Bewertung

Review: #5.06 Der Tag danach

Foto: Josh Charles, Good Wife - Copyright: Paramount Pictures
Josh Charles, Good Wife
© Paramount Pictures

"Good Wife" beweist gerade der Konkurrenz, wie man noch in der fünften Staffel eine kreative Hochphase ausarbeitet und auf inhaltlicher Ebene davon profitieren kann, dass eben gerade nach langer Vorarbeit Konflikte eskalieren und charakterliche Entwicklungen voll zum Tragen kommen. Die Abspaltung der Anwälte im vierten Jahr von Lockhart/Gardner unter der Leitung von Alicia Florrick und Cary dominiert die Staffel momentan mit aller Gewalt, und nach der Eskalation in der letzten Episode, widmet sich die Serie nun ausführlich dem direkten Nachspiel, mit all seinen Facetten. Das dies der Fall sein würde, konnte man aufgrund der vielsagenden Episodentitel – von "Hitting the Fan" über "The Next Day" bis zu "The Next Week" beim nächsten Mal – schon erahnen und es ist ein faszinierendes Unterfangen.

Die große Kunst dabei ist, dass nachdem der Mythos rund um die beiden Figuren Will Gardner und Diane Lockhart als vorbildliche Führungsfiguren und Mentoren in der letzten Staffel ordentlich zerstört wurde, nun auch die vielen Fehler von Alicia und Cary während ihrer Rebellion vorgeführt werden. Von den Beteiligten bleibt wirklich niemand mit reiner Weste zurück und der Zuschauer weiß gar nicht wirklich, wem er nun seine Loyalität schenken sollte. Und das ist gut so, es entsteht eben kein Lagerkampf, bei dem man sich klar auf eine Seite schlagen kann, sondern man ist immer wieder völlig mitgerissen vom Geschehen, weil einem eben alle Charaktere irgendwie leid tun, man sie vor allem nachvollziehen kann und man ihnen Erfolg wünscht, was in der jetzigen Situation aber eben einen Rückschlag für einen anderen Lieblingscharakter bedeuten würde.

Einziger Kritikpunkt der bisher so großartigen fünften Staffel ist für mich, dass die erhoffte charakterliche Tiefe bei Cary leider immer noch zu wünschen übrig lässt und seine Gefühls- und Gedankenwelt hinter der der drei großen Hauptfiguren doch leider etwas zurückstecken muss. Aber das ist wohl eben der Tatsache geschuldet, dass die Serie momentan drei faszinierende Psychogramme schreibt, eben die von Alicia, Diane und von Will. Und vielleicht ist es auch kein Zufall, dass Cary nicht ganz in diese Riege passt, denn im Gegensatz zu den anderen Dreien, fehlt ihm eben noch das letzte Fünkchen Charisma, dass ihn zu einer derartigen Leitfigur machen könnte. Und dieses Charisma entwickelt sich bei den anderen Dreien momentan vor allem daraus, im Zweifelsfall über Leichen zu gehen. Alicia nimmt sich da gegenüber Will nicht viel, zeigt sie doch keinerlei Skrupel gegenüber der ethisch fragwürdigen Politik Peters zu ihren Gunsten, Stichwort Besteuerung von Internetunternehmen wie Chum-Hum (ein Verhalten, dass sie in Staffel 1 noch offen verurteilt hätte) und sie ist ja bekanntlich auch bereit, sich an Klienten wie Lemond Bishop zu wenden. Außerdem übt sie hier offenen Druck auf ihre neuen Mitarbeiter aus, das vorliegende Fusionsangebot der Steueranwälte anzunehmen, wobei Florrick/Agos doch klar gegen den diktatorischen Stil von Lockhart/Gardner ausgerichtet sein sollte. Bei Alicias momentanem Machtwillen, sehe ich da wenig Chancen, dass dieses hehre Ziel umzusetzen ist. Und Cary, der eben eigentlich der moralisch-ethische-Ausgleich zum puren Machtwillen darstellen sollte, lässt sich aktuell noch zu sehr unterbuttern.

Besonders interessant ist dabei für mich Alicias absolut angestiegenes Selbstbewusstsein gegenüber ihren ehemaligen Vorgesetzten, was sie aber eben genau zu dem macht, was sie nicht sein möchte: Sie ist die reine Reinkarnation von Will, nur eben weiblich und mit mehr Verpflichtungen außerhalb der Firma. Sie kann nicht nur jegliche Energie auf die Neugründung der Kanzlei verwenden, muss sie sich doch auch noch um ihre Kinder und um Peters Politik, hier personifiziert durch die in Suppentöpfe spuckende Marylin kümmern. Die hat mir hier übrigens zum ersten Mal richtig gut gefallen, als potentielle Versuchung für Peter fand ich ihre Figur ja eher anstrengend, als schwierig einzuschätzende Antagonistin und gleichzeitig Verbündete für Alicia entfaltet sie gleich eine ganz andere Wirkung, zumal ich die Einbindung von Melissa Georges Schwangerschaft im echten Leben wirklich witzig finde.

Im Gegensatz zu Alicia hat Will nicht viele andere Interessen und Verpflichtungen als die, nun die Kanzlei zu einem absoluten Top-Player zu machen und damit seine eigenen Allmachtsphantasien zu befriedigen. Der Charakter Will Gardner büsst dabei sicher einige Sympathiepunkte ein, ist aber in meinen Augen durchaus schlüssig, wie wir ihn bisher kennen. Will war schon immer von einer gewissen Ruchlosigkeit gekennzeichnet, seine Gefühle für Alicia und in dem Zusammenhang sein Streben, ein Mensch, der gutes tut zu sein, haben ihn bis dato aber immer wieder humanisiert. Da er nun aber sieht, dass diese humane Ader von Alicia weder gewünscht noch gewertschätzt wird, zumal sie sich auch einem Peter zuwendet, der mittlerweile alle moralischen Bedenken wieder über Bord geworfen hat, kann er diese Fassade auch fallen lassen. Dazu kommt sein verletzter Stolz und Will ist so mittlerweile in eine Art Kampfmodus übergangen. Dass sich dieser nun unbedingt durch eine junge, völlig eigenschaftslose Geliebte äußert (denn Tattoos und Brüste zählen noch nicht als Charaktereigenschaften, werter Herr Gardner), mag einem als Zuschauer arg oberflächlich vorkommen. Aber ich bin überzeugt, genau das ist der Punkt. Während Alicia für ihre Zukunft und ihre berufliche Integrität kämpft, Diane dagegen ihr Lebenswerk den Bach herunter rinnen sieht, steht für Will was auf dem Spiel? Seine verletzter Stolz und damit auch seine Ehre als Alpha-Männchen. Er kompensiert dies mit der üblichen Methode aller Alphamänner, in der er sich eine Frau ohne eigene Meinung als Beschäftigung sucht, die ihm über hemmungslosen Sex und absolute Zustimmung zusätzlich den eigenen Ehrgeiz anstachelt. Das schöne an "Good Wife" ist dabei, das wir sehen, wie hohl und lächerlich dieses Gehabe ist. Man muss sich nur einmal vorstellen, eine Frau wie Alicia oder Diane würde sich ein solches Intermezzo samt peinlichem Knutschen in der Lobby gönnen. Man kann sich das aber nicht vorstellen, denn beide würden niemals so tief sinken. Und das nicht nur, weil sie es sich als Frau nicht leisten könnten.

Versteht mich nicht falsch, ich mag Will, sicher auch zum großen Teil dank Josh Charles Charme, aber er ist die Verkörperung des kleinen, verwöhnten Jungen, der am Ende doch immer alles bekommen hat, was er gerne wollte. Und diese Generation von Männern wird mittlerweile doch zumindest von einem Teil der Gesellschaft eben als genau das wahrgenommen, nicht mehr als Vorbilder in allen Lebenslagen, und es bereitet mir eine diebische Freude, das mit anzusehen. Ganz anders stellt sich dagegen Diane dar, die mit viel mehr Würde und Integrität die Situation meistert, obwohl für sie wesentlich mehr auf dem Spiel steht. Ihre schon sicher geglaubte Karriere als Richterin rinnt ihr durch die Finger, und das dies nichts mit ihrer Qualifikation zu tun hat, steht fest. Besonders tragisch ist dabei, dass es bei Diane mit der Richtersposition nicht um die Steigerung ihres Egos ging, auch wenn die Ehre ihr sicher gut zu Gesicht gestanden hätte. Aber Diane hat im Gegensatz zu Will eine klare politische Haltung, sie nimmt nicht die Überzeugung an, die für den jeweiligen Klienten gerade opportun wäre und hätte in dieser Position wirklich etwas verändern können. Besonders bemerkenswert finde ich dabei, dass es niemals erwähnt wird, ob Alicia davon weiß, was ihr Verhalten für Diane bedeutet. Ich hoffe, dass heißt dass man sich diese Konfrontation noch etwas aufhebt um die gebührend zu durchleuchten, denn mich würde die Reaktion Alicias wirklich sehr interessieren. Nicht das ich glaube, dass sie ihr Verhalten deswegen ändern würde, aber die Reflektion darüber wäre wirklich spannend.

Und natürlich ist Diane ebenso eine skrupellose Geschäftsfrau wie Will, wie Alicia und wie beispielsweise auch Peter, aber dennoch ist sie es, mit der ich im momentanen Kampf die meisten Sympathien empfinde. Das liegt an der grandiosen Christine Baranski, und an der einzigartigen Position ihrer Figur in der Serienwelt, denn wie viele Frauen ihres Alters mit derartig vielfältiger Charakterisierung und mit einer derartigen Agenda gibt es denn? Ich kenne nicht viele und schon allein deshalb hat auch die bewegende Liebesgeschichte zwischen ihr und Kurt McVeigh immer wieder Beachtung verdient. Schließlich ist es nicht gerade alltäglich, eine Beziehung zwischen solchen Figuren zu sehen, die nicht mehr ganz jung und nach den üblichen Standards sexy sind. Aber gerade das macht doch den Reiz und die Faszination aus.

Neben der tiefgreifenden Profilierung die die Serie momentan rund um Will, Alicia und Diane betreibt, widmet man sich aber weiterhin in guter alter "Good Wife"-Manier der Gründung der neuen Kanzlei und nutzt dafür die bekannten Fall-der-Woche-Strukturen. Hier handelt es sich um eine Klientin, die sich nun eben an Alicia wendet, da diese ihren Fall hauptsächlich betreute. Dass dies aber nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint, wird uns hier wunderbar vorgeführt und es ist nur passend, dass die Klientin am Ende doch wieder bei Lockhart/Gardner landet. Dabei kommt es auch zu einem Wiedersehen mit Lionel Deerfield als Vertreter der Anwaltskammer, Nancy Crozier als gegnerische Anwältin und einem neuen, wie immer exzentrischen Richter dargestellt von Richard Kind. Das ist hochunterhaltsam und durchleuchtet die vielen Kleinigkeiten der Neugründung der Firma. Einziger Wermutstropfen dabei ist, dass zum einen die anderen Anwälte von Florrick/Agos zu oft durch Trotteligkeit glänzen (und auch Cary plötzlich zu viele Fehler macht) und man die Invasion in die Privatsphäre von Alicia immer noch lediglich über Graces erblühende Sexualität herstellt. Das wird langsam etwas einseitig, ist aber nur ein kleiner Kritikpunkt in einer weiteren guten Folge innerhalb dieser Hochphase der Serie.

Cindy Scholz - myFanbase

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