Bewertung

Review: #4.03 Allein auf der Welt

Foto: Jasika Nicole, Fringe - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Jasika Nicole, Fringe
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Eigentlich müsste man bei #4.03 Alone in the World das böse L-Wort benutzen, denn wenn wir einmal von den letzten Minuten absehen, so handelt es sich bei #4.03 doch größtenteils um eine Lückenfüllerepisode. Doch bei "Fringe" sind solche Lückenfüllerepisoden schon lange nichts mehr Schlechtes. Im Gegenteil, manchmal verstecken sich hinter diesen Folgen wahre Perlen der Serie. Erinnern wir uns doch zurück an die Episode #2.18 Die weiße Tulpe. Der Fall um Alistair Peck, der ohne Rücksicht auf menschliche Verluste versuchte, zurück in die Vergangenheit zu reisen, um seine verstorbene Frau zu retten, brachte den eigentlichen Handlungsbogen der Serie zwar kein bisschen weiter, hatte dafür aber anderes zu bieten. So wurde der Fall an sich sehr spannend inszeniert, der Charakter Alistair Peck und dessen Hintergrundgeschichte so einfühlsam in Szene gesetzt, dass man ihm für einen Gastcharakter ungewohnt viel Sympathien entgegenbrachte und die grandiose Szene zwischen Walter und Alistair, in der beide über Verluste und Schicksal philosophieren, gehört heute noch zu meinen Lieblingsmomenten der Serie. Ja, war ein wahres Meisterwerk an vermeidlicher "Fall der Woche"-Folge, dessen tolle Qualität mir irgendwie erst im Laufe der Zeit klargeworden.

An diese Qualität kam #4.03 definitiv nicht heran, hatte aber dennoch tolle Momente hervorzuweisen. Besonders diejenigen, die, wie ich, Walters mangelnde Screentime in #4.02 One Night in October bedauert haben, kommen in dieser Folge voll auf ihre Kosten – ebenso wie die ehemaligen "Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI"-Zuschauer unter uns, denn der Fall der Woche hätte wirklich aus den X-Akten stammen können - und zeigt uns ganz nebenbei, dass es nicht gerade die klügste Idee ist, sich mit einem pilzähnlichen Organismus anzufreunden, das in einem Tunnel lebt ... auch dann nicht, wenn es den niedlichen Namen Gus trägt.

Gus

Denn darum drehte sich der Fall der Woche: um einen merkwürdigen Organismus, der einem riesigen Nervensystem ähnelte und zwei Kinder tötete, indem es sich von ihnen ernähte und die Kinder daraufhin binnen kürzester Zeit verwesten. Der Fall war wirklich spannend zu verfolgen, zumal es nicht von Anfang an klar war, um was es sich bei dem Organismus wirklich handelt. So gab es interessante Entwicklungen, wie etwa der plötzlich Sporenaustritt aus den Leichen samt Knalleffekt, der späteren Erkenntnis, dass es sich um keinen Pilz, sondern um einen eigenständigen Organismus handelt und letztendlich die Tatsache, dass der Organismus, den Walter den Namen Gus verlieh, in psychischer Verbindung mit einem Jungen namens Aaron stand. Noch dazu hat die CGI-Abteilung wirklich tolle Arbeit geleistet, denn die Effekte in dieser Episode haben richtig überzeugen können. Umso erstaunlicher ist es deshalb, weil "Fringe" nicht gerade eine hohe Einschaltquote aufzuweisen hat und das zur Verfügung stehende Budget daher recht übersichtlich ausfallen dürfte. Aber gut, wenn acht der Hauptcharaktere von lediglich vier Darstellern gespielt werden müssen, spart man wohl an einige Stellen. Auch atmosphärisch konnte der Fall im Übrigen überzeugen, insbesondere die letzten Szenen im Tunnel hätten kaum bedrohlicher und spannender inszeniert werden können und noch kein Tatort hat bei "Fringe" eine solch gruselige Atmosphäre hervorgerufen, wie die Pathologie nach der Infektion mit Gus.

Aaron

Der eigentliche Star der Folge war jedoch nicht Gus, sondern ein kleiner Junge namens Aaron, der dabei war, als zwei andere Jungen durch Gus starben. Mit Kindercharakteren sympathisiert man ja generell schnell und so dauerte es wirklich nicht lange, bis man Aaron ins Herz geschlossen hatte. Und so waren die besten Momente der Folge jene, die sich zwischen ihm und Walter abspielten. Es war eine echte Abwechslung, Walter mal wieder mit einem Kind zusammen interagieren zu sehen und seit spätestens #2.20 Brown Betty wissen wir, was für niedliche Szenen dabei herauskommen können. Auch Aaron hatte, wie bereits Alistair Peck, eine Parallele zu Walter, die die gemeinsamen Szenen nur umso interessanter machten: beide fühlen sich allein auf der Welt und scheinen niemanden zu haben, der sie aufrichtig liebt. Bei Aaron sind es weder seine Mutter, noch sein Vater, denn letzterer ist tot und die Mutter befindet sich in Europa. Und Walter? Nun, dieser hat keinen Peter mehr und während einem der sehr gelungenen Momente zwischen Aaron und Walter wurde auch endlich klar, wieso: Wie ich es bereits vermutet hatte, wurde Peter ist dieser Realität nicht von dem Beobachter September aus dem eiskalten Reiden Lake gerettet und ertrank. Peter hat also sehr wohl existiert, weshalb die Worte des Beobachters ("He [Peter] never existed") ein wenig in die Irre führten.

Von all den Szenen zwischen Walter und Aaron, deren Highlight für mich im Übrigen eindeutig der Moment war, als sie sich mit einem Milchshake und Aluhüten bedeckt gegenübersaßen, stellte für mich die Szene, in der Walter Aaron verzweifelt versuchte zu überreden, von Gus loszulassen, leider einen kleinen Schwachpunkt da. Zum einen war ich generell kein Fan der Wendung, dass Gus und Aaron eine psychische Verbindung aufgebaut haben. Ein kleiner Junge freundet sich mit einem widerwärtigen, pilzähnlichen Organismus an, nur weil er sich einsam fühlt? Oder konnte Gus Aaron diesbezüglich manipulieren? An dieser Stelle fehlten mir die Erklärungen und das soll schon etwas bedeuten, denn mittlerweile komme ich gut damit klar, dass "Fringe" häufiger Fragen offen lässt.

So ärgert es mich zum Beispiel auch nicht, dass wir gar nicht erfahren haben, woher Gus eigentlich stammt und wie es in den Tunnel gelangt ist. Aber wie es dem Organismus gelungen ist, eine so starke psychische Verbindung zu Aaron herzustellen, dass der Junge letztlich sterben würde, würde auch Gus sterben ... hm, da wäre eine (pseudo)wissenschaftliche Erklärung vielleicht gar nicht so schlecht gewesen. Ein wenig irritiert von dieser Wendung, ging es dann gegen Ende heiß her, als Gus ein Gift injiziert wurde und nun auch Aaron dabei war, zu sterben, würde er nicht von Gus loslassen. Die darauffolgende, oben schon erwähnte Szene mit Walter wurde zwar herausragend gespielt, aber bediente sich doch mächtigen Klischees. Das soll nicht bedeuten, dass ich diese Szene schlecht fand, sondern einfach, dass die vorherigen unbefangeneren Szenen einfach schöner waren, in denen es nicht so hochdramatisch zuging und uns nicht so offensichtlich noch einmal verdeutlicht wurde, wie einsam sich Walter ohne Peter fühlt. Dafür entschädigte man uns danach mit einer richtig rührenden Szene, die gleichzeitig für ein großes Schmunzeln sorgte, als Walter Aaron Peters Spielzeugfigur schenkt: "Toys are meant to be played with. Yes, I've seen the movie with the talking toys ... oddly disturbing."

Der Rest des Teams hatte in dieser Folge hingegen recht wenig zu tun, denn im Prinzip sahen wir Olivia, Lincoln und Co. größtenteils nur von einem Ort zum nächsten hetzen, wobei sich immer mehr das Gefühl etablierte, dass man mit Lincoln einen würdigen (vorläufigen?) Ersatz für Peter gefunden hat. Denn auch in dieser Episode harmonierten Lincoln und Olivia gut miteinander und Lincolns "Hey, you look a little freaked out. Do you wanna talk about that" zu Olivia, als er beinahe Gus zum Opfer fiel, war ein herrlicher Moment. Nichtsdestotrotz konnte die Folge vor allem dank Walter punkten und es war wundervoll, ihn a) in dieser Episode so sehr im Mittelpunkt zu sehen und b) ihn weniger von seiner depressiven und verstörten Seite zu zeigen.

"A shared vision like this, he must be real. And if he's real, we have to find him."

Natürlich kam diese Seite aber auch in #4.03 immer mal wieder zum Vorschein, denn Walter leidet nach wie vor unter Halluzinationen und Stimmwahrnehmungen. Gelungen war das Wiederauftauchen seines Psychiaters Dr. Sumner, den wir zuletzt in #1.08 Die Gleichung zu Gesicht bekommen haben. Auf Walters Angst, er könne wieder zurück in die Psychiatrie geschickt werden, hätte man ruhig etwas näher drauf eingehen können, auch wenn das an dieser Stelle irgendwie einen kleinen Widerspruch darstellt, da ich ja ganz froh war, dass man Walters Psyche nicht mehr ganz so in den Vordergrund rückte. Eine schöne Alternative wäre es allerdings gewesen, die anderen Charaktere auf Walters Verhalten genauer reagieren zu lassen. So schauten sich Astrid und Broyles zwar besorgt mit an, wie Walter wiedereinmal ein sehr merkwürdiges Verhalten an den Tag legte, aber noch mal zur Sprache kam das Ganze nicht wirklich.

Für einen ordentlichen Schocker sorgten die letzten Minuten der Folge, die uns richtig deutlich machten, wie verzweifelt Walter wirklich ist: Olivia findet Walter in seinem Labor vor, wo er gerade dabei war, an sich selbst eine Lobotomie vorzunehmen, damit die fremden Stimmen in seinem Kopf endlich verschwinden. Fest hatte ich damit gerechnet, dass man uns mit dieser Einstellung zurücklässt. Denn nun, wo Olivia die Intensität von Walters Verzweiflung richtig miterlebt hat, hätte man sich in der nächsten Folge auf Olivias Sorgen fokussieren können, dass Walter an einem anderen Ort vielleicht wirklich besser aufgehoben wäre. Doch stattdessen überrascht uns "Fringe" mit einer Tatsache, die uns Zuschauern bisher vorenthalten wurde: Peter scheint nicht nur mit Walter Kontakt aufnehmen zu wollen, sondern auch mit Olivia. Und das wiederum erscheint auch logisch, denn bisher hatten sich bestimmt schon einige gefragt, weshalb Peter eigentlich nur Walter zu kontaktieren versucht, nicht aber seine große Liebe. So stehen wir am Ende dieser Folge vor einer enorm interessanten Entwicklung: Sowohl Walter als auch Olivia sehen immer wieder den gleichen Mann und wollen daher herausfinden, bei wem es sich bei dieser Person handelt.

Mit dieser überraschenden Wende am Ende der Folge keimen somit Hoffnungen auf, dass ordentlich Schwung in die Peter-Storyline kommt und wir es in den kommenden Folgen nicht mehr mit einem solch desolatem Walter zu tun haben werden. Zudem wird es interessant sein zu sehen, wie Olivia und Walter die Identität Peters herausfinden wollen. Von Olivia im Tank bis hin zu einem erneuten LSD-Trip wäre so gut wie alles möglich.

Fazit

Ein spannender und interessanter Fall, ein sehr sympathischer Gastcharakter und tolle Szenen zwischen jenem und Walter – insgesamt punktete #4.03 Alone in the World also mit exakt den gleichen Zutaten, wie auch schon #2.18 Die weiße Tulpe, wobei ein Wermutstropfen bleibt: Das Ganze fand auf einem deutlich niedrigerem qualitativen Niveau statt, denn die emotionale Intensität, die #2.18 mit sich brachte, konnte diese Folge bei weitem nicht erreichen.

Der momentane Stand

Nach den ersten drei Folgen der vierten Staffel bleibt also festzuhalten, dass "Fringe" nach wie vor gute Unterhaltung liefert: Die bisherigen Fälle konnten überzeugen und auch charaktertechnisch lieferte man bisher einige sehr gelungene Szenen. Ganz zufrieden bin ich zur Zeit allerdings noch nicht, was weniger mit dem Handlungsstrang um Peter zu tun hat, als mit der Unklarheit, wohin diese Staffel eigentlich noch führen wird. Nach #3.22 Der Tag, an dem wir starben hatte ich fest erwartet, dass die vierte Staffel den Fokus auf die Rettung beider Universen legt – denn das war ja überhaupt erst der Grund, weshalb Peter die Brücke zwischen den beiden Welten gebaut hat. Doch diese Thematik liegt momentan auf Eis. Zwar kam es in #4.02 zu einer Zusammenarbeit beider Welten, diese begrenzte sich allerdings nur auf die Kooperation bei einem für die Handlung unwichtigen Fall. Wenn man bedenkt, dass unsere Welt in den letzten drei Episoden der dritten Staffel noch kurz vor dem Untergang stand, dann ist es schon ein wenig ärgerlich, dass man seit dem Finale kein bisschen darauf eingegangen ist. Somit fehlt es momentan an einem wirklichen roten Faden. Ungewöhnlich ist das für "Fringe" nicht gerade, denn auch in der ersten Staffel dauerte es bis #1.07 Der geheimnisvolle Mr. Jones, bis die Staffelhandlung mal ein wenig Form bekam und in der zweiten Staffel kam die Handlung erst mit #2.10 Die Tür langsam in Schwung, als man das erste Mal Newton in Aktion erlebte. Aber so viel Zeit soll sich die vierte Staffel bitte nicht lassen, die bisher zwar auf jeden Fall unterhalten, uns Zuschauer aber bei weitem noch nicht so fesseln kann, wie es die dritte Staffel zu Beginn getan hat.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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