Review: #3.04 Das Risiko
Nach der letzten Episode, die sich in erster Linie Brody und den Parallelen zu Carrie widmete, ist die vierte Episode der dritten Staffel wieder mit allen anderen Storylines beschäftigt und lässt Brody wie schon zuvor vollkommen außen vor. Dafür präsentiert die Episode, die lange Zeit in erster Linie gemächlich und ohne Highlights die Handlung weitererzählt, am Ende eine sehr überraschende und ziemlich geniale Wende.
"They all give you excellent reports."
Carrie sehnt sich danach die Klinik zu verlassen, denn dass sie unter dem Aufenthalt stark leidet, ist in der vergangenen Episode schon mehr als deutlich geworden. Carrie hat mit vorbildlichen Verhalten ihre Entlassung provoziert und eigentlich sind auch alle auf ihrer Seite, nur Dar Adal schafft es im letzten Moment, die Entscheidung zu beeinflussen und Carrie in ihrem Gefängnis zu belassen. Die CIA hat ausreichend Einfluss, um Carrie weiterhin als nationales Risiko zu diffamieren. Claire Danes schafft es erneut, wahnsinnig überzeugend zu spielen und kann damit der Episode ihren Stempel aufdrücken. Man ahnt hier noch gar nicht, dass ihre Leistung sich noch weiter steigern wird. Der psychische Stress, unter dem sie leidet, wird wirklich gut transportiert. Derweil wird Dar Adal immer subtiler für mich. Er zieht irgendwelche Strippen im Hintergrund und wirkt mit seiner gesamten Art sehr bedrohlich und scheint auch auf andere sehr einschüchternd zu wirken. Ich habe nur noch überhaupt keine Ahnung, welche Rolle dieser Charakter spielen soll. Es wird doch wohl mehr sein, als ein teuflischer Ratgeber von Saul, der die CIA retten will. Was sind seine Motive?
"It was his operation in the first place."
Saul gelingt mit Faras Hilfe derweil wieder ein Fortschritt. Er hat einen weiteren Anhaltspunkt, der auf Javadi hinweist. Fara hat das Geld nach Venezuela verfolgen können, wo es über einen Fußballclub seinen weiteren Weg gegangen ist. Das war schon überaus kompliziert, aber es wäre auch etwas unrealistisch gewesen, wenn die Spur einfach zu verfolgen wäre. Allerdings hätte ich mir doch gerne mehr zu diesem Thema gewünscht. Die zwei Szenen lassen einen in der Luft hängen und sind letztlich so nichtssagend, denn das die Unregelmäßigkeiten, die Fara entdeckte, zu Javadi führen, ist jetzt keine Überraschung. Interessant ist allerdings, das Saul trotz der eigentlich eindeutigen Erkenntnisse noch den geheimen Weg wählt.
"They gonna catch us anyway."
Dana darf oder besser gesagt muss in dieser Episode wieder die ungehorsame Teenagerin spielen. Dass sie mit Leo flüchtet, mag nachvollziehbar sein, doch ich hatte ihr nach dem intensiven Dialog mit ihrer Mutter dann aber doch endlich mal mehr Reife zugetraut. Einfach wegrennen, dann auch noch im Auto kiffen, nachdem sie erst vor ein paar Monaten wegen Fahrerflucht einen Menschen auf dem Gewissen hat, will mir nicht so recht in die Entwicklung passen. Aber Teenager sind eben wankelmütig. Trotzdem bedient sie mit ihrer Aktion genau das, was Jessica befürchtet hatte. Leo scheint ein schlechter Einfluss zu sein. Als Zuschauer hängt man nun zwischen den Stühlen. Man spürt eine gewisse Chemie zwischen Dana und Leo, auch wenn Sam Underwood einen Gesichtsausdruck hat, der bei mir einfach nur ein Würgegefühl auslöst. Trotzdem stehen die psychiatrischen Akten dagegen, die Leo als Mörder seines Bruders ausweisen. Obwohl Dana einer meiner Lieblingscharaktere ist, so gefällt mir diese Fluchtstoryline inklusive des gefährlichen Gefährten nicht mehr. Als Freund und Anknüpfungspunkt hat Leo funktioniert, um die Beziehung zwischen Dana und Jessica zu entwickeln. Jetzt entsteht aber schon wieder eine sehr eigenständige Geschichte, die zunächst zu viele Parallelen zu Finn Walden aufweist und einfach nicht zum Schwerpunkt der Serie gehört. Ich hoffe, dass sich hier schnell ein Ziel zeigt oder aber nur wenige Szenen darauf verwendet werden. Immerhin hatte Dana in ihrer Flucht zumindest den Bezug zu sich und ihrem Vater hergestellt. Die Szene am Zaun, wo sie ihren Vater damals in den Irak verabschiedete und glaubt, dass er damals das letzte Mal ehrlich zu ihr war, ist sehr gelungen und hoffentlich noch sehr bedeutsam.
"We know who you are!"
Eine Szene muss ich noch hervorheben, aus zweierlei Sicht. Erstens muss ich Jessica sehr loben. Die Vorurteile von Leos Eltern, die Dana als den schlechten Einfluss ansehen, weil sie alles aus der Zeitung wissen, ist wirklich krass. Man sollte schließlich immer erst mal vor der eigenen Tür kehren. Ich wäre jedenfalls nicht so ruhig und sachlich geblieben, wie Jessica das in dem Moment geschafft hat. Diese Fassung zu wahren, muss unfassbar schwer sein. Dieser kurze Moment hat sehr schön deutlich machen können, wie extrem die Situation für die Familie ist. Jeder kennt sie, jeder bildet sich seine Meinung und man ist immer in der Defensive. Von diesem Alltag würde ich viel lieber mehr sehen, aber mit Dana, und nicht nur ihretwegen.
Der zweite nicht auszulassende Aspekt ist das plötzliche Auftauchen von Mike. Natürlich bin ich froh, dass er wieder da ist, weil er in Jessicas Leben eine wichtige Rolle spielt und aus der Familie eigentlich nicht mehr wegzudenken ist. Allerdings ist zu Beginn der Staffel eben genau das passiert. Er wurde einfach weggedacht und fehlte an doch entscheidenden Stellen, wie der Rückkehr von Dana. Jetzt ist er plötzlich wieder da, als sei nichts gewesen. Immerhin kam an irgendeiner Stelle der Kommentar, dass Jessica ihn nicht hätte von sich weisen sollen, doch das ist mehr als unbefriedigend und eigentlich auch nicht logisch. Hätte man ihm nicht einfach dienstlich zwei Monate versetzen können? Das hätte mehr Sinn gemacht, denn Mike ist nicht der Typ, der plötzlich nicht mehr da ist. Jessica hätte seine Hilfe auch gebraucht und falscher Stolz macht auch keinen Sinn. So schwer die Situation für die Autoren durch die neue Serienrolle von Diego Klattenhoff auf gewesen sein mag, so enttäuscht bin ich doch von der Lösung. Und offenbar gibt es ja Zeitfenster, um ihn am Set zu haben. Und da muss ich ehrlich sagen, hätte ich ihn statt in dieser Episode lieber in der ersten gesehen.
"How did you arrange my release?"
Der Schwerpunkt der Episode liegt derweil weiter bei Carrie, die vollkommen überrascht dann doch entlassen wird und sich nun einer heiklen Situation gegenüber sieht. Die Drahtzieher für Carries Freiheit sind ihr zuwider und sie versucht irgendwie ihren Weg aus den Ereignissen zu gehen, doch ihr sind alle möglichen Steine in den Weg gelegt worden. Bei dem Aufwand ist es schier unverständlich, dass die CIA Carrie nicht zu fassen bekommt und es reicht, dass Virgil ihr ein geheimes Signal gibt. Carrie versucht jedenfalls alles, um ein Treffen zu verhindern, stellt aber fest, dass sie nichts tun kann, kein Geld hat, kein Auto usw. Da trifft es sich doch gut, dass sie noch weiß, wo eine ihrer Affären wohnt. Carrie sucht zurecht einen Ausweg, weil sie aufrichtig handeln möchte. Allerdings ist die Situation schon sehr ausweglos. Entsprechend wird sie dann auch zum Treffen gebracht, bekommt offenbart, dass sie mit Informationen für einen Partner aus dem nahen Osten gegen die CIA arbeiten könne und stellt ihre Bedingungen. Ich war bereit, Carrie zu glauben, dass sie sich gegen die CIA entscheidet, aber dann kam ja noch der Paukenschlag.
"It worked, Saul!"
Alles war nur ein Spiel, ein Ablenkungsmanöver, um an Javadi heran zu kommen, den man nun über Carrie zu treffen glaubt. Ich bin auch jetzt immer noch unentschlossen, wie ich diesen Twist werten soll. Auf der einen Seite hat man vier Episode gewartet, dass die Story mal wieder richtig in Gang kommt, ist man aus den ersten Staffeln ja doch gewohnt gewesen, dass man am Ende einer Episode wieder alles überdenken muss. Irgendwie war das Ende also genial und ein wichtiger Impuls. Auf der anderen Seite schwirren jetzt so dermaßen viele Fragen durch den Raum, dass ich gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Ab welcher Stelle war das geplant? Ganz von Anfang an oder beispielsweise erst, als Virgil Carrie ein Zeichen gegeben hatte? Es fällt doch schwer, zu erkennen, ob alles einen Sinn macht. Carries Aufgewühltheit lässt so viele Möglichkeiten zu, immerhin ist sie wirklich krank. War Sauls Diffamierung von Carrie im Senat schon geplant? Warum war Carrie dann so entsetzt vor dem Fernseher? Oder kam alles erst später. Carrie ist schon immer einen sehr schmalen Grat zwischen gespielt und echt gegangen, das war bei ihren Gefühlen für Brody auch immer schon nicht zu trennen. Und jetzt? Waren ihre ständigen Bezüge zu Saul Kapitulationen bezüglich des geheimes Projektes oder doch nur das, wofür man sie gehalten hat. Ich glaube, ich werde das noch ein Weilchen verdauen müssen und es drehen sich auch jetzt noch zu viele Gedanken mit Fragezeichen durch meinen Kopf. Hoffentlich werden auch die nächsten Episoden das Wirrwarr etwas entheddern. Es bleibt aber trotz dieser genialen Wende eine fader Beigeschmack, weil sich die komplette Logik des Gesehenen noch nicht erschließen will.
"You shouldn't have left me in there."
Was dafür aber sehr deutlich wird, ist wie fertig Carrie mit ihren Nerven ist. Sie ist eine gebrochene Frau, kurz vorm Zusammenbruch. Sie trägt so viele Lasten, ihre Krankheit, ihr Verantwortungsgefühl, ihre Emotionen bezüglich Brody und die ständige Gefahr durchzudrehen. Und was macht Saul? Er speist sie mit Durchhalteparolen ab. Natürlich ist er auch enorm stolz, aber man wird das Gefühl nicht los, dass Saul hier Carrie bewusst ins Verderben treibt. Vielleicht sind seine Sorgen auch zu groß, aber wenn man bedenkt, wie er am Ende der zweiten Staffel gehofft hatte, dass Carrie nicht umgekommen ist, fragt man sich schon, wie er da jetzt so zielorientiert sein kann und Carrie regelrecht opfert. Diese hat nämlich für mich jetzt eine Grenze überschritten, in der sie kaum jemals wieder zu einer Art Normalität finden kann. Nun wurde die Serie gerade für eine vierte Staffel verlängert. Wenn man es also nicht besser wüsste, dann hätte diese Episode für mich das deutliche Zeichen gegeben, dass Carrie die Staffel nicht überlebt. Zugrunde gerichtet, wird sie offenbar in jedem Falle. Und eigentlich kann es jetzt nur noch Brody sein, der sie wieder aufrichten könnte.
Fazit
Die Episode nimmt viel Anlauf, hat einige Ecken und Kanten und stellt dann plötzlich alles auf den Kopf. Die Überraschung ist gelungen, aber ob man das positiv werten kann, sei noch dahin gestellt. Der Puls ist wieder hochgegangen und die Gedanken reichen locker für zwei Stunden Podiumsdiskussion aus. Das Spiel jedenfalls geht weiter und die Autoren haben in der Staffel gewiss weitere Überraschungen auf Lager. Man darf nur nicht die Linie überschreiten, bei der es nicht mehr sinnvoll und pure Effekthascherei ist.
Emil Groth - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Game OnErstausstrahlung (US): 20.10.2013
Erstausstrahlung (DE): 30.03.2014
Regie: David Nutter
Drehbuch: James Yoshimura & Alex Gansa
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