Bewertung
Henry Sellick

Coraline

"You know, you could stay forever, if you want to. There's one tiny thing we have to do first..."

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Inhalt

Die 11-jährige Coraline (Dakota Fanning) verlässt gemeinsam mit ihren Eltern Mel (Teri Hatcher) und Charlie (John Hodgman) ihr komfortables Leben in der Stadt, wovon sie gar nicht begeistert ist, und bezieht eine Wohnung in einer abgelegenen, heruntergekommenen Villa auf dem Land, die mittlerweile zum Mehrfamilienhaus umfunktioniert wurde. Coralines vielbeschäftigte Autoren-Eltern schenken ihr kaum Beachtung und so ist Coraline sehr schnell gelangweilt und macht sich auf Erkundungstour. Dort trifft sie Wyborne Lovat, genannt "Wybie", der ohne Punkt und Komma redet und ihr den Aufenthalt auch nicht so recht zu versüßen vermag.

Alles ändert sich, als Coraline einer kleinen Maus hinterher jagt und dabei auf eine Geheimtür mitten in der Villa trifft. Auf der anderen Seite dieser Tür stößt sie auf ihre persönliche Traumwelt, mit einer "anderen" Mutter und einem "anderen" Vater, die ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen und sich alle Zeit der Welt nehmen, um sie zu beeindrucken und zu umsorgen. Außerdem ist der "andere" Wybie auch dort zu finden und hält endlich mal die Klappe. Für Coraline ist es daher zu verschmerzen, dass diese "Anderen" dort Knöpfe tragen, wo ihre Augen sein sollten – bis von ihr verlangt wird, auch ihre Augen gegen Knöpfe zu tauschen.

Kritik

2002 sorgte Neil Gaiman, seines Zeichens Autor zahlreicher angesehener Fantasy- und Science-Fiction-Bücher und Comics, für einen Paukenschlag mit der Veröffentlichung seines Kinderbuchs "Coraline", das sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen begeistert aufgenommen wurde. Schnell wurden erste Vergleiche mit Kinderbuchklassikern wie "Alice im Wunderland" bemüht. Dementsprechend war es nur eine Frage der Zeit bis die Vorlage des Autors der legendären "Sandman"-Reihe und Mitautors von "Good Omens" auch verfilmt würde – insbesondere nachdem es zudem bereits ein Musical, ein Comic und ein Videospiel zu "Coraline" gibt. Mit der undankbaren Aufgabe, dem Original gerecht zu werden, wurde Henry Selick betraut, der wiederum mit dem Trickfilm-Musical "The Nightmare Before Christmas" gezeigt hat, dass er durchaus dazu in der Lage ist.

Auch wenn Selick meint, dass "Coraline" für tapfere Kinder eines jeden Alters zu empfehlen sei, so gibt es verständlicherweise einige Stimmen, die davon abraten, den Kindern diesen Film zu zeigen. Denn "Coraline" kann für Kinder durchaus verstörend wirken und Albträume verursachen, dies allerdings nicht wegen irgendwelcher blutigen Bilder oder ähnlichem, sondern einzig und allein wegen der Story (der eigenen Augen bestohlen zu werden, kann getrost als Horrorvision eines jeden Kindes angesehen werden) und der einmaligen Andersartigkeit. Coraline Jones ist nämlich kein süßes kleines Mädchen, sondern schwierig im Umgang, beschwert sich oft und freundet sich nur ungern mit jemandem an. Doch genau deswegen spricht sie das Publikum sehr schnell an, weil sie deutlich öfter die Stimme des Zuschauers zu verkörpern scheint wie die zahllosen naiven Dummchen im selben Alter, die die anderen Filme aus dem Genre bevölkern. Coraline hat Ecken und Kanten, ihr Verhalten ist nur in seltenen Fällen vorhersehbar, sie ist zudem witzig und intelligent. Und genau deswegen wächst sie einem schnell ans Herz.

Auch Coralines Eltern sind alles andere als typisch für einen Kinderfilm. Sie sind immerzu beschäftigt und abgelenkt, im Fall von Coralines Mutter teilweise auch ziemlich zänkisch und machen auch sonst oft den Eindruck, als würde ihre gemeinsame Tochter sie nicht nur davon abhalten, den Gartenkatalog fertig zu stellen, sondern im Allgemeinen nahezu unmögliche Wünsche äußern. Deswegen hören sie Coraline auch nur sehr selten wirklich zu, deswegen scheint sie ihnen manchmal gar regelrecht lästig zu sein. Während also die "andere" Welt all das verkörpert, was einem sonst so in den Kinderfilmen präsentiert würde, steht die reale Welt in krassem Kontrast dazu.

Zu Coraline und ihren Eltern gesellen sich die Bewohner von Dachgeschoss und Kellergeschoss der zum Mehrfamilienhaus umfunktionierten Villa. Da wäre im Dachgeschoss Mr. Bobinsky (im Original von "Deadwood"-Star Ian McShane gesprochen, der in der Vergangenheit Synchronsprecher zahlreicher Rollen war), ein russischer Emigrant und riesiger Akrobat mit seinem eigenen Springmäusezirkus. Im Kellergeschoss lassen sich die beiden ehemaligen britischen Varietékünstlerinnen und Schwestern Miss Spink und Miss Forcible finden, die drei Scottish Terrier halten und bei denen eine Vielzahl an ausgestopften Exemplaren der Terrier-Vorfahren die Wand schmücken. Selbstverständlich darf auch die sprechende Katze nicht fehlen, die Coraline wichtige Hinweise gibt und sie vor ihrem eigenen Verderben schützt.

Nicht nur, dass diese einfallsreichen Charaktere in Kinderfilmen sonst kaum zu finden sind, denn schließlich ist selbst die Katze viel mehr als der nervtötende sprechende Sidekick, wie er in anderen Genrevertretern immer und immer wieder dargestellt wird. Auch äußerlich stellen sich die Charaktere deutlich gegen das mittlerweile als Standard etablierte US-Bild. So lassen sie die sanften Linien von US-Animationen vermissen, sind unförmig und entweder spindeldürr oder wohlgenährt und wirken animationstechnisch eher europäisch als US-amerikanisch. Allgemein ist die Stop-Motion-Animation extrem gut gemacht. Während in der realen Welt so viel Farbe wie möglich aus der Umgebung gezogen wird, zeigt die andere Welt farbenfrohe und teilweise schlichtweg atemberaubende Bilder. Teilweise wurde zwar mit CGI nachgeholfen, aber die wichtigsten Elemente wurden allesamt durch Stop-Motion-Animation und mit viel Liebe zum Detail realisiert.

Zusammen mit einem Score von Bruno Coulais, der unter die Haut geht, entwickelt der Film einen Charme der Originalität, dem man sich nicht verschließen kann. Der Look ist originell, die Story ebenso wie auch die Charaktere. Alles wirkt neu und andersartig. Dieser Umstand zieht einen sofort in das Geschehen mit ein und es vergeht keine Sekunde, die man diesem nicht vollkommen gebannt folgt. Es kann aufgrund der erfrischenden Unvorhersehbarkeit für einen Großteil der Handlung nicht nur alles geschehen, man weiß auch nie, welcher Geniestreich, der die tolle Optik unterstreicht, als nächstes kommt. Praktisch nebenbei wird dabei noch eine Botschaft transportiert, die aktueller nicht sein könnte: Es ist wichtig für Kinder, das echte Leben kennenzulernen, zu erfahren, dass nicht alles perfekt ist und dass man dies auch nicht zu erwarten hat. Und manchmal sorgen sich diejenigen, die einen lieben, eben einfach nicht genug um einen selbst während manchmal andere, die sich um einen sorgen, einen nicht unbedingt lieben, und falls doch, dann nicht zwingend auf die gesündeste Art und Weise.

Fazit

"Caroline" ist furchteinflößend, seltsam, charmant, ungemein witzig und intelligent, bizarr und doch wunderschön anzusehen. Ein Film, der sich um Konventionen nicht schert und deswegen vor Originalität nur so strotzt. Wenn man bedenkt, mit welchen Märchen Kinder im Normalfall aufwachsen, ist "Coraline" übrigens auch nicht kinderunfreundlicher, dafür aber durchaus interessanter.

Andreas K. - myFanbase
10.01.2010

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