Bewertung

Review: #2.07 Ein Tag am Fenster

Nach der durchaus explosiven Episode der letzten Woche geht es dieses Mal wieder etwas ruhiger und bodenständiger zu, was der Serie durchaus gut tun. Natürlich ist Action und Spannung grundsätzlich nicht verkehrt, doch "Homeland" brilliert immer dann, wenn es sich ganz auf seine Charaktere konzentriert.

"I just spent the day by the window. A whole day. Light, sun, a view... Best last day I could have."

Eine schöne Sache ist definitiv, dass wir tatsächlich ein Wiedersehen mit Aileen Morgan feiern dürfen. Die Episode, in der sie von Saul Berenson persönlich von Mexiko nach DC gebracht wird, gaben einige unglaublich interessante Einblicke in das Seelenleben des Agenten und waren aufgrund des großartigen Zusammenspiels der beiden Darsteller ein Highlight dieser Episode.

Aileen ist mittlerweile eine gebrochene Frau. 23 Stunden ihres Tages verbringt sie eingeschlossen in eine kleine Zelle ohne Tageslicht und ohne irgendeine Illusion, dass sich an dieser Situation jemals etwas ändern wird. Da kommt Saul ihr mit seiner Bitte um Hilfe gelegen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass sie nicht einfach mit der Information heraussprudelt, sondern sie sich ihre Kooperation bezahlen lassen will und sei es nur mit einem Fenster mit Aussicht. Dass es ihr am Ende eigentlich gar nicht darum ging, bessere Haftbedingungen zu erreichen, sondern Aileen eine Chance sah, einem verwirkten Leben ein Ende zu setzen, kommt durchaus überraschend.

Aileen, immerhin eine geständige Terroristin, schafft es in der kurzen Zeit, Emotionen bei den Zuschauern zu wecken und sich selbst ein wenig als Opfer erscheinen zu lassen. Nicht als Opfer der Behörden, sondern als Opfer von Abu Nazir, durch den sie nicht nur ihren Freund verloren hat, sondern ihr gesamtes Leben in Trümmern vorfindet. Umso einleuchtender ist es, dass sie am Ende den Freitod wählt, um einem Leben hinter Gittern, ohne Aussicht auf Verbesserung der Situation.

Der Blick von Saul in dem Moment als er erkennt, was Aileen wirklich vor hat, macht ihn unglaublich menschlich. Er hatte mit Aileen mitgefühlt und es nicht kommen sehen, wie verzweifelt sie gewesen ist. Und nun hält er eine sterbende junge Frau in den Armen, die schon zufrieden damit war, dass sie ein letztes Mal den Sonnenuntergang hat sehen dürfen. Das klingt vielleicht nun übermäßig emotional, doch die Geschichte funktioniert und man vergisst dabei sogar kleine Ungereimtheiten, wie die Tatsache, dass man eine Insassin besser nicht mit allen möglichen scharfen Werkzeugen in einer Zelle zurücklassen sollte.

"I do feel used, and played, and lied to, but I also feel good."

Aileens Situation ist der von Nick Brody gar nicht mal so unähnlich. Beide wurden von Abu Nazir für dessen Zwecke instrumentalisiert und haben im Zuge seines Kampfes Menschen verloren. Aileen hat Faisel verloren, Brody war gezwungen, seinen ehemals besten Freund Tom Walker zu exekutieren. Genau wie Aileen findet sich Brody mittlerweile in einer schier aussichtslosen Situation wieder. Seit seiner Rekrutierung als Doppelagent findet er sich in einer Situation wieder, in der all seine Entscheidungen fremdbestimmt sind und er zum Spielball von Nazir und der CIA geworden ist.

Diese Situation setzt Brody mehr und mehr zu. Von jeder Seite drängt ihn eine Erwartungshaltung in eine Ecke, aus der er von selbst nicht mehr herauskommen kann und die ihn langsam aber sich zu überfordern droht. Carrie erkennt dies und versucht ihm ein wenig Halt in dieser schwierigen Zeit zu geben und bringt mit einer simplen Berührung der Hände alte Leidenschaft wieder zum Vorschein. Zweifelsohne besteht noch immer eine starke Anziehungskraft zwischen den beiden, wobei ich mir nicht sicher bin, ob beide Charaktere auch wirklich auf der selben Frequenz funken. Brody scheint durch Carrie auf andere Gedanken kommen zu können und für einen kurzen Moment vergessen zu können, dass er in einer für ihn ausweglosen Situation steckt. Carrie hingegen verliert sich immer wieder in dem Mann, der sie getäuscht hat und zu dem sie eine möglichst professionelle Distanz halten sollte. Es ist dabei immer wieder interessant, wie stark die Chemie zwischen den beiden Darstellern ist.

"We killed someone."

Positiv anzumerken ist sicherlich auch, dass die einzige Geschichte, die die gesamte Staffel schon wie ein störender Fremdkörper wirkte, endlich eine entscheidende Wendung bekommt und nun in den Fokus anderer Charakter rücken. Dana schafft es tatsächlich, Finn zu überzeugen, ihren Eltern endlich reinen Wein bezüglich des Unfalls einzuschenken und kann sich einen Stein vom Herzen reden.

Natürlich erwartet hier niemand, dass Familie Walden einfach so zur Polizei spaziert und die Schuld ihres Sohnes eingesteht. Für Jessica und Brody ist dies eigentlich gar keine Frage, doch sie werden eines besseren belehrt. Brody befindet sich nun in Kandidatur um ein hohes politisches Amt und ein Unfall mit Fahrerflucht könnte ihm in der kommenden Kampagne in die Quere kommen. Daher will Walden die Sache auf seine Weise regeln. Was das nun genau bedeutet, bleibt momentan noch im Dunklen, doch dank der CIA wird sich der Unfall wohl in keinem Bericht wiederfinden, dafür wird David Estes schon sorgen.

Die Ruhe und die Gelassenheit mit der die Waldens in der Sache reagieren, lassen vermuten, dass ihnen ein solches Vorgehen nicht fremd ist und sie auf ihrem Weg an die Spitze der Politik schon manch eine ungeliebte Entscheidung treffen mussten, die sie für notwendig und unabdingbar hielten. Das macht die Familie nicht gerade sympathisch und schürt das ein oder andere Klischee vom skrupellosen Politikern ohne Gewissen. Aber das lässt sich durchaus verschmerzen, da es eine andere interessante Sache nach sich zieht: sie treibt einen weitere Keil zwischen Brody und seine Familie.

Die Tatsache, dass mitten in der Episode zwischen Brody und Jessica zur Sprache kommt, dass Brody in den Tod von Tom Walker involviert war, verbreitert den Graben zwischen den beiden Eheleuten. Nun, da ganz klar ist, dass Jessica nicht damit einverstanden ist, dass der Unfall einfach so unter den Teppich gekehrt wird, Brody jedoch dazu gezwungen wird, Walden nicht auf Abstand zu bringen, wird interessant werden, wie lange es Brody noch gelingt, sein Familienleben intakt zu halten.

Fazit

Die Episode besticht durch einige sehr interessanten zwischenmenschlichen Geschichten und verzichtet weitgehend auf effekthascherische Momente wie in der Folge zuvor. Das sind die Stärken, die "Homeland" ausmacht. Dabei kann man beruhigt auch über kleinere Schwächen hinweg sehen.

Melanie Wolff - myFanbase

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