Bewertung
Spike Lee

25 Stunden

"Scheiß auf mich? Scheiß auf dich! ..."

Foto: Copyright: Touchstone Pictures
© Touchstone Pictures

Inhalt

Montgomery Brogan (Edward Norton) wollte eigentlich mit dem Drogenhandel, welchen er schon seit seiner Schulzeit betreibt, aufhören, doch dabei kommen ihm zwei Fahnder dazwischen, die seine komplette Wohnung auf den Kopf stellen und dabei ein Kilogramm Heroin finden. Für dieses Vergehen bekommt "Monty" eine siebenjährige Gefängnisstrafe. Einen Tag, also 24 Stunden vor seinem Haftantritt möchte sich Monty noch von seinen Freunden verabschieden, sich mit seinem Vater treffen und den Verräter ausfindig machen, dem er diese Strafe zu verdanken hat. Unter den Verdächtigen befindet sich sogar seine langjährige Lebensgefährtin Naturelle Riviera (Rosario Dawson).

Bei seiner Abschiedstour mit seinen zwei besten Freunden Jacob Elinsky (Philip Seymour Hoffman und Francis Xavier Slaugherty (Barry Pepper) sowie Naturelle besuchen Sie den Club eines russischen Drogenbosses, der Monty zu Ehren eine Abschiedsfeier veranstaltet. Innerhalb dieses Zeitraumes stellen sich alle die Frage, wer Schuld an diesem Unglück und der Gesamtsituation haben kann.

Kritik

Ein Film, der ein Jahr nach den Anschlägen auf das World Trade Center entstand und in dem so viel Leidenschaft für eine Stadt gezeigt wird, wie sie nur selten zuvor gesehen wurde. Spike Lees "25 Stunden" behandeln deprimierend den Werdegang eines Mannes, der eine Haftstrafe auf sich nehmen muss, weil ein Mensch ihn verraten hat. Natürlich staut sich so große Wut an, und anstatt dass diese gegen eine andere Person gerichtet wird, wird sie auf einen selbst gerichtet. Die Rede ist von einem Monolog, welchen Edward Norton brillant darbietet und der womöglich von keinem anderen Schauspieler hätte übertroffen werden können. Die sogenannte Spiegel-Szene ist letztlich das A und O in dem gesamten Film, denn in ihr befindet sich alles, was ein Mensch - nein, ein ganzes Volk - denkt, aber zeitgleich liebt und verehrt, da es so das Leben spannender und interessanter macht.

"...Ich scheiß auf dich und die ganze Stadt und alle die da wohnen! Ich scheiße auf die Schnorrer, die dein Geld haben wollen und dich hinter deinem Rücken auslachen. Scheiß auf den Fensterputzer, der meine saubere Windschutzscheibe vollschmiert. Soll er sich doch einen Job besorgen! Scheiß auf die Sikhs und die Pakistani, die wie die bescheuerten in ihren Rostlauben die Avenues runterbrettern und aus jeder Pore nach Curry stinken bis man selbst danach riecht. Terroristen in Ausbildung, fahrt gefälligst langsamer!..."

Dies ist der Beginn seines Monologes, der an sich nicht viel herzugeben scheint, doch wer genauer hinsieht, merkt, dass hier der immer vorhandene Rassismus in einem Menschen herrscht, der Hass auf diejenigen, die nicht seines eigenen würdig sind und die Angst die geschürt wurde, da die Menschen sich nirgendwo mehr sicher fühlen können und so all jene als Täter zur Diskussion stehen, die verdächtig wirken. Großzügig gestaltet sich das ganze natürlich erst dann, wenn der Versuch unternommen wird, das Ganze zu interpretieren, das Gesagte zu verstehen und eine Satire darauf zu finden. Letztlich können wir nur darüber lachen, wie Monty unsere heutige "Bedrohung" in den Dreck zieht und es komplett verharmlost. Ein Terrorist soll gefälligst langsamer fahren? Natürlich! Schließlich ist es gefährlicher durch einen Autounfall zu sterben, als durch einen Anschlag eines Terroristen, denn das Autofahren ist zu einem der letzten Überbleibsel der menschlichen Freiheiten im Wahn des gesamten Terrorschutzes in den USA geworden. Ein wenig erinnert das Ganze auch an eine komödiantische Einlage von Volker Pispers, wenn genauer hingeschaut wird.

Ebenso erscheint die Intoleranz aller beispielsweise auf die gleichgeschlechtliche Liebe:

"...Scheiß auf die Chelsea-Schwuchteln mit ihren glattrasierten Brüsten und antrainiertem Bizeps, die sich in Parks und auf den Piers gegenseitig einen abkauen und mit ihren Schwänzen auf dem offenen Kanal rumwedeln...

Seine Verachtung allen gegenüber die sich nicht seiner Moralvorstellung anzupassen scheinen, die jeder von uns durch eine konservative Erziehung erdulden musste und die sich heute immer noch wie ein Geschwür in den Köpfen vieler Menschen einnistet, obwohl einem doch nie etwas getan wurde. Heißt es nicht in einigen Verfassungen "Jeder Mensch ist gleich" und doch wirkt dieses Naturgesetz fast schon ironisch, wenn die Menschheit sich Probleme schafft, die eigentlich nicht sein müssten.

Aber nicht nur den zu unrecht Beschuldigten widmet der Monolog eine Passage. Auch den Wallstreet-Börsianern, so als hätte 2002 schon ein Kritiker mit am Film gearbeitet, wird eine Zeile geopfert:

"...Scheiß auf die Wallstreet-Broker, die sich selbst ernannt haben zu Herrschern dieser Welt. Michael Douglas - Gordon Gecko möchtegern-Immitationen, die es doch nur darauf anlegen, rechtschaffende und hart arbeitende Menschen abzocken zu können. Diese ganzen Enron-Arschlöcher sollte man lebenslänglich in den Knast stecken!...

Wie war das noch einst? Gewinne privatisieren und Schulden sozialisieren, und als Dank erntet der arme Investmentbanker nur Hohn und Hass. Wieso, fragt er sich aber, schließlich hat er seine Arbeit nur zum Wohle seiner Kunden gemacht, und das sind ganz gewöhnliche Kleinanleger gewesen. Was oft als Stammtischgelaber abgestempelt wird, durfte endlich als intellektuell wertvolles Argument verwendet werden. Doch das ist genauso schnell verpufft wie die allgemeine Diskussion in der Welt über den fast entstandenen Kollaps der Weltwirtschaft. Doch Monty schert dies nur deshalb einen Dreck, da er seine Freiheit, in diesem Wahn mitmachen zu dürfen, verspielt hat.

Die Frage ist: Verschließen wir erneut die Augen, oder öffnen wir sie endlich und verändern wir etwas. Die Antwort ist zugleich eine Frage: Was ist der einfache Weg? Jaja, Wir sind ganz schön naiv.

Nun, warum greift Monty wohl die Broker auf? Sein Freund Frank ist einer, und dadurch hat er einen guten Einblick in diese Welt der Herrscher. Sie sind zum Großteil nichts anderes als kleine Angsthasen, die außerhalb ihres Geschäftes keine Eier haben - so sagte es Oliver Kahn - um privat etwas richtig auf die Beine zu stellen. Frank, der Junggeselle, der sich nie traut eine Frau anzusprechen, aber jeden Tag Millionen umsetzt. Barry Pepper, welcher in der Regel in Kriegsfilmen zu sehen ist, musste hier diesmal sehr charakterstark agieren, um diese Ambivalenz darstellen zu können. Gelungen ist dies alle mal, denn fatal wäre es für seine Schauspielkarriere geworden, wenn ihm dies nicht gelungen wäre. Seine beiden Arbeitskollegen sind ja schließlich Edward Norton und Philip Seymour Hoffman. Und Hoffman durfte in "25 Stunden" einmal mehr einen psychisch fragileren Menschen spielen. Um genau zu sein, spielt er einen Lehrer, der Neigungen zu einer seiner Schülerinnen aufbaut, welche er nur schwer verstecken kann. Und trotz seiner vielen fabelhaften Darstellungen und Auftritte, konnte er mich erneut verblüffen.

Nicht umsonst nahm Spike Lee ihn für diese Rolle, denn der Fokus und die Kamera zielen gemeinsam auf ein Ziel, und das ist das Gesicht und der darin befindliche Mensch. Wäre ein Anfänger vor den Kameras, könnten solche langgezogenen Szenen, wie beispielsweise der Treppenaufgang von Hoffman, niemals die Gänsehaut erzeugen, wie sie nun entstand.

Habe ich jetzt so viel von lediglich einer Szene gesprochen und ein wenig von den Darstellern, so muss ich auch zwangsweise vom Drehort sprechen. Dieser ist New York, und wird meistens von seiner verschwenderischen, vergänglichen und zerstörten Seite gezeigt. Einprägend für den Film ist die fast schon schöne Aussicht auf Ground Zero. Klingt krank, aber wieso sonst machte Lee Kunst daraus? Natürlich um damit ein Zeichen zu setzen, aber er nahm dem Ganzen den Patriotismus und gab dafür Ruhe und den Weg nach vorne. Dem Memento Mori schenkte er ein wenig Carpe Diem und das zur schwersten Stunde eines Mannes - Monty - einer Stadt und einer Nation. Dummerweise ist Kunst noch nie ein ausschlaggebender Wegweiser von Politik gewesen. Schade eigentlich.

Fazit

Die meisten Filme dienen der Unterhaltung, dieser Film dient dieser zwar auch, doch so viel Sozialkritik in nur zwei Stunden muss erst einmal verarbeitet werden. Seltsamerweise, und das ist gleichzeitig das Gute, predigt "25 Stunden" in keinster Weise eine zu vertretende Moral.

Technische Details

Format: PAL, Dolby Surround Sound
Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch,Hebräisch, Italienisch,Kroatisch, Spanisch, Türkisch
Region: 2
Bildformat: 16:9 - 2.35:1
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Studio: Touchstone
Erscheinungstermin: 29.01.2004

Ignat Kress - myFanbase
21.07.2010

Diskussion zu diesem Film