Bewertung

Review: #3.03 Endstation Caracas

Foto: Damian Lewis, Homeland - Copyright: 2013 Showtime
Damian Lewis, Homeland
© 2013 Showtime

Eins muss man dieser Staffel von "Homeland" lassen, bei aller Enttäuschung und auch trotz des immer stärker werdenden Gefühls, dass die Serie ihre beste Zeit bereits hinter sich hat, es bleibt dennoch spannend und interessant, über sie nachzudenken und zu diskutieren. Beschäftigt man sich mit den unterschiedlichen Reaktionen, die die drei bisher ausgestrahlten Episoden in den verschiedenen Zuschauern auslösen, dann ist doch spürbar, dass diese sehr variieren. #3.03 Tower of David war für mich die bisher mit großem Abstand beste Episode, gleichzeitig kann ich die Zuschauer, die von Brody einfach nur gelangweilt sind, absolut verstehen. Denn wenn wir einmal genau hinschauen, ist die Handlung dieser Staffel auch nach drei Episoden immer noch nicht in Gang gekommen. Und während ich bei anderen Serie wie "Mad Men" niemals in Ungeduld verfallen würde, schließlich weiß ich, dass dort eine andere Form des Geschichtenerzählens praktiziert wird, und vor allem weiß ich, dass das kreative Team die Fähigkeit besitzt, diese langsame und subtile Form des Storytellings zu einem zufriedenstellenden Abschluss zu bringen, bin ich mir bei den "Homeland"-Autoren da gar nicht sicher. Da ist eher das Gegenteil der Fall.

Dazu kommt, dass das Timing dieser Episode, die ich wie gesagt wirklich gelungen fand, dagegen spricht, dass die Serie meine Vorstellung von Prioritäten und Konsequenzen verfolgen wird. Denn wäre #3.03 Tower of David der Abschluss der vorangegangenen Staffel gewesen und wir hätten Brody hier zum letzten Mal gesehen, dann würde mir diese Geschichte noch viel mehr Respekt abgewinnen. So aber befürchte ich, dass dem wirklich emotional bedeutenden Schlussmoment im Nachhinein die Relevanz genommen wird, wenn Brody dann in ein paar Episoden wieder fröhlich mitten im Geschehen mitmischt. Wäre Brodys letzte Geste hier nicht nur die zu einer dauernden Drogensucht, sondern die zu einem goldenen Schuss, dann würde ich wirklich meinen Hut ziehen. So blicke ich eher mit Sorgen in die Zukunft, ein Gefühl, das die Serie momentan bei mir nicht abzustellen weiß.

Dennoch war diese Folge endlich einmal eine, die wieder mehr Tiefe über die bloße Handlung hinaus zu bieten hatte. Bisher empfand ich die dritte Staffel von "Homeland" wie ein gemaltes Bild, auf dem man gerade einmal das Nötigste erkennen kann. Ein paar Strichmännchen, ein schematisches Haus und ein paar stilisierte Bäume sind zu sehen, es ist aber nichts dabei, das nicht auch jeder ohne viel Talent dahinkritzeln könnte. Die Serie hat die Aufgabe, Handlungsstränge für Saul, Carrie, Peter und Dana zu entwickeln, erledigt wie ein Kind die Aufgabe "Male ein Haus, ein paar Bäume und ein paar Menschen", damit es am Ende eine Zensur bekommt. Aber mit #3.03 Tower of David sind endlich kreative Elemente ins Bild gekommen, die nicht nur dem puren Vorantreiben der Handlung dienen. Es gibt ausdrucksstarke Farben, wie die Details rund um den beeindruckenden Turm von David, der einen wirklich genialen Schauplatz darstellt. Durch die sehr spezifischen Details dieses Ortes, die Momente, in denen wir einfach nur die Atmosphäre aufsaugen, hat sie das Potential, sich tief in mein Gedächtnis einzubrennen. Ich empfinde es als wirkliche Bereicherung, diesen Ort zumindest in seiner fiktiven Form kennengelernt zu haben und ich bewundere den Aufwand, den man betrieben hat, um uns Zuschauern dies zu ermöglichen. Den wahren Turm von David, samt seiner traurigen Geschichte, konnte die Filmcrew nicht aufsuchen, aber man versuchte in einem leerstehenden Gebäude, ebenfalls ohne Wände, in Puerto Rico dessen Feeling nachzubauen und man ist dieser Aufgabe unheimlich gut gerecht geworden.

Ebenfalls sehr gelungen ist die tiefe Betrachtung von Brodys Position in der Welt von "Homeland", innerhalb der fiktiven Ebene der Handlung, aber auch der Metaebene der Serie. Die letzten Worte des pädophilen Doktors (großartig gespielt von "Homicide"- und "The Wire"-Nebendarsteller Erik Todd Dellums) zu Brody "Everywhere you go, other people die. But you always manage to survive. (…) You're like a cockroach. Still alive after the last nuclear bombs go off. You belong here." zeigen ein hohes Maß an Selbstreflektion, welches ich "Homeland" schon fast nicht mehr zugetraut hatte. Und wenn man nun nach diesem natürlichen Wendepunkt der Handlung, die sowohl Brodys als auch Carries momentane Lage darstellen, noch einmal kritisch auf die Ereignisse der letzten Staffel blickt, dann muss man auch erkennen, dass trotz aller (berechtigter) Kritik die Serie eben immer bereit war Risiken einzugehen. Diese Risiken haben dann eben im letzten Drittel der zweiten Staffel dazu geführt, dass man vom rechten Weg abgekommen ist. Aber zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr war man als Zuschauer doch ganz aufgeregt, wie schnell und rasant man durch die vielen Veränderungen innerhalb der Handlung rast. Nun sind diese zum Stillstand gekommen, auch weil die ganze Raserei viel Kollateralschaden angerichtet hat, unter anderem den, dass man nicht mehr weiß, wie sowohl Brody als auch Carrie in der Handlung glaubhaft zu halten sind.

So bleibt bei mir auch, trotz dieser wirklich großen Zufriedenheit nach dieser Folge, immer noch der große Zweifel, wie man eine Serie aus den Trümmern dieser Charaktere aufbauen kann. Ich kann mir momentan Brody nicht mehr als zentrale Figur vorstellen, ohne dass man dessen Integrität aufgibt. Denn auch wenn Brody als Mensch nie angetreten ist, Schlimmes in der Welt zu tun und an jedem wichtigen Entscheidungspunkt ein Opfer der Mächtigen war, so bleibt er doch ein Mörder und ein moralisch tief geschädigter Mann. Zwar war er ein Opfer, als er als Soldat in den Krieg zog und sich dort traumatische Störungen zuzog, er war ein Opfer, als er im Irak gefangen genommen wurde, und er war auch dann noch ein Opfer, als er sich über Issa mit Abu Nazir anfreundete. Und man kann durchaus argumentieren, dass er nicht viel anders konnte, als sich die Selbstmordweste umzuschnallen mit dem Plan, mehrere Menschen in den Tod zu reißen. Aber als er Tom Walker und später den panischen Schneider tötete, da waren das seine eigene Entscheidungen, zu denen er stehen muss. Zwar hat später die CIA die Rolle der mächtigen, unüberwindbaren Mentorin von Abu Nazir übernommen, die ihn zu schlimmen Taten treibt, aber dies entbindet ihn nicht von seiner eigenen Verantwortung. Brody ist an einem Punkt, an dem ich mir sehr schwer vorstellen kann, ihn wieder in funktionaler Form ins Geschehen einzubinden. Zumindest nicht in einer Art und Weise, die von mir als Zuschauer verlangt, ihn als Helden oder zumindest Identifikationsfigur zu sehen.

Aber auch für Carrie wird es immer schwerer. Zwar hat man mit ihren Szenen in dieser Episode, die wesentlich subtiler und einfühlsamer mit ihrem psychischen Zustand umgingen als noch in der letzten Folge, einiges an Terrain wieder gut gemacht. Ihre Krankheit wird hier nicht mehr nur als Plotmechanismus, um einen Keil zwischen sie und Saul zu treiben, benutzt, sondern ernst genommen und subtil durchleuchtet. Aber ich kann mir immer weniger Umstände ausmalen, in denen Carrie glaubhaft ihre Arbeit aufnehmen kann. Zumal es in meinen Augen für sie einfach auch besser wäre, der toxischen Welt der Geheimdienste den Rücken zu kehren. Und ich würde auch soweit gehen und mich dafür aussprechen, denn eine Carrie, die sich realistisch mit ihrem Platz in der Welt auseinandersetzt, ohne sich über ihre CIA-Arbeit zu definieren, wäre für mich persönlich ein spannendes Thema. Aber dies entspricht nicht der DNA der Serie und wird wohl nicht eintreten. Ich hab es hier unheimlich gerne gesehen, dass Carrie trotz ihrer ausweglosen Situation immer noch über ihren untrüglichen Instinkt verfügt und ich empfinde, wie bereits angesprochen, die Betrachtung ihres Zustands hier durchaus respektvoll und gelungen. Aber wie soll es nun weitergehen?

Für sich betrachtet kann ich über #3.03 Tower of David wirklich fast nur Gutes sagen. Sie ist eine wirklich tolle Episode, die die unnachahmlich ruhige Handschrift des leider verstorbenen Drehbuchautors Henry Bromell trägt und in vielen Elementen endlich die Subtilität an den Tag legt, für die ich die Serie in Staffel 1 wertschätzte. Zum ersten Mal seit langem kam die Ruchlosigkeit der CIA zum Ausdruck. Der Unterschied liegt offenbar darin, nicht mehr so tief in den Mechanismen der Geheimdienste verwoben zu sein, zumal man über Saul auch sonst immer gegen dessen integren Ruf angehen muss. Hier hat man deren Wirken eher von Außen betrachtet, denn die Bande in Caracas, die sich Carrie und damit der CIA verbunden fühlt, war nun wahrlich keine Gruppe von Gentleman. Wir sehen die ähnlichen Methoden der Terroristen, der profanen Gangster und der Organisationen, die die Menschen eigentlich vor beiden schützen sollen und zwar durch die Wirkung, die diese auf die Welt haben. Und wir haben mit den beiden muslimischen Gläubigen die anständigsten Charaktere dieser Episode, die dafür sofort getötet werden. Es gibt ein paar Details innerhalb der Folge, mit denen ich unzufrieden bin, dazu gehört die vor Klischees triefende Figur der magischen, unschuldigen Krankenschwester von Brody und manche in meinen Augen nicht wirklich gelungenen Regieentscheidungen, aber im Großen und Ganzen ist dies eine wirklich sehr gute Episode, die mir sicher lange im Gedächtnis bleiben wird. Nun hängt alles davon ab, ob der weitere Verlauf der Staffel die Stimmung dieser Episode aufgreift oder nachträglich zunichte macht.

Cindy Scholz - myFanbase

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