Auf Regen folgt Sonnenschein
Addisons Weg von Seattle nach L.A.

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Als wir Addison das erste Mal sahen, hassten wir sie. Als wir sie bei "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" gehen lassen mussten, weinten oder weinen wir ihr noch immer nach. Das ist gewiss eine ungewöhnliche Entwicklung.

Zunächst lernten wir Addison Montgomery-Shephard als Merediths größte Gegenspielerin kennen. Das allein ist schon ein Grund, sie nicht zu mögen. Später beginnen wir allmählich Sympathien für sie zu entwickeln, nicht zuletzt, weil sie verletzlicher und menschlicher zu sein scheint, als man vorerst annimmt. Und schließlich entwickelt sich ein liebevoller Charakter, den wir uns aus "Grey's Anatomy" gar nicht mehr wegdenken können. Doch wie kam es zu dieser Sinneswandlung? Ab welchem Punkt begannen wir sie zu mögen? Und: Wie kam es dazu, dass sie schlussendlich das Seattle Grace verlassen hat, um eigene Wege zu beschreiten?

Die richtige Distanz

Foto: Patrick Dempsey & Kate Walsh, Grey's Anatomy - Copyright: 2005 ABC, Inc. All rights reserved. No Archive. No Resale./Craigs Sjodin
Patrick Dempsey & Kate Walsh, Grey's Anatomy
© 2005 ABC, Inc. All rights reserved. No Archive. No Resale./Craigs Sjodin

Alles begann in der ersten Staffel. Wir erinnern uns: Meredith, eine junge Assistenzärztin am Seattle Grace Hospital, hatte mit dem neuen Stationsarzt Derek Shepard (ohne es zu wissen) einen One-Night-Stand begangen, aus dem im Laufe der ersten Staffel tatsächlich eine Beziehung wurde. Derek, der aus unbekannten Gründen seinen Job in New York aufgab, um nach Seattle zu kommen, wirkte zusammen mit Meredith wie ein glückliches und harmonisches Paar. Wir sahen die beiden gerne zusammen und wollten so sehr, dass es mit ihnen über längere Zeit klappt. Doch als hätten wir es nicht irgendwie geahnt, gab es einen bestimmten Grund, dass Derek seinen ehemaligen Wohnort so abrupt verlassen hatte: Addison, mit der Derek seit einigen Jahren verheiratet war und welche er in flagranti mit seinem besten Freund Mark Sloan ertappte. Doch damit nicht genug: Während seines Bleibens in Seattle hatte er Meredith nichts von seiner Ehe mit Addison erzählt. Verständlich, schließlich hatte er Addison und sein bisheriges Umfeld ja verlassen, um all das Erlebte zu verarbeiten. Es scheint fast so, als hätte er die Affäre und alles, was damit zusammenhängt, verdrängt. So hat er sich diese angenehme Illusion geschaffen, in die er Meredith und gleichwohl die Zuschauer der Serie willkürlich mit eingebunden hat. Doch diese Imagination zerbricht in #1.09 Geheimnisse schließlich in alle Einzelteile, als seine Noch-Ehefrau Addison in der Lobby seines neuen Arbeitsplatzes steht, welchen Derek gerade zusammen mit Meredith verlassen wollte. Bühne frei für Addison Montgomery-Shepard.

"Und Sie müssen die Frau sein, die mit meinem Mann vögelt."

Wer erinnert sich nicht an diese rothaarige Dame im Mantel, die so plötzlich und unerwartet auftauchte und sich als "Addison Montgomery-Shephard" vorstellte? In diesem Moment kam man nicht umhin, sich zu fragen: Wer zur Hölle ist das? Ähnlich ging es wohl auch Meredith, wie man ihrem Gesicht deutlich entnehmen konnte. Derek konnte ihr hingegen nur ein "Es tut mir so leid" bieten, was man ihm allerdings nicht übel nehmen kann, schließlich wurde er ja in diesem Moment selbst von seiner Vergangenheit eingeholt. Addison erschien uns zunächst als gutaussehende, selbstbewusste und etwas eigensinnige Ärztin, die gemeinsam mit ihrem Pelzmantel ein wenig oberflächlich wirkte. Alles in allem konnte man nur wenig Sympathisches an ihr entdecken. Sie vermittelte eine Überlegenheit, der Meredith angesichts dieser peinlichen und schockierenden Situation ganz klar unterlegen war. Den Kürzeren zog sie natürlicherweise auch durch die Hierarchie im Krankenhaus, denn als Assistenzärztin ist sie Addison, einer ausgezeichneten und angesehenen Ärztin, klar unterstellt.

Erste Spannungen dieser Art lassen sich schon zu Beginn der zweiten Staffel in #2.01 Ein sauberer Schnitt finden: Als wäre es nicht genug, dass Addison Merediths Beziehung mit Derek ordentlich ins Wanken gebracht hat, nun bekommen sie auch noch einen gemeinsamen Patienten zugeteilt. Dieser Fall stellte sich für Meredith als noch schwerer heraus als erwartet. Die Patientin weigerte sich nämlich, die Behandlung von Meredith durchführen zu lassen, da sie zufällig mitbekam, dass Meredith mit Addisons Mann geschlafen hatte. Sie unterstellte Meredith, deren Ehe zerstört zu haben. In diesem Moment zeigte Addison jedoch erstmals einen anderen Aspekt ihres Charakters. Sie nimmt Meredith in Schutz und stellt das Missverständnis klar. Sie gibt sogar zu, dass sie ihren Mann betrogen hat und nicht andersherum. Das erste Mal beginnt man Addison zu mögen, auch wenn man in ihr vorerst nur die Frau sieht, die die Beziehung von Meredith und Derek aus dem Lot gebracht hat.

Zum zweiten Teil der Kolumne "Von Seattle nach L.A.

Patrick Arnold - myFanbase