Review: #3.09 Der Regen von Castamaer
Üblicherweise ist das Finale einer Staffel die Folge, die den meisten Eindruck hinterlässt und den Zuschauer überrascht, schockiert und schlichtweg überwältigt. Die Finalfolgen der bisherigen "Game of Thrones"-Staffeln sind zweifellos großartige Episoden – und doch sind es zumindest für mich jeweils die vorletzten, die neunten Folgen, die mich besonders berührt und erschüttert haben. In #1.09 Baelor war es die Hinrichtung von Ned und in #2.09 Schwarzwasser die totale Fokussierung auf die Schlacht von Schwarzwasser, die den Zuschauer fassungslos vor dem Fernseher zurückließen. Mit #3.09 Der Regen von Castamaere krönen D.B. Weiss und David Benioff diese Tradition und bringen eine Szene auf die Bildschirme, die einem schlichtweg den Atem raubt: die Rote Hochzeit.
"The wine will flow red and the music will play loud and we will put this mess behind us."
Wie bei den vorherigen neunten Folgen war auch diesmal für Buchkenner schon anhand des Titels völlig klar, was diese Episode mit sich bringen würde und ich muss zugeben, dass ich mir diesmal wirklich gewünscht habe, die Bücher nicht zu kennen. Denn ich konnte mich während der ersten 44 Minuten kaum auf das Geschehen konzentrieren, wohlwissend was am Ende der Folge geschehen wird, und habe nur darauf gewartet und gleichzeitig gefürchtet, dass das unheilvolle Lied von der Gnadenlosigkeit der Lannisters angestimmt wird. Und dabei ist die Vorbereitung dieser Szene über die ganze Folge so wunderbar konzipiert, dass man einfach jedes kleinste Detail, jede Andeutung aufsaugen und auf masochistische Art genießen muss, weil das unbewusste Aufbauen der unheilschwangeren Atmosphäre schlichtweg genial ist.
Natürlich ist man als Zuschauer genau wie die Starks skeptisch und vorsichtig, ob Walder Frey den Eidbruch und die damit einhergehende Demütigung so schnell vergessen kann. Aber der Lord teilt mit seinen Gästen Brot und Salz und gewährt ihnen damit das Gastrecht. Diese heilige und seit Jahrhunderten praktizierte Tradition besagt, dass ein Gast seinem Gastgeber während seines Aufenthalts kein Leid zufügen darf – und dasselbe gilt für den Gastgeber gegenüber seinem Gast. Frey ist schmierig und unangenehm wie immer, aber gerade dadurch wirkt sein gönnerhaftes Verständnis für Robbs Entscheidung, die bildhübsche Talisa zu heiraten, fast schon ehrlich. Und letztlich gibt er Edmure seine mit Abstand schönste Tochter zur Frau, eine versöhnliche, verzeihende Geste von Seiten Freys, wie es scheint. Walder Frey wiegt die Starks in Sicherheit – ebenso, wie Benioff und Weiss den Zuschauer in Sicherheit wiegen, eine trügerische Harmonie aufbauen, nur um am Ende umso schockierender die Hölle losbrechen zu lassen.
Verstärkt wird diese scheinbar zuversichtliche Stimmung durch Arya, die nach ihrer Flucht aus Königsmund und den vielen Steinen, die ihr auf dem Weg nach Winterfell, zu ihrem Zuhause, zu ihrer Familie in den Weg gelegt wurden, ausgerechnet von Sandor Clegane in Aussicht gestellt bekommt, ihre Mutter und ihren Bruder in Kürze wiederzusehen. Und wer könnte es ihr verübeln, dass sie nach der Odyssee, die sie hinter sich hat, immer wieder ungläubig auf die vor ihr liegenden Zwillinge starrt, um sich zu versichern, dass sie tatsächlich nur noch wenige Stunden von ihrer Familie entfernt ist? Dieses Bild ist eine so wunderbare Metapher für Hoffnung und Vorfreude – und doch schwingt auch hier schon, wie Sandor andeutet, ein Hauch von Zweifel, von Skepsis mit, der die unterschwellig bedrohliche Atmosphäre fast schon greifbar macht.
Aber man lässt sich als Zuschauer nur zu gerne die Scheuklappen aufsetzen, um all die unheilvollen Elemente wie Boltons Ehebündnis mit den Freys oder den eingesperrten Grauwind auszublenden und daran zu glauben, dass es für die Starks endlich ein Happy End geben wird, dass das Gute über das Böse, der Zusammenhalt der Starks über die Dysfunktionalität der Lannisters (oder auch der Freys), Robbs Moral gegen Tywins Intrigen siegen wird. Und dann erklingen die ersten Töne von "The Rains of Castamere", die einem einen eisigen Schauer über den Rücken jagen und klar stellen: hier gibt es kein Happy End. Zumindest nicht für die Zuschauer und ganz sicher nicht für die Starks.
Was sich in den folgenden knapp sieben Minuten abspielt ist kaum zu begreifen, nicht nur weil sich die Ereignisse komplett überschlagen, sondern weil die Ruchlosigkeit und Hinterhältigkeit von Frey, Bolton und nicht zuletzt Tywin Lannister als Mastermind des Massakers schlichtweg unfassbar sind. Ein schockierender Moment jagt den nächsten und ich ziehe meinen Hut vor Benioff, Weiss und vor allem auch vor Michelle Fairley, Richard Madden und Maisie Williams, die es schaffen, inmitten dieses Chaos drei der berührendsten und traurigsten Augenblicke zu kreieren. Robb, der seine auf brutalste Weise ermordete Frau in den Armen hält und spätestens daraufhin jede Gegenwehr und jeden Lebenswillen einzustellen scheint. Arya, die mitansehen und –hören muss, wie Grauwind getötet wird und genau weiß, dass diese Tat gleichbedeutend mit dem Tod ihres Bruders ist. Und natürlich Catelyn, die bittet und droht und verhandelt und trotzdem ohnmächtig mitansehen muss, wie ihr erstgeborener und darüber hinaus scheinbar einzig verbliebener Sohn umgebracht wird. Kaltblütig erstochen von ihrem eigenen Gefolgsmann auf Befehl der Lannisters – der Erzfeinde, die ihr bereits ihren Mann genommen und damit den Untergang ihrer Familie eingeleitet haben.
Dieses Ende ist überwältigend und mitreißend und lässt den Zuschauer in bitterer Fassungslosigkeit zurück mit dem Wunsch, George R. R. Martin, David Benioff und D.B. Weiss persönlich dafür zu geißeln. Und ihnen gleichzeitig den allerhöchsten Respekt für die meisterhafte Umsetzung einer der besten und verstörendsten Szenen überhaupt zu zollen.
"He's a crow, he'll always be a crow!"
Ein Geniestreich ist außerdem die Parallelität zu den Storylines von Bran und Jon. Genau wie bei Arya, Robb und Catelyn ist das Aufeinandertreffen der Familienmitglieder greifbar nahe und wie bei der Roten Hochzeit kommt es auch im Norden zur Eskalation der lange schwelenden Feindschaft zwischen Jon und Orell. Denn als es darum geht, einen unschuldigen Pferdezüchter umzubringen, kann Jon sich nicht wie bei Qhorin Halbhand überwinden, sondern versagt in dem Test, den Orell ihm auferlegt hat. In den vergangenen Folgen wurde immer wieder deutlich, wie schwer es Jon fällt, gegen seine wahre Gesinnung zu handeln und interne Informationen der Nachtwache preiszugeben, wohlwissend, dass er damit die Position seiner Brüder schwächt.
Nun also ist der Moment gekommen, in dem er sein Dasein als Spion aufdeckt, weil er sein Handeln nicht mehr mit seinen Moralvorstellungen vereinbaren kann. Wie bereits Ned wird auch seinem Bastard die eigene Aufrichtigkeit und Integrität zum Verhängnis – und ebenso wie Neds Tod wird auch Jons Abkehr von den Wildlingen ihre Konsequenzen haben. Denn wie schwer Jons Verrat wiegt, lässt sich deutlich an den ungläubigen und schockierten Gesichtern von Tormund und Ygritte ablesen. Gerade diese beiden, die immer auf seiner Seite standen und ihn gegen die anderen Wildlinge verteidigt haben (und bei Ygritte sogar obwohl sie von seiner eigentlichen Haltung wusste), werden nun buchstäblich von Jon im Regen stehen gelassen und haben mit Orell noch dazu ihren Warg und damit eines der wertvollsten Instrumente im Kampf gegen die Nachtwache verloren. So sehr man mit den Starks als Protagonisten mitleidet, muss man doch eingestehen, dass die ehemaligen Bewohner Winterfells viel verbrannte Erde hinter sich lassen.
Nichtsdestotrotz lässt einem die Tatsache, dass Bran seinem Halbbruder mithilfe seiner Fähigkeiten und in Gestalt von Sommer zur Hilfe eilt, ihm das Leben rettet und zur Flucht verhilft, schlichtweg das Herz aufgehen – vor allem, nachdem Bran Rickon freudestrahlend davon berichtet und die beiden Brüder einen wunderschönen, intimen Moment miteinander teilen. Doch auch diese Stark-Gemeinschaft wird gesprengt, denn Bran erkennt, dass Jojen mit allem Recht hatte und dass er sich jenseits der Mauer begeben muss, um die wahre Bestimmung seiner Fähigkeiten herauszufinden. Und der Abschied der beiden jüngsten Stark-Kinder, der in der Chronologie der Folge vor dem Massaker bei der Roten Hochzeit stattfindet, ist bestens geeignet, um den traurigen, emotionalen Teil dieser Folge einzuleiten. Das Zusammenspiel von Isaac Hempstead Wright und Art Parkinson ist zutiefst bewegend und so überzeugend, dass man wieder einmal herausstellen muss, wie perfekt die Charaktere aus den Büchern besetzt wurden. Ein herzzerreißender Moment, der dazu führt, dass sich die Wege zweier Mitglieder der Stark-Familie wieder einmal trennen – und ob es je zu einem Wiedersehen der Brüder oder gar zu einem Aufeinandertreffen aller verbliebenen Starks kommt, das weiß George R.R. Martin allein.
"The city is yours, my queen."
Einzig Danys Storyline fügt sich nicht so recht in dieses grandios konzipierte Mosaik aus Hoffnung, Schock und Trauer und lenkt von der dichten Handlung bei den Zwillingen und im Norden fast schon störend ab. Die Einnahme von Yunkai kann mit der Intensität der restlichen Folge nicht mithalten und so kommt es während dieser Szenen zu einem Spannungsabfall, der wirklich schade ist. Dadurch, dass ein Verrat durch Daario Naharis möglich ist und Dany bei einem Hinterhalt die beiden Anführer ihres Heeres verlieren könnte, passt die Handlung in der Sklavenbucht auf dem Papier durchaus gut zur Roten Hochzeit. Doch in der Umsetzung kommt eigentlich nie ein tatsächlicher Zweifel an Daarios Absichten auf und auch die Kampfszenen in Yunkai schaffen es aufgrund der deutlichen, wenn auch irritierenden, Überlegenheit von Ser Jorah, Daario und Grey Worm nicht, dass die nötige Spannung aufkommt.
Dany bleibt, im Gegensatz zur Brandschatzung von Astapor, außerhalb des Geschehens und daher sehr blass. Auch ihre Motivation, Daario zu vertrauen, wird nicht nachvollziehbar dargestellt – außer, dass sie ganz offensichtlich Gefallen an ihm findet und das entgeht auch Ser Jorah nicht. Die Dynamik zwischen den beiden Männern, die um die Gunst und das Vertrauen von Dany buhlen, war mit Abstand das Interessanteste an dieser Storyline, vor allem Ser Jorahs Reaktion darauf, dass Dany nicht nach seiner und Grey Worms Rückkehr erleichtert ist oder nach der positiven Meldung, dass die Sklavensoldaten von Yunkai ihre Waffen nieder gelegt haben, sondern erst, als auch Daario unversehrt bei ihr auftaucht. Diese Dynamik bleibt allerdings zu subtil, um den Gesamteindruck der Storyline merklich zu steigern und ich bin definitiv der Meinung, dass es besser gewesen wäre, sich in dieser Folge nur auf die Starks (abzüglich Sansa) zu fokussieren.
Fazit
Mit der Inszenierung der Roten Hochzeit haben David Benioff und D.B. Weiss die Erwartungen der Fans voll erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen. Für Buchkenner war der Abschied von Robb, Catelyn und Talisa hochemotional und trotz des Vorwissens unglaublich traurig, für Nicht-Buchkenner gehört diese Folge bestimmt zum Schockierendsten, das sie je im Fernsehen gesehen haben. Das parallel gesetzte Beinahe-Aufeinandertreffen von Jon, Bran und Rickon hat perfekt zu den Szenen bei den Zwillingen gepasst und die Folge wunderbar rund gemacht. Lediglich die Storyline um Dany und die Einnahme Yunkais wirkte wie ein Fremdkörper, deshalb der Punktabzug.
Lena Stadelmann - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The Rains of CastamereErstausstrahlung (US): 02.06.2013
Erstausstrahlung (DE): 16.03.2014
Regie: David Nutter
Drehbuch: David Benioff & D.B. Weiss
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