Review: #2.12 Wieder im Wald
Bei Serien wie "Homeland" ist das Staffelfinale immer in zweierlei Hinsicht spannend. Erstens fragt man sich natürlich, wie die einzelnen Geschichten der Staffel nun zu Ende geführt werden. Dann ist man aber auch sehr neugierig, wie man die Grundlagen für eine neue Staffel legen kann. Die erste Frage war mit der Vorfolge schon zum Teil beantwortet, insofern widmete man sich vor allem der zweiten Frage und hatte da, wie so oft, eine riesige Überraschung parat.
"How do I apply to become your cabin boy?"
Für Carrie und Brody hat man wieder die Sommerhütte der Mathisons als Zufluchtsort genutzt. Das hat zweierlei Bedeutung. Zunächst mal war der erste Besuch ein ganz entscheidender, weil beide das Wochenende sehr intensiv erlebten und Carrie Brody erstmals damit konfrontierte, was sie von ihm hält. Die Idylle und Vertrautheit des Ortes ist für Carrie etwas ganz Wichtiges. Hier scheint sie offen zu sein, unter keinem Verfolgungswahn zu leiden und sich wohl zu fühlen. So kann sich Carrie ihr Leben mit Brody wohl vorstellen und auch Brody wirkt sehr relaxt und ruhig, wohl wissend, dass er durch das Ableben von Nazir jetzt alles überstanden hat. Wie die beiden so am Kamin sitzen und sich unterhalten, hat schon was richtig Romantisches, so dass man fast vergessen hat, in welchem Genre man sich befindet. Brody träumt von der Zukunft als Gutmensch, vielleicht als Lehrer, und auch Carrie überlegt schon, wie sie ihre Zukunft gestalten könnte. Es fehlte nicht viel zu einem "Und dann lebten sie glücklich bis an ihr Lebensende". Doch es sollte noch turbulent werden.
Was beide zunächst nicht ahnen, ist, dass Peter Quinn immer noch von Estes den Auftrag hat, Brody zu beseitigen. Dieser bekommt allerdings in dieser Episode ein Herz geschenkt, mit Gewissen, und geht das Risiko nicht ein. Hier wurde ein wenig sehr künstlich Spannung aufgebaut, inklusive Schnitt zu Carrie, was die Ungewissheit nur unnötig verlängerte. Man ahnte, dass Quinn Brody nicht töten wird, nur das Warum stand zur Disposition. Dass er es einfach nicht übers Herz brachte, ist eigentlich unverständlich. Da hilft auch das Eindringen Quinns bei Estes nur wenig. Er töte also nur böse Menschen und Brody ist ja gar kein böser Mensch. Außerdem wäre es für Carrie heftig. Natürlich hat er recht und er will Estes den Gefallen nicht tun. Wieso er aber genau in dem Moment, als er die Waffe hebt, auf diese Schlussfolgerung gekommen ist, wirkt lächerlich. Dass er dann sogar Estes droht, ist auch nur bedingt geschickt, aber natürlich muss man irgendwie eine Begründung dafür finden, dass Estes nicht einfach einen anderen Killer auf Brody ansetzt. Ganz glücklich bin ich mit der Idee trotzdem nicht. Dass Estes dann Saul gegenüber auch noch als seine Idee ausgibt, passt wiederum zu diesem und macht ihn nur wieder einmal unsympathisch, weil machtbesessenen.
"You can keep taking care of them, if you want."
Brody darf also leben und will dieses Leben nun neu starten. Die Erlebnisse lassen keine Ehe mehr mit Jessica zu und das Risiko, es mit Carrie zu versuchen, will er eingehen, weil sie ihm einfach zu viel geben konnte. Ich fand es wirklich toll, dass man in dieser Episode sich die Zeit genommen hat, einen Dialog zwischen Brody und Mike einzubauen, der endlich mal zum Ausdruck bringen konnte, dass die beiden erstens richtig gute Freunde waren und zweitens zeigt, dass Brody Mike tatsächlich dankbar ist, für alles, was Mike getan hat. Das hat Mike verdient und zu wissen, dass Brody ihm und Jessica quasi seinen Segen gibt, ist das mindeste, was er tun konnte. Wirklich schön, dass man dies nicht zugunsten anderer Szenen ausgelassen hat.
"Do you remember that day, that you were dressing in here and you wanted me to leave?"
Dana nutzt die Gelegenheit ihren Vater zu sehen, was schon allein Ausdruck der besonderen Vater-Tochter-Beziehung ist. Sie will ihren Vater sehen und mit ihm reden. Nur ihm gegenüber öffnet sie sich und konfrontiert sie dann auch mit den unschönen Gedanken, die sie hat. Dana ist unheimlich intelligent und hat im Gespür, dass Carrie damals wohl recht hatte. Die Parallele zur ersten Staffel herzustellen war eine gute Idee, denn das war für die beiden einfach noch ungeklärt. Dass Brody nun ehrlich zu ihr ist, ist natürlich schockierend für Dana, aber eben auch Ausdruck der Liebe, die Brody für sie empfindet. Ich hoffe sehr, dass man in der nächsten Staffel auch Wege findet, Dana und Brody interagieren zu lassen, weil diese Vater-Tochter-Beziehung mit all den Problemen wirklich gut gezeichnet ist und weiterhin viel Potenzial bereit hält.
"You're the smartest and the dumbest fucking person I've ever known."
Saul hat Carrie eine höhere Position verschaffen können, doch Carrie freut sich nicht entsprechend, weil sie sich auch gerade für Brody entscheiden will. Das ist riesiger Zündstoff, der zwischen den beiden Freunden entflammt. Saul ist enttäuscht und entsetzt, dass Carrie ihr Leben wegwirft, während Carrie glaubt, dass sie sich nicht für die CIA opfern und so allein wie Saul bleiben wolle. Man kann beide Standpunkte sehr gut nachvollziehen und entsprechend verstehen, dass Carrie sich verteidigt und auch Saul deutliche Worte findet. Die Beziehung der beiden wird ein ums andere Mal auf eine sehr harte Probe gestellt, weil sich Arbeit und Freundschaft immer wieder überschneiden.
"Somebody moved my car." [...] "Oh fuck"
Also man hat sicherlich viel von dieser Episode erwartet, aber eine Explosion dieses Ausmaßes hatte bestimmt niemand auf der Rechnung. Schockiert und benommen sitzt man vorm Fernsehgerät und sieht die verheerenden Ausmaße, die niemand überleben konnte. Carrie ist zurecht äußerst skeptisch, aber eigentlich macht es wirklich wenig Sinn, dass Brody schuld an der Bombe hatte. Brodys Erklärung machte da schon mehr Sinn, weil Nazir letztlich doch ein unheimlich cleverer Kerl war, dem man ein solches Manöver zutraut. Die tolle Inszenierung mit der Beerdigung Nazirs stößt den Zuschauer natürlich auch schon in diese Richtung. Und da er Carrie gegenüber auch schon sagte, dass er seinen Tod in Kauf nehme, um sich zu rächen, schließt sich hier tatsächlich ein Kreis. Man bleibt trotzdem mit offenem Mund auf dem Sofa zurück und muss dann auch noch die unmittelbaren Folgen ertragen.
Für Carrie und Brody ist das glückliche Überleben ja fast schon günstig, weil sie jetzt überzeugter denn je sind, gemeinsam einen Neustart zu wagen. Doch Carries Affekthandlung zur Flucht wird auf der Fahrt zur Grenze natürlich überdacht und hin- und hergedreht. Schlüssig ist es dann schon, dass sie selbst nun mehr denn je an der Aufarbeitung der Vorfälle teilhaben und vor allem Brodys Weste reinwaschen will. Irgendwie ist nämlich sein Selbstmordvideo ans Licht gekommen, sodass nun jeder Mensch auf der Welt glaubt, dass Brody der Terrorist ist. Da die Bombe in seinem Auto war, sind Zweifel daran auch nicht zu erwarten. Das ist enorm krass für Brodys Familie und man darf gespannt sein, wie sie damit umgehen wird. Vor allem, dass Dana ihrem Vater glaubte und ihn verteidigen wollte, hat Brisanz für die kommende Staffel.
Fazit
Diese Episode legt in vielerlei Hinsicht die Grundsteine für die dritte Staffel, indem sie im wahrsten Sinne über Leichen geht. Zudem besticht die Episode durch einige intensive Dialoge. Einzig die Inszenierung von Peter Quinns Neuausrichtung ist misslungen und sorgt für den Punktabzug. Ansonsten kann man das Staffelfinale als gelungenen Abschluss einer Staffel bezeichnen, die insgesamt aber die Qualität von Staffel 1 nicht erreichen konnte.
Emil Groth - myFanbase
Die Serie "Homeland" ansehen:
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The ChoiceErstausstrahlung (US): 16.12.2012
Erstausstrahlung (DE): 03.11.2013
Regie: Michael Cuesta
Drehbuch: Alex Gansa & Meredith Stiehm
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