Bewertung

Review: #19.06 Blitzschlag

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Für das Herbstfinale wird noch einmal tief in der Katastrophenkiste gekramt und so gehen Blitzeinschläge auf Seattle nieder. Das komplette Ausmaß der Gewitterzelle wird eher im ersten Teil des Crossovers mit "Seattle Firefighters" thematisiert und das GSMH bekommt es eher mit den Verletzten zu tun. Doch auch ohne Lichtspektakel schlagen bei #19.06 Thunderstruck die Ereignisse ähnlich plötzlich und unerwartet ein.

Erst in der letzten Folge hat Bailey Addison von ihrem Plan erzählt, aus der freistehenden Klinik beim Krankenhaus eine Ausbildungsstelle für Reproduktionsmedizin zu gestalten und auf einmal stehen sie schon vor der Eröffnung. Hier hat man wirklich keine Zeit verstreichen lassen, das Thema ist aber auch brandaktuell und passt ideal in die Handlungsstränge beider Serien. Jo war sowieso von Anfang der Staffel an deprimiert über die Richtung, die ihr Fachgebiet, irrsinniger Gesetze sei Dank, nun einschlagen muss und ist auf Trauer-Schwarz gewechselt und Carina (die man inzwischen ja eher zu "Seattle Firefighters" zählen kann) kann die Ablenkung auch gut gebrauchen. Kein Zweifel, die Elena-Bailey-Klinik ist eine super Idee und ein Herzensprojekt aller Beteiligten, von der wir hoffentlich in Zukunft auf einiges zu sehen bekommen werden.

Den größten Donnerschlag beansprucht natürlich Meredith für sich. Während wir Zuschauer uns schon lange auf ihren Weggang einstellen konnten, geht ihre Abschiedsmail wie ein Beben durchs Krankenhaus. Kein Wunder, dass die Assistenzärzt*innen verunsichert sind, wie es nun mit ihrer Ausbildung weitergeht. Immerhin hat Meredith zu guten Teilen dazu beigetragen, das Programm überhaupt erst wieder auf die Beine zu stellen. Trotzdem hatte sie selbst am Ende des Tages eher wenig aktiv mit ihnen zu tun. Um einiges wichtiger ist da schon Nick als Leiter des Ausbildungsprogrammes. Und genau er ist es auch, dessen Rolle ich in dem Ganzen interessanter fand, als Merediths typisch pragmatische Art, damit umzugehen. Denn irgendwie wurde er bei ihrer Entscheidung komplett außen vorgelassen. Eigentlich passt das absolut in das Bild, das man von der Beziehung der beiden präsentiert bekommen hat. Meredith ist ihre eigenständige Person und trifft die Wahl, die für ihre Familie die richtige ist. Gleichzeitig vermeidet sie bewusst das Gespräch mit Nick. Ich fand es schon merkwürdig, dass sie ihm Lucas' Identität verheimlich hat. Klar, es ist sein Geheimnis und er wollte es eben nicht an die große Glocke hängen, aber Nick gehört ja doch auch irgendwie zur Familie, da ist es schon komisch, ihm nichts von der Verwandtschaft zu erzählen. Aber auch bei ihrem Umzug nach Boston stellt Meredith ihn vor vollendete Tatsachen. Zum Teil kann ich ja verstehen, dass sie Nick nichts aufzwingen will, aber zumindest ein aufrichtiges Gespräch wäre doch nur angebracht gewesen. So sitzt er jetzt zwischen den Stühlen. Einerseits möchte er weiter bei Meredith bleiben, andererseits hat er seine Verpflichtungen in Seattle. So wie es für mich aussieht, wird Nick bleiben. Das finde ich auch gut, denn seine Beziehung mit Meredith hat mich eh nie mitreißen können. Dafür zeichnet sich Nick immer mehr als toller Ausbilder aus, der trotz eigener Probleme mit dem Thema seine Auszubildenden beruhigt und bestärkt.

Überhaupt hatten die Assistenzärzt*innen heute einiges zu verdauen. Allen voran Lucas, der einfach einen miesen Tag hatte. Erst die Mail von Meredith, dann wird er von Amelia gezwungen, wie ein Schuljunge sein Geheimnis vor versammelter Mannschaft zu beichten und dann hat er auch noch bei der OP einen Blackout. Selbst seine Annäherung mit Simone wird von ihr plötzlich gestoppt. Ich bin mir sicher, wir erfahren bald wieso. Man merkt deutlich, wie sehr Lucas unter dem Schatten des Namens Shepherd zu leiden hat, wo er doch sowas wie das schwarze Schaf der Familie ist. Simone wiederum bekommt ein paar nette Momente mit ihrer Patientin, einer ihrer Lieblingsautorinnen. Erfreulicherweise erfahren wir auch ein wenig Neues von den anderen drei Assistenzärzt*innen. Mika darf ihre Begeisterung für Teddy kundtun (vielleicht bilden die beiden ja bald ein Team?). Blue und Jules beginnen die Episode in ihrer typischen Art und Weise: er unsympathisch und eingebildet, sie freundlich. Am Ende haben die beiden aber dann doch ein interessantes Gespräch, in dem wir auch endlich mal etwas Privates von Blue erfahren. Beide teilen eine tragische Vergangenheit und wurden durch ihre Familie davon abgehalten, ihr volles Potential auszuschöpfen.

Merediths Weggang bedeutet natürlich auch eine freie Stelle als Chefarzt. Nur wer soll übernehmen? Ich muss gestehen, dass ich lachen musste, als Owen sich selbst vorgeschlagen hat. Nein danke. Und Richards Hoffnung, dass Bailey doch wieder übernimmt, konnte ich auch absolut nicht teilen. Der Chefarztposten hat viele ihrer schlechteren Charakterzüge hervorgebracht und ich bin gerade erst wieder dabei, mich davon zu erholen und wieder ihre guten Seiten zu sehen. Aber wer bleibt dann noch? Zuletzt wurde Teddys Name in den Raum geworfen. Dazu habe ich nicht wirklich eine Meinung. Es könnte klappen und vielleicht auch etwas nötige Distanz zwischen sie und Owen bringen. Oder es endet in nur noch mehr Konflikten. Kann nicht einfach wieder Richard übernehmen?

Maggie und Winston packen derweil Merediths Sachen und das endet in mehrerlei Hinsicht im Fiasko. Zunächst einmal kann ich immer mehr verstehen, warum Winston heimlich Fachgebiete gewechselt hat. Denn Maggies Reaktion darauf ist absolut unverhältnismäßig. Während sie ihren Beziehungsproblemen seit Monaten aus dem Weg geht, sie ausschweigt und ignoriert, versucht Winston aktiv zu werden. Er wählt seine Ehe und damit Maggie, die ihm wichtiger ist als Kardio. Doch anstatt diese Entscheidung zu unterstützen, sagt sie ihm, dass sie das nicht respektieren kann. Das sind harte Worte. Eine ganz ähnliche Geschichte hat sich (ohne ihr Wissen) parallel im Krankenhaus abgespielt. Dort wurde ein schwerverletzter Reporter angeliefert, der mit seinem Hubschrauber abgestürzt ist. Den Rettungskräften gegenüber hat er (in "Seattle Firefighters") erzählt, dass es früher sein Traum war, Reporter in Kriegsgebieten zu werden, doch seine Frau wollte nicht, dass er sich in solche Gefahr begibt. Ihr zuliebe hat er auf seinen Traum verzichtet, nur um es ihr nun Tag für Tag vorzuhalten. Sogar an seiner möglicherweise dauerhaften Verletzung wollte er ihr bedingt die Schuld geben, so viel Verbitterung ist in den Jahren entstanden. Im Krankenhaus ändert er dann seine Meinung und bittet seine Frau um Verzeihung für sein Verhalten. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, dass Maggie ähnliches befürchtet. Nicht nur, dass Winston nicht karriereorientiert genug ist, sondern, dass er sie einmal dafür hassen wird, dass sie ihm seinen Traum verbaut hat. Nur fehlt die Erklärung und so kommt Maggie einfach unsympathisch rüber.

Glücklicherweise kommt dem Streit der beiden gewissermaßen ein Zeichen von oben dazwischen. Ein Blitz schlägt ein und Merediths Haus geht in Flammen auf. Ich muss sagen, das hat schon tief in der Seele wehgetan. Dieses Haus hat mehr Geschichte als viele der Charaktere, die wir jede Folge sehen. Es war in der allerersten Szene der Serie zu sehen, gefühlt der halbe Cast hat dort irgendwann einmal gewohnt oder zumindest übernachtet und es war der Schauplatz vieler legendärer Szenen. Natürlich endet mit Meredith eine Ära, aber das unterstreicht das Ganze nur nochmal. Ich bin gespannt, ob das Haus nun wirklich komplett ausgebrannt ist, oder ob man nur die Gelegenheit nutzt, auch das Haus auf einen Neustart vorzubereiten. Immerhin hat dort ja nicht nur Meredith samt Kindern gewohnt. Vielleicht bekommt es nun also einen neuen Anstrich von Amelia?

Fazit

Die erste Etappe von Staffel 19 ist geschafft. Man hat einiges riskiert, bei einer so langlebigen Serie nochmal einen Neustart zu wagen. Noch dazu mit einem Grundkonzept, das dem eigentlichen Beginn der Serie mehr als ähnlich ist. Das Writing in den letzten Staffeln hat immer wieder geschwächelt - allem voran an der Schwerpunktsetzung bei den Geschichten der einzelnen Charaktere. Einige Storylines wurden gefühlt in die Unendlichkeit gezogen, andere Figuren aufs Abstellgleis gestellt. Und jetzt sollten nochmal fünf neue Assistenzärzt*innen dazukommen, deren Ausbildung wieder ins Zentrum gerückt werden soll. Ich war skeptisch. Mehr als skeptisch, ob dieses Vorhaben gelingen kann. Ob das Patentrezept, das "Grey's Anatomy" damals so bekannt und beliebt gemacht hat, auch fast 20 Jahre später und mit einer riesigen Vergangenheit auf dem Buckel noch so ziehen kann. Ob die Geschichten nicht erzählt sind und die Wiederholungen nur ein blasser Abklatsch des Originals.

Doch jetzt, 8 Folgen später, muss ich zugeben, dass ich absolut positiv überrascht bin! Natürlich verschwinden die Schwächen und die nervigen Aspekte der Charaktere nicht wie durch Zauberhand. Aber es scheint fast so, als wäre das neue Ausbildungsgrüppchen genau das, was die Serie gebraucht hat. Einerseits frische Figuren, die trotz unleugbarer Ähnlichkeiten zum Ursprungsteam dennoch ihre eigenen Personen sind und die wir begleiten können. Andererseits aber auch der bisherige Cast, der zwar jetzt weniger Screentime hat – diese aber irgendwie viel besser zu nutzen weiß. Es bleibt eben nicht mehr die Zeit für repetitive Streitereien und langatmige Handlungsstränge, die ins Nichts führen. Die Szenen wirken bewusster gewählt, sinnvoller fürs große Ganze und sind dadurch automatisch um einiges unterhaltsamer anzusehen. Somit profitieren sowohl Neulinge als auch Oldstars vom neuen Storytelling. Und eben auch wir Zuschauer.

Mit so einer Basis kann ich auch mit dem Weggang von Meredith klarkommen. Hätte man mich vor ein paar Jahren gefragt, ob ein "Grey's Anatomy" ohne Meredith existieren kann – ich hätte wohl nein gesagt. Sie war das Zentrum der Serie, die Namensgeberin, die Person, der wir durch all die Jahre, durch Liebe und Leid, Trauma und Ruhm gefolgt sind. Trotzdem hat man ihr einen sinnvollen und bedeutsamen Ausstieg ermöglicht, der in das Gesamtbild der Serie passt. Auf den eigentlichen Abschied von Meredith Grey müssen wir uns nun eine Weile gedulden. Ich bin schon gespannt, wie diese Folge dann aussehen wird.

Denise D. - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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