Synchronsprecher-Reportage: Dawson & Co. lernen deutsch

Wer bisher gedacht hat, daß man eine Synchronisation mal eben zwischendurch erledigt muß sich, wie wir, eines besseren belehren lassen. Die meisten Filme und Serien, die wir im Fernsehen oder im Kino zu sehen bekommen werden derzeit in Berlin bearbeitet. Dort gibt es ungefähr 3000 Synchronsprecher, von denen aber nur ein paar hundert zum engeren Kreis gehören. Angesichts der Masse an Material, das vor allem aus den USA zu uns herüber geschwemmt wird kann man sich gut vorstellen, daß es da für alle Beteiligten sehr viel zu tun gibt. Weitere Szenen gibt es noch in München und in Hamburg, die aber beide bedeutend kleiner sind als Berlin.

Das erste, was einem an dem Atelier (so heißen die da) auffällt ist das kleine Tonstudio, in dem gerade mal der Dialogregisseur Erik Paulsen und der Tontechniker Platz haben. Die neue Digitaltechnologie machts möglich das gesamte Equipment auf engstem Raum unterzubringen. Obwohl Erik Paulsen die Tonqualität bei der Digitaltechnologie als schlechter einstuft als früher. Davor, durch eine Glasscheibe getrennt, befindet sich der wesentlich größere Sprechraum. Die gesamte Synchronisation ist generalstabsmäßig und professionell aufgezogen. Eine Folge ist in sogenannte Takes aufgeteilt, das sind kleine Filmschnipsel von ein paar Sekunden Länge. Jeder Sprecher ist für eine bestimmte Arbeitszeit eingeteilt und kann sich vorab über eine Zusammenfassung der Folge über das Geschehen informieren.

Prinzipiell wird jeder Charakter für sich einzeln aufgenommen, daß mehrere Sprecher gleichzeitig anwesend sind ist eher selten. Die Sprecher stehen dann im Sprechraum an einem Pult mit dem Drehbuch und bekommen auf einer Art größerem Fernseher den entsprechenden Take vorgespielt, zuerst auf englisch, den sie dann ohne Ton in deutsch nachsprechen. Erik Paulsen legt großen Wert darauf, daß die Sprecher dabei stehen und nicht etwa sitzen. Jeder der schon einmal den Versuch gemacht hat im Stehen zu telefonieren weiß warum. Mit anwesend im Sprachraum ist zusätzlich der Cutter, in diesem Fall eine Cutterin. Da kein Mensch exakt lippensynchron sprechen kann, wird die Aufnahme später von dem Cutter nachbearbeitet und den Charakteren die Worte praktisch in den Mund gelegt. Daher muß zu einer Szene nicht nur der Regisseur, sondern auch der Cutter sein okay geben, ob er eine Szene so nachbearbeiten kann.

Wir haben uns mit Erik Paulsen auch über die Besonderheiten der deutschen Drehbücher unterhalten. Wenn man hier von einer bloßen "Übersetzung" spricht empfindet er das fast als Beleidigung, da das weit über das bloße übersetzen hinausgeht. Das fängt schon damit an, daß man viele "Insidergags" aus dem Amerikanischen nicht ins Deutsche übertragen kann, da sie hierzulande niemand verstehen würde. Schöne Beispiele hierfür sind Szenen, in denen über Persönlichkeiten gesprochen wird, die hierzulande niemand kennt. Erik Paulsen hält nicht viel davon dann einfach eine deutsche Persönlichkeit zu nehmen, so daß solche Szenen meist komplett umgeschrieben werden. Ein anderes Beispiel sind Sportarten, die in Deutschland nicht so bekannt sind, wie das sehr komplizierte Football (siehe dritte Staffel). Hier muss der Autor der deutschen Texte versuchen die komplizierten Regeln vor dem deutschen Publikum weitestgehend zu verbergen.

Die Frage ist allerdings, ob man dieses "Downwriting" in einigen Fällen nicht übertreibt und so Witz oder einige Differenzierungen auf der Strecke bleiben. Als Beispiel hierfür sei zum Beispiel die Namensgebung zu nennen. Im Original nennt Dawson seine Freundin recht häufig nur "Jo", im deutschen wird daraus grundsätzlich ein "Joey". Da er das nicht willkürlich, sondern in bestimmten Situation macht, geht diese Differenzierung bei uns verloren. Erik Paulsen gibt als Begründung dafür an, daß man in Deutschland Probleme mit 2 verschiedenen Namen hätte und "Jo" nicht als Mädchenname einstufen würde und sie wollen damit Beschwerden aus dem Weg gehen. Wir sind eher der Meinung, daß Veränderungen solcher Art zu weit gehen aber darüber kann man zumindest diskutieren.

Trotzdem müssen wir den Beteiligten großen Respekt vor ihrer Arbeit zollen. 12-Stunden Tage sind keine Seltenheit für die Sprecher. Was zum einen an der zu geringen Anzahl an guten Sprechern liegt, weshalb wir die gleichen Sprecher recht häufig in verschiedenen Rollen hören, aber auch an der argen Terminnot. Die Amerikaner schicken die Folgen zum Teil erst sehr spät. Folge #316, die schon vor vielen Wochen in den USA lief, fand erst sehr viel später den Weg zur Synchronisation nach Deutschland. Bis Ende Mail muß die komplette Synchronisation der 3. Staffel abgeschlossen sein, aufgrund der Tatsache, daß die Ausstrahlungen in den USA auch erst im Mai zu Ende sein werden ein fast aussichtsloses Unterfangen. Auch gibt es zu wenig gute Sprecher, da diese zum einen über eine gute Stimme und zumindest über Schauspieltalent verfügen müssen.

Reine Synchronisation ist vermutlich schwerer als Schauspielerei vor der Kamera, da die Sprecher Emotionen nur über die Stimme ausdrücken können und einzelne Szenen zum Teil nicht zusammenhängend synchronisiert werden. Die meisten Sprecher sind schon als Kinder zu dem Job gekommen, weil sie von Familienangehörigen mitgenommen wurden. So ist zum Beispiel Dascha Lehmann durch ihren Vater und Gerrit Schmidt-Foß durch seinen Bruder Dennis Schmidt-Foß in diese Branche gerutscht. Große Ambitionen auch vor die Kamera zu treten haben aber zumindest Dennis und Dascha nicht, da sie die Anonymität gegenüber der Schauspielerei schätzen.

Abschließend möchten wir nur noch erwähnen, daß wir jetzt doch einige Dinge mit anderen Augen sehen. Uns interessiert einmal Eure Meinung zu dem Thema. Was gefällt Euch und was nicht? Schreibt mir was Ihr auf dem Herzen habt. Konstruktive Kritik oder aber auch positives Feedback werde ich weiterleiten.

Wir bedanken uns bei den Sprechern Gerrit und Dennis Schmidt-Foss, sowie Dascha Lehmann und dem Dialogregisseur Erik Paulsen für die freundliche Aufnahme und die Zeit, die sie sich für uns genommen haben.

Frank Wild - myFanbase

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