kleinen Verknüpfungen dieser Art wird deutlich die Liebe zum Detail spürbar, mit der "Dark" seine Geschichten zu erzählen weiß. Sie sind stets mit Traurigkeit behaftet und es scheint kein Entkommen aus diesem Kreislauf von Schmerz, Zurückweisung und einem Versuch der Wiedergutmachung zu geben. Eben dies ist zum Markenzeichen von "Dark" geworden und prägt die Serie in jeder einzelnen Folge. Auch in den restlichen Teilhandlungen, die meist nur kurz angerissen werden – aber dennoch nicht weniger bedeutsam sind – wird die Vernetzung der Geschichten immer wieder deutlich erkennbar:
- Adam ist nicht länger nur eine unbekannte Figur, man erklärt ihn zu Agnes' Ehemann, nachdem bisher die Vermutung im Raum stand, dass es sich bei ihrem Mann um Noah handelt. Doch auch Noah bleibt nicht außen vor und wird in dieser Episode als Agnes' Bruder ausgewiesen.
- Die zuletzt aufgezeigte Verbindung zu Tannhaus ist noch immer nicht ganz geklärt, man gibt jedoch einen weiteren Hinweis. Der Name Charlotte fällt und legt bei Noah einen Schalter um, wodurch er Adam nach der Ermordung von Claudia einen Teil der Wahrheit vorenthält.
- Helge kehrt 1954 zu seiner Familie zurück und ist Noah gegenüber nun vollkommen unterwürfig, so wie wir ihn aus dem Jahr 1986 kennen.
- Agnes, die man zuerst durchaus in der Opferrolle gesehen hat, entpuppt sich als mehr als nur ein unbedeutender Spielstein. Sie stellt einen Verknüpfungspunkt zwischen Noah und Adam auf der einen sowie Claudia auf der anderen Seite her. Man müsste jedoch noch einmal ins Jahr 1953 abtauchen, um die Hintergründe ihres Verrates, sowohl der einen als auch der anderen Seite, zu beleuchten.
Fazit
Mit viel Fingerspitzengefühl kommt die dritte Episode der zweiten Staffel daher. Zwar liegt der Fokus sehr klar auf nur einer Hand voll Charaktere, dadurch wird deren Geschichte jedoch umso eindringlicher erzählt und kann durch die vielen kleinen Parallelen glänzen.
Marie Florschütz - myFanbase
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: GhostsErstausstrahlung (US): 21.06.2019
Erstausstrahlung (DE): 21.06.2019
Regie: Baran bo Odar
Drehbuch: Jantje Friese & Marc O. Seng
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