Bewertung

Review: #10.03 Tu, was nötig ist!

Die Sterberate unter den Ärzten des ehemaligen Seattle Grace Hospitals, heute Grey + Sloan Memorial Hospital, ist bekanntlich ausgesprochen hoch. So hoch, dass man meinen könnte, all jene von ihnen, die lebend aus einer der Katastrophen rund um das Krankenhaus hervorgehen, wären glücklich darüber, doch dem ist längst nicht immer so. Stattdessen bestätigen sie des Öfteren die alte Weisheit, dass Ärzte die schlimmsten Patienten sind. Nach Arizona, die den Verlust ihres Beins nicht richtig verkraften kann und dies an Callie ausließ, ist es nun Webber, der sich nicht über seine Rettung freut und Meredith eine emotionale Ohrfeige der schlimmsten Art verpasst.

Nach dem Überleben

Es fällt mir alles andere als leicht, Verständnis für Webber aufzubringen. Natürlich geht es ihm schlecht, er hat Schmerzen und es ist noch nicht abzusehen, wann er wieder ein normales Leben führen kann, aber sein bockiges und gemeines Verhalten wird dadurch nur bedingt nachvollziehbar. Wenn er es tatsächlich so furchtbar findet, ins Leben zurückgeholt zu werden, warum hat er dann keine entsprechende Patientenverfügung unterschrieben, die lebenserhaltende Maßnahmen von vornherein ausschließt? Und warum findet er es entwürdigend, künstlich ernährt zu werden? Lebensfähig zu sein und trotzdem aus Trotz bei vollem Bewusstsein zu verhungern, scheint mir keine würdevollere Alternative zu sein.

Webbers Worte an Meredith machen vieles kaputt. Es war ein großer Schritt für Meredith, sich als Webbers Familie zu begreifen, nachdem sie schon ihr ganzes Leben lang unter einem Elternkomplex leidet und keine emotionale Bindung zu ihrem leiblichen Vater aufzubauen vermag. Dass Webber, der Merediths Elternkomplex kennt wie kein anderer, diesen Fortschritt wieder zerstört, lässt einen fassungslos zurück. Nebenbei hat Meredith erst vor einer Woche ein Baby entbunden und ist dementsprechend sehr verletzlich. Herrgott Dr. Webber, so unsensibel kann man doch gar nicht sein, nicht einmal nach einem Stromschlag!

Shanes vorheriges Gespräch mit Webber darüber, dass Meredith extra mit dem Baby ins Krankenhaus marschiert ist, lässt aber auch die Interpretation zu, dass Webber Meredith mit seinen harten Worten bewusst beschützen und ihr die Doppelverantwortung - seine Betreuung und ein neugeborenes Baby - nehmen will. Das wäre dann zwar ein durchaus väterliches Prinzip, aber in der Umsetzung immer noch viel zu brutal.

Die nächsten Episoden werden zeigen, wie unangenehm Webbers seelische Verfassung wirklich ist und ob er tatsächlich dabei ist, die Gunst der Zuschauer (wieder einmal) zu verlieren. Alle Charaktere hatten im Laufe der bisherigen neun Staffeln schon ihre Sympathiehochs - und tiefs, wobei es mir lieber wäre, wenn die Fixpunkte der Serie, die Charaktere, die schon von Anfang an dabei sind, in der 10 Season nicht demontiert werden.

Beim zweiten Mal klappt's

Apropos Sympathietief. April, die uns in der neunten Staffel viele Nerven gekostet hat, erfährt, dass sie diesmal die mündlichen Prüfungen vor dem American Bord of Surgery bestanden hat und jetzt auch offiziell Oberärztin ist. So wichtig diese Prüfungen im Verlauf der achten Staffel waren, so nebenbei wird das Thema diesmal abgehandelt. Das kennen wir auch schon von George, der eine wichtige Prüfung nachholen durfte und dann mal eben schnell bestanden hat. Bei "Grey's Anatomy" gewinnt man so ein bisschen den Eindruck, dass eine Prüfung beim ersten Mal eine große Herausforderung und beim zweiten Mal ein Selbstläufer ist. Sei's drum. Aprils bestandene Prüfung stellt eigentlich einen guten Abschluss für das leidige Kapitel zwischen ihr und Jackson dar, welches schließlich damals im Zuge dieser Prüfung begonnen hat, und könnte der Beginn eines neuen Hochs für April sein, das sie uns Zuschauern wieder näher bringt. Ich hoffe, dass es so ist, wirklich glauben tue ich es aber noch nicht.

Letzte Botschaft

"Ich liebe dich!" ist eine wunderbare letzte Botschaft eines Sterbenden an einen Hinterbliebenen, "Ich verzeihe dir!" oder "Danke für alles!" könnten unter gegebenen Umständen auch gut ankommen, aber "Ich habe mit deinem Bruder geschlafen" ist als Abschiedsgruß wirklich ganz mies. Das sieht auch Leah so, die in einem Dilemma steckt, weil sie nicht weiß, ob sie dem Ehemann wirklich mitteilen soll, dass seine gerade verstorbene Frau ihn betrogen hat. Leahs Fassungslosigkeit kann man ganz gut nachempfinden. Diese Frau namens Kathleen hatte nie den Mut, ihrem Mann die Wahrheit zu sagen, und will dann, dass ihr Betrug (und der seines eigenen Bruders) das erste ist, was er erfährt, wenn sie tot ist. Meredith und Co. hätten früher "Seriously?!" dazu gesagt, Leahs "What?!" trifft es aber ebenso.

Es versteht sich fast von selbst, dass Callie ebenfalls in die Angelegenheit involviert ist, schließlich wurde sie auch gerade von ihrer Ehefrau betrogen. Diese Parallelität zwischen den Patientenfällen und den privaten Erlebnissen der Ärzte ist sicherlich ein Aspekt von "Grey's Anatomy", der sich im Laufe der Jahre merklich abgenutzt hat und inzwischen ziemlich durchschaubar ist. Die Subtilität geht mehr und mehr verloren.

So muss es sein

Auch wenn es ein wenig danach aussehen mag, bewerben sich Meredith und Derek nicht um Gastauftritte in "The Walking Dead", sie sind einfach nur erschöpft und werden von ihrem Baby so auf Trab gehalten, dass sie kaum dazu kommen, zu duschen, zu schlafen oder sich umzuziehen. Wir haben so viel mit diesem Paar durchgestanden, dass wir das jetzt unverhohlen genießen können. Wir haben uns das schreiende, spuckende, nicht einschlafen wollende McBaby verdient.

Genießen kann man auch die Momente zwischen Cristina und Alex. In früheren Staffeln wurde nie besonderes Augenmerk auf die Freundschaft der beiden gerichtet, aber in all den Jahren hat sich auch zwischen ihnen eine unbekümmerte Vertrautheit entwickelt, die einfach toll ist. So kann sich Cristina bequem neben Alex in sein Bett setzen, Cornflakes futtern und ihn necken, ohne das es irgendwie eigenartig wirkt. Solche Momente erinnern mich wieder daran, warum ich "Grey's Anatomy" seit so vielen Jahren treu bin.

Maret Hosemann - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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