Bewertung

Review: #2.04 Der Garten der Knochen

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Jack Gleeson, Game of Thrones
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Obgleich "Game of Thrones" offenkundig dem Fantasy-Genre zugeschrieben wird, ist ein Großteil derjenigen Elemente, die man diesem Genre zuordnen würde, bisher eher marginal behandelt und dergestalt auch gezeigt worden. Wir wissen um die Existenz von Drachen und Schattenwölfen und auch im Hohen Norden, fernab der Mauer, scheint sich das ein oder andere übernatürliche Wesen rumzutreiben. Blickt man jedoch auf die erste Staffel der Serie zurück, so bekommt man fast den Eindruck, als wären die wenigen Gespräche über zauberhafte Wesen und die Magie der Welt eher Märchen, mit denen man versucht die Welt und ihren Ursprung zu erklären. Die Geschichten der Alten Nan beispielweise erschienen immer eher wie Mythen, die man auch in unserer Realität kennt, von waghalsigen Helden und schauderhaften Ungeheuern. Einen wirklichen 'Beweis', dass diese Mythen der (Serien-)Realität entspringen, haben wir jedoch so gut wie gar nicht bekommen, denn selbst die prophetischen Träume von Bran, die Drachengeburt mit Daenerys oder das Auftauchen der Weißen Wanderer, sind alle mehr oder weniger fernab von der Kernhandlung in Westeros gewesen, dass man sie bisher niemals wirklich als einen so zentralen Aspekt der Serie empfunden hat.

Diese Episode jedoch zeigt, dass es keinen Rauch ohne Feuer gibt, sodass diejenigen Zuschauer, die die Romanvorlage nicht kennen und sich auch von (Buch-)Spoilern fern halten, durch die Schlussszene mit Melisandre erkennen müssen, dass uns bisher keine 'Märchen aufgetischt' wurden und alles Magische sich lediglich fernab von Westeros abspielt. Nein. Die Fantasy-Elemente der Serie haben spätestens mit dieser Episode ihren Einzug in alle Handlungsstränge gefeiert und als Zuschauer muss man sich nun nicht mehr lediglich mit den Machtkämpfen und Intrigen der einzelnen Häuser auseinander setzen, sondern auch immer damit rechnen, dass ein übernatürliches Element eingeflochten werden kann, welches die Karten noch einmal vollkommen neu mischen könnte. Entsprechend vermag diese Schlussszene ein Wachrüttler sein, der die eigenen Erwartungen an die Serie und deren Handlungsstränge neu strukturiert bzw. vielmehr erweitert. Persönlich muss ich gestehen, dass die Szene für mich immer noch befremdlich erscheint, jedoch bin ich mehr als gespannt, ob der weiteren Entwicklungen in dieser Richtung und demgemäß der (für mich neuen) Möglichkeiten, die der Serie damit eröffnet werden.

"Leave her face. I like her pretty."

Neben diesem – für mich befremdlichen, wenn auch keinesfalls negativen – 'Gamechanger', stechen vor allem wieder einmal die Szenen von Joffrey und Tyrion heraus, die mich Woche für Woche dazu verführen der Porträtierung selbiger von Jack Gleeson und Peter Dinklage Genialität zu bescheinigen. Jack Gleeson verkörpert den sadistischen Jungen, der seine Position als König ausnutzt, um seine eigene körperliche sowie geistige Unterlegenheit, durch die Ausübung von Macht, die ihm lediglich aufgrund seines Geburtsrechts und der Angst seiner Untertanen, selbst den Tod ins Auge blicken zu müssen, gegeben ist, so dermaßen genial, dass man kurzzeitig vergisst, hier lediglich ein Schauspiel zu beobachten. Auch wenn man nicht anders kann, als diesem torhaften Bengel den Serientod an den Hals zu wünschen, hoffe ich inständig, dass Joffrey uns noch einige Zeit erhalten bleibt, da Jack Gleeson in dieser Rolle einfach nur atemberaubend ist.

Gleiches gilt für Peter Dinklage, der natürlich zu Recht bereits in der ersten Staffel von "Game of Thrones" vom 'The New York Times Magazine' zu einem der "Acht Schauspieler, die Fernsehen in Kunst verwandelt haben" ernannt, sowie mit einem Emmy ausgezeichnet wurde. Entsprechend konnte er in der ersten Staffel als intelligenter und schlagfertiger Trunkenbold, der die Gesellschaft von Huren und Aussätzigen genießt, sich niemals davor scheut die Dinge beim Namen zu nennen und seinen eigenen Stand in der Gesellschaft reflektiert wahrnimmt, mehr als überzeugen. In der zweiten Staffel ist Tyrion nun durch seinen Vater zur Rechten Hand des Königs ernannt worden, und muss sich entsprechend erstmals mit den politischen Machtspielchen selbst befassen, anstatt lediglich als Zaungast zu fungieren. Und als Zuschauer kommt man nicht umher sich zu wünschen, dass Tyrion selbst auf dem Eisernen Thron sitzen würde, scheint er doch derjenige in ganz Westeros zu sein, der als einziger die Strukturen durchschaut, Persönliches und Politisches fein säuberlich trennen kann und durch seine Intelligenz alle anderen in den Schatten zu stellen vermag. Seit Jahren von allen nur als Krüppel und Missgeburt gesehen, ist Tyrion ein Charakter der nicht nur weiß, wie die Menschen um ihn herum ticken, welche Schwachstellen sie haben und welche Stärken sie besitzen, er ist gleichermaßen ein Sympathieträger durch und durch. Die Moralvorstellung und Ehrenhaftigkeit, die Eddard Stark über alle Maßen an den Tag legte, und die letztlich zu seinem Niedergang führte, findet sich in Tyrion mit einer gesunden Portion Realismus wieder, die ihn hoffentlich am Leben erhalten wird. Seine Grundüberzeugungen scheinen sich nämlich nicht groß von denen Eddards Starks zu unterscheiden, jedoch ist Tyrion keinesfalls so töricht zu glauben, dass das Gute letztlich siegen wird. Und so hat er bereits in der letzten Episode bewiesen, dass er keine Scheu hat, sich die Hände auch mal schmutzig zu machen und auch in dieser Episode zeigt sich, dass Tyrion weiß, welche Strippen er zu ziehen hat, um seinem Ziel ein Stück näher zu kommen.

"Joffrey. Cersei. Ilyn Payne. The Hound. Polliver. The Mountain."

Aryas gebetshafte Auflistung derjenigen Personen, an denen sie sich eines Tages rächen will, war ein wunderbarer Verweis auf die Geschichte von Yoren, die er in der vergangenen Episode, kurz vor seinem Tod erzählt hat. Mehr noch zeigt diese Szene, dass aus dem kleinen unschuldigen Mädchen, dass sich sträubte den Konventionen einer Lady zu folgen, inzwischen eine wahre Kriegerin geworden ist, die sich hartnäckig am Leben hält. Es ist erschreckend, wie schnell dieses verspielte Mädchen erwachsen werden musste, was es in ihren jungen Jahren schon erlebt hat, und von welchen Albträumen sie verfolgt wird. Maisie Williams beweist Woche für Woche, dass sie ihren Schauspielkollegen in Nichts nachsteht und man darf mehr als gespannt sein, ob der Entwicklungen, die Arya Stark noch machen wird und auf welchen Wegen man sie als Zuschauer begleiten darf.

Ich hoffe inständig, dass auch Joe Dempsie alias Gendry sie auf diesen Wegen begleiten wird. Nicht nur, weil die beiden eine wunderbare Chemie haben, sondern vor allem auch, weil Gendry sich mit jeder Episode mehr als Charakter in der Gesamthandlung beweist und derzeit zumindest einen spannenderen Handlungsstrang als Hauptcharakter Robb Stark vorzuweisen hat. Immerhin ist Tywin Lannister darüber informiert, dass Gendry ein erfahrener Schmied ist, sodass Hoffnung besteht, dass Gendry vorerst nicht das Zeitliche segnen muss.

Die Ausgangssituation für Arya (und Gendry) gestaltet sich in jedem Fall mehr als spannend für die kommenden Episoden, sind sie doch beide Gefangene von Tywin Lannister, der wahrscheinlich noch keine Ahnung hat, welcher 'Schatz' sich im Angesicht seines derzeitigen Krieges mit Robb Stark in seinen Händen befindet. In jedem Fall lässt Tywins grandiose Beobachtung, dass es sich bei Arya um ein Mädchen handelt, und sein trockener Kommentar zu seinen Männern, erstmals erkennen, dass er der Vater von Tyrion ist, sodass man zumindest Hoffnung dahingehend hegen mag, dass er Gnade walten lässt, sollte er jemals Aryas wahre Identität erfahren.

"I don't like you Lord Baelish."

Lord Baelish macht sich im Auftrag von Tyrion auf den Weg zu Catelyn Stark, die sich derzeit bei Renly Baratheon aufhält, und wird direkt von allen mit Missmut und Verachtung empfangen. Ein Empfang, den dieser Charakter nicht zuletzt durch seinen Verrat an Eddard Stark mehr als verdient hat. Daraus entwickeln sich herrlich amüsante Szenen zwischen Petyr Baelish und den anderen Charakteren, sei es Renlys Ansage, dass er ihn absolut nicht leiden kann, Margaerys "The whole notion of marrige seems to confuse you. So allow me to explain." auf seine unangebrachten Nachfragen, oder sein verzweifelter Versuch Catelyn anzudeuten, dass die ganzen Ereignisse eventuell dafür gut waren, dass sie nun endlich zusammen sein können.

Und so sehr man sich darüber freuen kann, dass Lord Baelish kategorisch Abweisung erfährt, geben die Szenen mit ihm dann doch nicht viel mehr her als die pure Belustigung des Publikums. Zumindest bei seiner Verhandlung mit Catelyn zeigt er dann wieder sein wahres Gesicht, indem er einfach eiskalt behauptet, dass nicht nur Sansa, sondern auch Arya sich im 'Besitz' des Königs befinden. So sehr er sich auch nach Catelyn sehnen mag, ist und bleibt er die falsche Schlage, als die wir ihn kennen gelernt haben und sein verschmitztes Gesicht bei der Übergabe von Neds Überresten, macht dies noch einmal deutlich.

Ansonsten bleibt zu den Geschehnissen in Sturmkap zu sagen, dass das Aufeinandertreffen von Renly und Stannis Baratheon für mich zu einer der genialsten Szenen dieser Episode zählt. Herrlich, wie die beiden Brüder sich gegenseitig den Thron streitig machen wollen, auf dem am Ende wahrscheinlich keiner von beiden sitzen wird.

"The desert around their walls is called the garden of bones. Every time the Qartheen shut their gates on a traveller, the garden grows."

Obgleich dem Handlungsstrang um Daenerys in dieser Episode nicht nur viel Platz eingeräumt wurde, sondern sich auch der Episodentitel in einem Gespräch zwischen ihr und Jorah Mormont wieder findet, vermögen sich die Ereignisse auf dem östlichen Kontinent nicht sauber in den Gesamtzusammenhang der Episode einfügen. Ein Grund dafür ist das unterschiedliche Setting, welches in dieser Episode deutlicher denn je ist. Ist uns bisher zumindest immer in Königsmund eine nicht ganz so düstere und triste Kulisse geboten worden, sind Daenerys Szenen in dieser Episode die einzigen, die den Anschein von Licht und Wärme suggerieren. Entsprechend wirken diese Szenen jedes Mal als ein Bruch in der Gesamthandlung der Episode, der den Zuschauer aus den bedrückenden Treiben in ganz Westeros herauszieht.

Auf dem Papier funktioniert dies wahrscheinlich wunderbar, zumal man als Zuschauer prinzipiell dankbar dafür sein kann, dass man eine kurze Auszeit vom düsteren Setting eines sadistischen Königs, trostlosen Kriegsopfern und streithungrigen Brüdern bekommt. Bedenkt man jedoch, dass dem Zuschauer hier vermittelt werden soll, dass Daenerys und ihre Dothraki am Hungertuch nagen und kurz vor ihrem eigenen Tod durch Wassermangel stehen, so geht dieser Schachzug leider nicht auf. Zwar wirkt auch die kahle Wüstenlandschaft irgendwie bedrohlich, jedoch längst nicht so grausam, wie die Szenen, die sich zur gleichen Zeit in allen anderen Handlungssträngen abspielen. Einzig die letzte Einstellung, die uns einen Blick in die fruchtbare Stadt Qarth zeigt, verdeutlicht, was die Szenen in der trockenen Wüste für Daenerys und ihre Leute bedeutet haben - jedoch ist es dann leider auch schon zu spät.

Nichtsdestotrotz beeindruckt zumindest die Szene vor den Toren von Qarth ungemein durch die Bestimmtheit von Daenerys. In genau solchen Szenen, in denen es Emilia Clarke gelingt, Daenerys plötzlich weniger als eine Dothraki statt vielmehr als eine königliche Targaryen darzustellen, blüht der Charakter Daenerys auf und lässt sie als eine wirkliche 'Bedrohung' im Kampf um den Eisernen Thron erscheinen.

Persönliche Eindrücke und Randnotizen

Auch wenn ich es sehr charmant finde, dass man bisher auf die Darstellung von große Schlachten verzichtet und demnach keine wertvollen Minuten mit endlosen Kriegsszenen vergeudet, wird dadurch jedoch irgendwie die Bedrohlichkeit des Krieges geschmälert. Es sollte entsprechend zumindest eine große Schlacht in dieser Staffel auch on screen gezeigt werden, anstatt den Zuschauern lediglich die Auswirkungen dieser zu präsentieren.

Gibt es einen plumperen Weg einen love interest für Robb Stark einzuführen, als seine einzige Szene auf dem Schlachtfeld? Nach wie vor wird Richard Madden leider lediglich die Rolle als eye candy zuteil, obwohl er in den wenigen Szenen zeigt, dass er eigentlich viel mehr kann.

War es nur meine subjektive Wahrnehmung, oder sollte Sandor Clegane diesmal wirklich etwas sympathischer dargestellt werden? Erneut geschieht dies im Zusammenhang mit Sansa Stark, die bereits in #1.04 Krüppel, Bastarde und Zerbrochenes von Kleinfinger über die Vergangenheit von Sandor aufgeklärt wurde und schwören musste, dies niemals zu erwähnen. Es wäre mehr als spannend, wenn sich genau zwischen diesen beiden Charakteren ein Bündnis entwickeln würde.

So offensichtlich, wie die Bruderschaft in dieser Episode eingeführt wurde, scheint dies eine Vereinigung gegen die Lannisters zu sein, die uns in Zukunft noch häufiger begegnen wird. Dennoch kam die Erwähnung selbiger ein wenig zu unverhofft und man hätte durchaus noch ein paar mehr Informationen dazu preis geben können.

Der Vorspann von "Game of Thrones" kann mich jedes Mal aufs neue begeistern, vor allem, wenn die neuen Orte auf der Landkarte hinzugefügt werden und dadurch die Erwartungen an die Episode bereits so unterschwellig in die Höhe getrieben werden.

Fazit

Die Handlung in Königsmund rund um Joffrey und Tyrion bildet erneut den Höhepunkt dieser Episode, während in den jeweiligen anderen Handlungssträngen eher einzelne Szenen brillieren. Trotz vieler interessanter und guter Elemente in dieser Episode, kann die Gesamtkomposition von #2.04 Garden of Bones leider nicht so sehr überzeugen, wie die ihre Vorgänger dieser Staffel. Zusätzlich wirkt die letzte Szene der Episode befremdlich und hinterlässt den Zuschauer entsprechend mit einem fahlen Beigeschmack.

Annika Leichner - myFanbase

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