Review: #1.05 Das Kuckucksei
Eine Auflistung aller klassischen Westernmotive wäre nicht komplett, wenn der gute, alte Überfall auf die Postkutsche fehlen würde. Egal ob die Täter maskierte Halunken mit Revolvern oder aber Tomahawk schwingende Indianer waren, am Ende gab es zumeist viele Tote, eine zerstörte Kutsche und arbeitslose Pferde. Auch "Defiance" greift dieses sehr traditionelle Westernszenario auf. Natürlich ist die Postkutsche hier keine echte Kutsche, sondern vielmehr eine Mischung aus Truck und Omnibus, doch das grundsätzliche Prinzip bleibt bestehen. Wie eine Postkutsche des Wilden Westens ist der Überlandbus, den Nolan und Amanda Richtung Las Vegas nehmen, eines der wenigen öffentlichen Verkehrsmittel und fährt größtenteils durch unbewohnte, raue Gebiete voller Gefahren, um Personen, Waren und Geld von A nach B zu bringen.
Der Überfall auf den Bus erfolgt sowohl von außen, als auch von innen, denn zwei der Täter befinden sich im Fahrzeug und entpuppen sich erst im Laufe der Ereignisse als Schuldige. Nolan und Amanda tragen am Ende den Sieg davon und können verhindern, dass Defiance einen großen Teil seiner Stadtkasse verliert, doch genau wie nach der gewonnenen Schlacht gegen die Volge und der Verhinderung der Atomexplosion, haben sie eigentlich nur Symptome bekämpft, ohne die Krankheit zu kennen. Sie wissen nicht, wer hinter allem steckt und worum es wirklich geht. Defiance ist ein Spielball heimtückischer Mächte. Nicolette Riordon und Mr. Birch wollen die Stadt zerstören, um an einen bestimmten Gegenstand zu kommen, und die Republik Erde, die offizielle Vertretung der Menschheit, will sich Defiance einverleiben, möglicherweise aus einem identischen Grund wie Nicolette und Birch.
Die postapokalyptische Postkutschen-Story wird durch einige interessante Details aufgepeppt. So hat die verräterische Botschafterin Olfin Tennety gleich zwei Ehemänner namens Kaspar und Ziggy. Polygamie, die Vielehe, ist im Jahr 2046 legal und hat sich als ein mögliches Konzept des Familienlebens durchgesetzt. Die Männer von Tennety sind selber keine starken Persönlichkeiten und haben für sich eine vermeintlich gute Überlebensstrategie gefunden, indem sie das treue, fügsame Gefolge einer mächtigen Karrierefrau bilden, doch da sich Tennety als intrigantes Miststück entpuppt, das nicht viel auf das Leben ihrer Gatten gibt, erweist sich die Polygamie für Kasper und Ziggy letztlich als Reinfall. Kasper wird getötet und Ziggy hängt sich an eine andere starke Frau, an Rynn, die mit dem Bus eigentlich ins Gefängnis überführt werden sollte, im Zuge der Ereignisse aber von Amanda begnadigt wird. Die harte, vom Leben gezeichnete Irathierin Rynn und der eher verweichlichte, furchtsame Mensch Ziggy ergeben eine groteske Kombination, die so wenig stimmig ist, dass sie tatsächlich auf seltsame Art funktionieren könnte. Es wäre definitiv nicht ohne Reiz, die beiden irgendwann einmal wiederzusehen.
Während Nolan und Amanda mit dem Überfall beschäftigt sind, wird in der zweiten Handlung dieser Folge Irisas Hintergrund beleuchtet. Wir erfahren, was sie damit gemeint hat, als sie zu Tommy sagte, dass Nolan sie gerettet hat, indem er ihre Eltern tötete. Irisa ist momentan für mich das Herzstück der Serie. Die Heldenrolle und die Funktion des charismatischen Cowboys hat Nolan inne, keine Frage, aber Irisa bringt das Besondere hinein, die dramatischen, faszinierenden und emotionalen Momente.
Am Ende dieser Episode schlafen Irisa und Tommy miteinander. Da sich der Charakter Tommy bisher weitestgehend nur darauf beschränkt, total gebannt von Irisa zu sein und immer aufzutauchen, wenn sie ihn gerade braucht, bin ich noch nicht wirklich angetan von dieser Romanze. Von Tommy muss einfach mehr kommen als das ewig gleiche Muster.
Zeit für ein kleines Zwischenfazit nach fünf Episoden: "Defiance" zeigt derzeit ein stabil gutes Niveau, ohne Ausreißer nach unten oder oben. Man hat nicht unbedingt das Gefühl, bahnbrechende, herausragende Science-Fiction zu sehen, aber die Serie bietet immer wieder bemerkenswerte Augenblicke und interessante Aspekte, die sich auf unsere Gegenwart beziehen lassen, auf die reale Vergangenheit anspielen oder an bekannte Film - und Literaturstoffe erinnern. Es stecken noch viele Möglichkeiten in dieser Serie, auch die, doch irgendwann herausragend zu werden.
Maret Hosemann - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The Serpent's EggErstausstrahlung (US): 13.05.2013
Erstausstrahlung (DE): 16.10.2014
Regie: Omar Madha
Drehbuch: David Weddle, Bradley Thompson
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