Review: #1.05 Katastrophenstimmung
Katastrophen, wie hier ein Wirbelsturm, nutzen die Macher einer Serie gerne aus bestimmten Gründen: Entweder will man ein besonderes Highlight hinbiegen und arbeitet dabei mit Effekthascherei, man vertieft gut angelegte Storys und will diesen etwas mehr Schwung geben oder man ist darum bemüht, möglichst alle Charaktere an einem Ort zu konzentrieren, um dadurch entweder für eine Menge Konfliktpotential zu sorgen oder um dem Zuschauer die Charaktere noch näher zu bringen. Hier bei #1.05 Katastrophenstimmung treffen alle erwähnten Punkte zu.
Eigentlich hätte es den Wirbelsturm nicht wirklich benötigt, denn es tobt bereits "Hurricane Bob". Die große Enthüllung von Gails Affäre mit dem Nachrichtensprecher Bob bringt ordentlich Drama und Schwung in die Runde. Nebenher erfährt der Zuschauer auch mehr über die Nebencharaktere und neue Storylines kommen auf oder werden weiter ausgebaut. Eine Menge Staub wird aufgewirbelt, wichtige Aussagen getroffen und die Emotionen sind aufgeheizt. Kurz gesagt, es geht in dieser Episode herrlich turbulent zu.
"Schnall dich an Dawson, das Leben wird noch viel holpriger..."
Wie recht sie doch damit hat, die süße Joey, die bislang schon häufig einen klugen Spruch brachte. Dennoch fällt es mir schwer, Dawsons Standpunkt und Reaktion nachzuvollziehen. Teenager wachsen heute teilweise ganz anders auf und würden wohl nicht völlig weltfremd aus allen Wolken fallen, würden sie Zeuge der Affäre eines Elternteils. Wenn man es weiterdenkt, kann man sich dann aber doch in Dawsons Lage versetzen, weil es zu großen Teilen auch von der emotionalen Bindung zu den Eltern abhängig ist, wie ein Teenager darauf reagiert. Dass Dawson verletzt ist, ist also sehr gut nachvollziehbar und gut hervorgebracht. Betrug von Menschen, besonders im ganz nahen Umfeld, tut immer weh. Wahrscheinlich wuchs Dawson auch in einer Stabilität und mit ihm übermittelten Werten auf, die nun ungewollt ins Wanken gerieten, da plötzlich eine Situation da ist, welche er ganz fern, abgetrennt aus seinem familiären Umfeld gesehen hatte. Dazu dürften wohl auch Ängste mitmischen und die Irritation, denn er ist natürlich noch abhängig von seinen Eltern. Würde jetzt alles zusammenbrechen, würde sich auch seine Situation komplett verändern und er wüsste nicht, wie sein Leben zukünftig aussähe. Auf der anderen Seite spielen bestimmt auch Enttäuschung und Wut ebenso eine wichtige Rolle.
Dawson gefällt mir in dieser Episode sehr gut, denn er lässt sich von seiner Mutter Gail nicht einlullen, zwingt sie förmlich sich ihrer größten Herausforderung und Verantwortung zu stellen, nämlich ihrem Partner zu gestehen, wie sehr sie ihn schon seit einer Weile betrogen hat. Die Autoren verstehen es hier gut, die Reaktionen nachvollziehbar rüberzubringen. Gail ist daraufhin bemüht die Situation schnell zu klären, was mich teilweise zum Schmunzeln brachte. Nach ihrer Offenbarung ließ sie Mitch kaum Zeit, es zu verarbeiten, was zu aggressiveren, raueren Tönen führte. Die Art, wie Gail ihn hier bedrängt, finde ich in einem solchen Moment keinesfalls passend und deswegen versteht man Mitchs härtere Reaktion sehr gut.
Letzten Endes ist es doch mit Affären immer dasselbe, egal wie offen man ist und wie gut man Sex und Liebe trennen kann. Betrug verletzt immens, ist von Feigheit bestimmt und verändert die Basis zu einem Menschen gründlich. Das sehr zerbrechliche Vertrauen kann eventuell niemals wieder erlangt werden. Und so bleibt auch die Affäre-Story am Ende komplett offen, mit der Ungewissheit, ob Dawsons Eltern diese Katastrophe überstehen werden. Oder ob es zur eventuell unvermeidbaren Trennung kommen wird. Ein Lob muss ich noch für Gails Erklärung zur Affäre aussprechen, denn das ist wirklich sehr glaubhaft erzählt: Wenn man in der Beziehung schon einen zu gesättigten Status erreicht hat, das Leben vervollständigt scheint, kann es einen innerlich zu jucken beginnen. Sie meint, dass man Herausforderungen/Sehnsüchte/Ziele braucht und innere Löcher werden gerne mal mit Suchtmittel oder Seitensprüngen auffüllt, was aber dann, wie man gesehen hat, nicht gut ist und sich zerstörerisch auswirken kann.
Für mich insgesamt eine gut umgesetzte Hauptstory. Da wurde das Potential bereits, wie ich es gleich am Ende des Piloten erhofft hatte, ganz toll ausgeschöpft. Geschickt wurden hier auch noch verschiedene weitere Charaktere eingebracht, sodass man entscheidende Details erfahren konnte. So wurde beispielsweise Joeys Verlust der Mutter mit eingebunden, die dadurch an Dawson appelliert, lieber dankbar zu sein, trotz der Fehltritte überhaupt eine Mutter überhaupt zu haben. Oder auch Jens Großmutter wurde mir hier sympathischer, da sie mehr Facetten bekommen hat und man, trotz ihrer religiösen und strengen Fassade, gesehen hat, dass sie ein Herz und gutes Gespür für menschliche Bedürfnisse zu haben scheint. So hat sie in dieser Folge indirekt mehr geholfen, als man es bisher erwartet hätte.
Daddys kleiner Albtraum
Die Nebenstory um Jens Enthüllungen aus der vorherigen Episode #1.04 Schluß, aus, vorbei wurde ebenfalls aufgegriffen und weiter in die Hauptstory mit eingebunden. Passt auch gut dazu, denn durch ihre unmoralischen Erfahrungen, die heute wohl kaum einen Teenie mehr schocken, ist Jen erst auf Dawsons Abstellgleis geraten, ehe sie die Wogen hier glätten kann. Dazu wird mehr Stoff für die Moraldiskussion geboten und Dawsons Mutter automatisch etwas mehr auf die Seite des "Guten" – sprich Menschlichen – gerückt, da auch andere nicht fehlerlos sind und das hiermit in Erinnerung gebracht wird.
Ehrlichkeit ist zwar immer zu befürworten, aber ich denke schon auch, dass Jen da etwas den falschen Zeitpunkt erwischt hat. Es kam endlich zur mit Spannung erwarteten Konfrontation zwischen den beiden, nachdem Dawson ihr bisher nur die kalte Schulter gezeigt und sie damit eher passiv aggressiv behandelt hatte. Kurz nochmals zu den Enthüllungen zurück: Geschockt haben mich da bei Jens Aussagen nur, dass sie offenbar nicht immer geschützten Sex hatte und sie von ihrem Vater direkt erwischt wurde. Ich hoffe, das so richtig verstanden zu haben, jedenfalls schüttelte ich da dann doch etwas den Kopf und ließ die Kinnlade runterhängen.
Dawson hingegen scheint sich am Ende dann doch ziemlich schnell mit Jens Vorleben arrangieren zu können. Aber a) bin ich mir nicht sicher, ob das mit den beiden wirklich noch was werden kann. Immerhin prallen hier wirklich zwei unterschiedliche Gemüter aufeinander. Und b) denk ich nicht, dass Jen ihre Vergangenheit so schnell hinter sich lassen kann. Dazu fällt mir spontan ihre neugierige Erkundigung bei Joey über Dawsons bestes Stück ein. Außerdem finde ich, dass Joey viel besser zu Dawson passt, schon allein, weil sie ihm noch etwas Stabilität und Erinnerung aus ihrer gemeinsamen Kindheit geben kann. Naja mal sehen, was da noch weiter laufen wird.
"Pacey, wir werden langsam nachlässig..."
Mein größtes Interesse gilt derzeit dieser Storyline um Pacey und Tamara, denn sie birgt immens viel Potential, ja sogar richtige Spannung. Unfassbar, denn so hatte ich die Serie gar nicht mehr in Erinnerung. Aber Paceys Lehrerin Tamara scheint sich immer mehr in die ungünstige Lage zu verstricken und riskiert dabei, ihren Job und ihre Existenz zu gefährden. Von Beginn an hoffte ich für sie, Pacey endlich abwimmeln zu können, doch davon scheint sie nun meilenweit entfernt zu sein. Tamara gefällt mir vom Charakter her sehr gut. Sie wirkt sehr sympathisch, ein bisschen ladylike aber vor allem sehr herzlich. Natürlich auch auf der anderen Seite auch unbesonnen beziehungsweise etwas unbeholfen. Wahrscheinlich schafft sie es aus der Unsicherheit heraus nicht, den sehr jungen Pacey, der auch ihr Schüler ist, Einhalt zu gebieten. Mittlerweile scheint sie ihn auch echt zu mögen. Oje, ich sehe hier wirklich schon dunkelste Wolken am Horizont. Zumal auch noch die Videoaufnahme irgendwo herumschwirrt und es nur eine Frage der Zeit ist, bis hier eine noch viel größere Bombe, als Gails geheime Affäre, platzen wird. Bislang weiß ja nur Dawson Bescheid...
Knapp wurde es schon diesmal, denn Paceys Polizisten-Bruder Doug guckte ziemlich dämlich aus der Wäsche als er die beiden auf dem Boden wälzen sieht. Zwischen dem Brüder-Gespann scheint es ernsthafte Spannungen zu geben, was wohl für Paceys gesamte Familie gilt. Dass der Polizist schwul ist, hätte ich Pacey sofort abgenommen, obwohl sensible Charakterzüge nicht unbedingt die sexuelle Ausrichtung wiedergeben müssen. Während der Spielerei wurden dann aber auch sämtliche Klischees ausgepackt und Tamara fies von Pacey hinters Licht geführt und in eine peinliche Situation manövriert. Aber hey, was ist das für ein nervenschwacher Polizist, frage ich mich, als er die Waffe auf Pacey richtet? Der Moment kommt dann doch absurd rüber und sollte wohl künstlich Spannung erzeugen. Jedenfalls ist Doug als Polizist so scheinbar nicht wirklich zu gebrauchen, wozu mir auch gleich seine Schutzmaßnahmen bezüglich des Sturms mit einfallen, die ja wirklich sehr dürftig ausfielen. Wenigstens konnte Paceys Bruder für einige interessante Szenen sorgen, denn Paceys Eifersucht nahm schon bedrohliche Züge an. Und ich wartete nur darauf, dass er was Unbesonnenes tun würde. Genau genommen hat da Tamara letzten Endes wohl mehr Sorge um ihr kleines Geheimnis als um das Unwetter gehabt.
Die Katastrophe
Der Wirbelsturm an sich spielt in der Folge eine auffällig untergeordnete Rolle, da er letztendlich schwach und ungefährlich wirkte. Teilweise guckte ich nach Windmaschinen im Hintergrund oder dem Kübel Wasser. Es regte schon sehr zum Schmunzeln an, doch was will man bei einer inmitten der 90er umgesetzten Serie anderes erwarten? Lustig waren auch immer diese klischeebehafteten Situationen, einen Blitz grad dann aufleuchten zu lassen, sobald ein Charakter etwas besonders Kraftvolles gesagt hat. Und obwohl der Wirbelsturm selbst eher schwach ausfiel, verfehlte er nicht seine Wirkung und erfüllte dennoch seine Funktion, um die diversen Charaktere zusammenzubringen, was die interessanten Szenen und Konfrontationen mit sich brachte.
Streitthema: Beschneidung
Hierzu lässt sich nur wenig wiedergeben, da es eine zu sehr untergeordnete Rolle spielt. Man versäumte es bislang Joeys Schwester Bessie und deren Mann Bodie präsent genug in die Serie einzubinden. So fällt es jetzt noch schwer, bei deren Streitigkeit um die Beschneidung mitzufiebern. Man kann nur hoffen, dass sich das nun ändern wird. Denn Potential bergen beide Charaktere und im Zusammenspiel von Jens Großmutter ergaben sich doch einige bissige Dialoge, die zu überzeugen wussten.
Fazit
Bislang die beste Episode in der Debütstaffel, wofür hauptsächlich die Eskalation um Gails Affäre sorgt. Dies brachte interessante Charakterbegebenheiten, nachvollziehbare Aussagen und Emotionen mit sich. Die Hauptstory überzeugt absolut, ebenso Jens Enthüllungsdrama und Paceys pikante Situation mit Tamara und seinem Bruder Doug. Die Katastrophe selbst, also der Hurricane, ist nur Mittel zum Zweck und ist deshalb nicht sehr beachtenswert. Abgesehen davon eine mitreißende Episode.
Samuel W. - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: HurricaneErstausstrahlung (US): 17.02.1998
Erstausstrahlung (DE): 31.01.1999
Regie: Lou Antonio
Drehbuch: Kevin Williamson+Dana Baratta
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