Bewertung

Review: #1.02 Vagina Panik

Nach dem gelungenen Auftakt geht es in der zweiten Folge "Girls" nun gleich ans Eingemachte: Eine Folge, in der es um Themen wie AIDS, Kinderwünsche, Abtreibung und riskante Witze über Vergewaltigungen geht und die zu einem Großteil in einer Abtreibungsklinik spielt, ist mindestens riskant, zeigt aber schon deutlich den Weg auf, den Lena Dunham in ihrer Serie bereit ist zu gehen. Unerschrocken packt sie diese Themen in einer Folge voller Wahrhaftigkeit, leichtem Irrsinn und cleverem, sich auch vor kleineren Geschmacklosigkeiten nicht drückenden Humor und trifft damit meistens den richtigen Ton.

"I almost came."

Schon in der zweiten Folge ist klar, dass sich in "Girls" vieles um die Komplikationen moderner romantischer Beziehungen drehen wird. Direkt anschließend an die Pilotfolge geht es also auch in der zweiten um die unterschiedlich geführten Beziehungen von Hannah und Marnie. Dabei ist der Einstieg in diese Folge gleich ein überaus eigenartiger, verstörender, in seiner Inszenierung aber irgendwie auch ziemlich humorvoller: Wir sehen Hannah und Adam, ähnlich wie schon in der Pilotfolge, bei einer ihrer absonderlichen Sex-Rollenspiele, in denen der sonst stets distanziert wirkende Adam vollends aufzugehen scheint, Hannah hingegen wirkt da eher wenig begeistert, versucht die Fantasien Adams aber so gut es eben geht zu erfüllen. Wie diese Sexszene inszeniert ist und mit welcher Kreativität Adam da ans Werk geht, ist schon auf eine ganz eigene Art und Weise ziemlich unterhaltsam. Noch besser sind aber die Reaktionen Hannahs, die das Spiel ab und an mit der Wirklichkeit verwechselt und sich diesen merkwürdigen sexuellen Gedankenspielen Adams zwar nicht ganz hingeben kann, sich schlussendlich aber trotzdem zufrieden über dieses Mindestmaß an Zuneigung von einem Typen freut, der sich auch mal über zwei Wochen einfach nicht meldet. Was genau Hannah an diesem schrägen, leicht selbstverliebten Künstlertypen genau findet, wurde noch nicht wirklich deutlich und ist aus dem bisher gezeigten auch nicht wirklich ableitbar.

Eine ganz anders geartete Beziehung führt dagegen Marnie, die mit ihrem Freund Charlie bereits seit vier Jahren zusammen ist und ein wenig mehr Abwechslung und Abenteuer gut vertragen könnte. Grundsätzlich wird Charlie weiterhin als zu perfekter, leicht langweiliger, aber zuverlässiger Typ vorgestellt, der es Marnie einfach nicht recht machen kann. Das Feuer ist langsam aus dieser Beziehung gewichen und lässt sich ganz schwer wieder entfachen. Die Gegenüberstellung von den Sex-Praktiken Hannahs und Marnies war in diesem Sinne auch durchaus interessant und verdeutlichte nur weiter das eingefahrene Beziehungsmodell der sonst so perfektionistischen Angestellten einer angesagten Galerie. Auf ganz unterschiedliche Art und Weise befinden sich Hannah und Marnie in komplett dysfunktionalen Beziehungen, die einerseits von zu viel Nähe und Eintönigkeit und andererseits von zu viel Distanz und Wahnsinn geprägt sind. Daraus resultiert dann aber auch gerade ein schön geschriebener, bittersüßer Humor.

"Zitat fehlt noch"

Neben diesem Beziehungsaspekt drehte sich die Folge im Kern um die anstehende Abtreibung, zu der sich Jessa nach der Schwangerschaftsbeichte in der Pilotfolge entschlossen hat. Besonders bei einer amerikanischen Serie, auch wenn sie im Kabelfernsehen läuft, ist das Thema Abtreibung weiterhin ein recht heikles. Darum schert sich Lena Dunham aber nicht wirklich und geht das Thema, wie alle anderen in dieser Serie auch, recht offensiv an. Würde man in standardisierten Serien-Schemata denken, hätte gerade diese Schwangerschaftsthematik noch einen wesentlich größeren Raum eingenommen, doch hier wird dieses Thema schon recht relativ schnell wieder als beendet erklärt. Die Abtreibung wird schließlich auch für Jenna zum Anlass genommen, sich generell mal näher mit ihren Zukunftsvorstellungen und ihrer Familienplanung auseinanderzusetzten. Die eher in den Tag hineinlebende Kosmopolitin, für die das Leben im Hier und Jetzt einen zentralen Stellenwert einnimmt, muss sich plötzlich mit schwerwiegenden lebensweltlichen Problemlagen auseinandersetzten und kommt damit nicht wirklich klar. Gerade diese Serie dreht sich zentral um junge Frauen, die sich in einer verlängerten Zwischenphase zwischen Herumtreibenlassen und ernsthafter Lebensplanung befinden und irgendwie versuchen, ihre Vorstellungen von einem gelungenen Leben umzusetzen.Hannah wurde durch die finanzielle Streichung ihrer Geldressourcen durch ihre Eltern mit der harten Realität konfrontiert und Jessa nun durch eine ungewollte Schwangerschaft. Dass sie sich schließlich auch vor dieser Entscheidung zunächst drücken will und statt in die Abtreibungsklinik erst einmal eine Bar besucht, ist da irgendwie folgerichtig und nachvollziehbar. Dass sich ihr Problem schließlich von selbst auflöst, ist für sie natürlich doppeltes Glück und lässt sie vor den ernstzunehmenden Problemen des Lebens erstmal noch eine Weile davonlaufen. Der Serie gelingt es anhand vereinzelter Szenen, der Figur der Jessa weiter an Profil zu geben und sie menschlich wirken zu lassen.

"I've never had sex."

Shoshanna hatte im Piloten äußerst wenig Zeit sich zu entfalten und das wird in dieser Folge zumindest teilweise nachgeholt. Momentan wird sie als Person dargestellt, die ihre Unsicherheit hinter ihrer Überdrehtheit zu verstecken versucht und die ständig versucht, irgendwie an die Eleganz und Lässigkeit ihrer Cousine Jessa heranzureichen, mit nicht allzu viel Erfolg. Trotzdem ist sie die bodenständigste und irgendwie auch normalste der vier "Girls" und bietet somit besonders in Szenen mit der sich immer auf einem anderen Stern befindenden Jessa ein witziges Gespann. Auch schön war das Gespräch zwischen ihr und Marnie, die irgendwie immer ein wenig die mütterliche Position in der Freundesclique einzunehmen versucht und so ist verständlicherweise auch gerade sie diejenige, der Shoshanna schließlich ihr Geheimnis über ihre Jungfräulichkeit anvertraut. Dieses Gespräch ist dann auch wieder einer dieser typischen "Girls"-Gesprächsmomente, die so wunderbar authentisch, ehrlich und auf ganz eigene Weise auch witzig sind. Das Thema von Shoshannas Jungfraulichkeit ist indes sicherlich noch nicht abgeschlossen.

"Maybe I thought I was scared of AIDS, and what I really am is wanting AIDS."

Neben der Abtreibungsthematik ging es in dieser halben Stunde zusätzlich auch noch um das ebenfalls brisante Thema Geschlechtskrankheiten, welches schließlich noch einiges über den Charakter der Hannah offenbart. Ihre recht starke Selbstbezogenheit gipfelt dann schließlich in einer absurd-witzigen Szene, in der Hannah der behandelnden Ärztin beim Geschlechtskrankheiten-Test die positiven Seiten einer AIDS-Krankheit aufzählt und dafür nur erschrockene Ungläubigkeit erntet. Eine weitere bemerkenswerte Hannah-Szene, die hier unbedingt noch erwähnt werden muss, ist ihr Bewerbungsgespräch für einen Job bei einem Magazin, welches zunächst nicht besser laufen könnte, dass sie dann aber selbst mit ihrem ganz eigenen Sinn für Humor komplett selbst zerstört. Es ist schon überaus mutig in einem wichtigen Bewerbungsgespräch einen Vergewaltigungswitz über den zukünftigen Vorgesetzten zu machen. Hannah tut genau dies in einer Szene, in der man zwischen tiefem Fremdscham, Gelächter und Ungläubigkeit stets hin und her pendelt. Was sich Hannah in dieser Folge alles für Fehltritte geleistet hat, ist schon bemerkenswert, macht diesen Charakter aber trotzdem noch nicht wirklich unsympathisch, sondern vielmehr auf eine ganz eigene Art und Weise interessant.

Fazit

Abtreibung, AIDS, Vergewaltigung und irre sexuelle Rollenspiele: In der zweiten Folge von "Girls" werden gleich mehrere Tabuthemen auf hintersinnig-humorvolle und ehrliche Weise behandelt. Dazu gewinnen die einzelnen Charaktere weiter an Profil, was schließlich zu einer wirklich unterhaltsamen und cleveren halben Stunde Fernsehen führt, die definitiv Lust auf mehr macht.

Moritz Stock - myFanbase

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