Bewertung

Review: #4.05 Dunkle Wolken

#4.05 About A Boy beginnt genau da, wo uns die letzte Folge entlassen hat - bei Carrie und Aayan. Carrie und Aayan!!!? Wer über die Entwicklungen in #4.04 Iron in the Fire geschockt war, wird auch in dieser Episode seinen Mund nicht mehr schließen können. Und das nicht nur wegen Carries 'Femme Fatale'-Auftritt. Auch andere Storylines nehmen ordentlich Fahrt auf. "Homeland" liefert einen Spannungsmoment nach dem nächsten.

"Is there no line, Carrie? Is there no fucking line?"

Danke, Quinn! Er spricht aus, was so mancher Zuschauer vermutlich gedacht hat: Gibt es denn keine Grenze? Carrie mag sich herausreden und es als Rekrutierung bezeichnen. Fakt ist aber: Aayan hat keinerlei Erfahrung mit dem weiblichen Geschlecht. Seine Unbeholfenheit amüsiert zwar (vor allem in der Eingangsszene), aber ein fader Beigeschmack bleibt. Carrie bewegt sich auf sehr dünnem Eis. Denn obwohl Aayan kein Minderjähriger mehr ist, ist eindeutig, wie sehr Carrie ihn manipuliert. Quinn und Fara bringen das Ganze auf den Punkt, indem sie die Arbeit eines Agenten mit genau drei ziemlich treffenden Attributen beschreiben: "Lie, manipulate, exploit." Ein Beispiel erster Klasse: die Art wie Carrie mit Aayan umgeht. Sie erschleicht sich nach und nach sein Vertrauen, kommt ihm sowohl körperlich als auch emotional näher und dehnt dabei den moralisch vertretbaren Bereich zu ihren Gunsten immer weiter aus.

Wie viel davon nun tatsächlich gespielt und wie viel echt ist, ist die große Frage. So gibt es eine Schlüsselszene, die für Aayans Vertrauen zu ihr maßgeblich ist: die Szene, in der Carrie ihm von Brody erzählt. Die ganze bisherige Staffel über hat sich Carrie niemandem gegenüber geöffnet - schon gar nicht, wenn es um Brody geht. Vor Aayan tut sie es. Die Frage ist warum? Sie hätte ihm doch auch irgendetwas an den Haaren Herbeigezogenes auftischen können. Den Wahrheitsgehalt könnte Aayan kaum überprüfen. Warum also gibt sie so viel von sich preis? Klar, sie erreicht ihr Ziel: Aayan vertraut ihr. Sie stellt eine Verbindung zu ihm her. Aber gehören zu einer solchen Verbindung nicht immer zwei? Wer hält sie davon ab, nicht auch für Aayan Gefühle zu entwickeln? Vielleicht keine romantischen (das wäre sicher zu eigenartig, wirkt er im Vergleich zu ihr doch noch wie ein halbes Kind). Aber zumindest loyale, freundschaftliche Gefühle, die im Widerspruch zu ihrer Arbeit stehen. Auch bei Brody standen ihr diese schon einmal im Weg.

Interessant ist übrigens, dass sie sich scheinbar schuldig an Brodys Tod fühlt. So genau hat man dies bis dato noch nie mitbekommen. Klar, sie wird sicherlich auf ihre Art und Weise getrauert haben. Und ja, sie hat Probleme, ihrer Tochter nah zu sein. Doch dass sie sich verantwortlich für das Geschehene fühlt, ist neu – genauso neu wie der Einblick in Carries Gefühlsleben. Was Aayan betrifft, bleiben ihre wahren Motive im Moment noch leicht schleierhaft. Ist Carrie wirklich derart abgebrüht, dass sie ihn bewusst an der Nase herumführen würde? Die 'Affäre' der beiden befindet sich jedenfalls in einer ziemlichen Grauzone. Allerdings ist es auch nicht das erste Mal, dass "Homeland" mit tabubrechenden Situationen aufwartet.

"It can get ugly sometimes."

Persönliche Tabus bricht unterdessen auch Fara. Die wird immer mehr in den Außendienst eingespannt und gibt gemeinsam mit Quinn ein ziemlich gutes Duo ab. Fast hat man den Eindruck, man sieht dem Meister und seiner Schülerin bei der Arbeit zu. Vorbei sind die Zeiten, in denen Fara vermeintlich sichere Tätigkeiten im Hintergrund für Carrie & Co. erledigte. Da nützt es auch nichts, wenn sie in heiklen Situationen zögert und betont, keinen Todeswunsch zu verspüren. Jemanden aus sicherer Entfernung zu überwachen ist wohl derzeit noch ihre geringste Herausforderung. Anders sieht es aus, wenn sie sich mitten ins Geschehen begeben und zum Beispiel einen Peilsender an einem Auto befestigen muss. Hier merkt man ihre Unerfahrenheit. Und das ist auch gut so, denn das ist realistisch. Seltsam wäre es, wenn sie derartige Stresssituationen sofort mit der gleichen Eloquenz, mit dem gleichen Geschick wie Carrie oder Quinn meistern könnte. Ziemlich ungünstig allerdings, dass ihr dadurch ein großer Fehler unterläuft und ihr und Quinn die einmalige Chance durch die Lappen geht, Saul aus seiner Misere zu befreien.

"Using the enemies own way to bring them down, that is the job."

Die beiden Handlungsstränge um Quinn/Fara und Saul werden unglaublich gut miteinander verwoben. Die einen haben absolut keine Ahnung, was gerade mit dem anderen geschieht und umgekehrt. Dabei sind sie sich sooo nah. Quinn und Fara hätten Sauls Rettung sein können. Aber nein, so einfach wird dieser Spannungsbogen dann glücklicherweise doch nicht aufgelöst. Und was für ein Spannungsbogen es ist! Alle denken, Saul wäre auf dem Weg in die sicheren USA. Wenn, ja wenn er am Flughafen nur nicht in einen Hinterhalt geraten würde. Der Jäger wird plötzlich selbst zur Beute. Wer hätte das kommen sehen?

Eigentlich war Saul, ähnlich wie Fara, nur in mehr oder weniger beratender Funktion vor Ort. Und nun gerät er in die Hände des 'Feindes'. Irgendwie skurril. Schließlich ist Aayan bereits zuvor der CIA in die Falle gegangen. Gleichstand könnte man sagen…

Durch Sauls Entführung wird eine Wendung herbeigerufen, die der Serie richtig, richtig gut tut. Denn durch sie kann man auf einige äußert spannende Momente in den nächsten Episoden hoffen.

"Can I trust you?" – "Sure."

Na klar! Wer's glaubt… Einer der momentan undurchschaubarsten Charaktere ist John Redmond. Und ausgerechnet dem hätte Dennis Boyd beinahe anvertraut, dass er von der ISI erpresst wird.

Mit der Geschichte um Martha und Dennis Boyd wird ein ziemlich interessantes Kapitel aufgeschlagen. Die Botschafterin wird von ihrem eigenen Mann betrogen. Und der steckt so tief im Schlamassel, dass er weder ein noch aus weiß. Letztlich ist es sogar ihre ernüchterte Sicht auf ihn, die ihn dazu treibt, den Auftrag der ISI auszuführen und in Carries Wohnung herumzuschnüffeln.

In den ersten Episoden wusste man noch nicht wirklich viel über Martha Boyd. Ist sie nun auf Carries Seite oder gehört sie eher zu denjenigen, die Carrie das Leben schwer machen könnten? Nun mehr Informationen über ihr offensichtlich nicht ganz unkompliziertes Privatleben zu erhalten, tut der Figur gut. Es macht sie sympathischer, irgendwie greifbarer, menschlicher. Dass aber ausgerechnet ihr Mann derjenige ist, der ihr wahrscheinlich noch einige Schwierigkeiten bereiten wird und ihm dabei vermutlich Redmond auf die Schliche kommen könnte, das ist definitiv ein guter Twist. Redmonds Ausspruch "I'm a spy. I know shit." lässt jedenfalls erahnen, dass hier noch einiges mehr zu erwarten ist.

Fazit

Was alles in allem einmal mehr zutage tritt, ist die Frage, wer eigentlich der 'Gute' und wer der 'Böse' in diesem "Homeland"-Szenario ist? Sowohl die CIA als auch die vermeintlichen Terroristen stehen sich in nichts nach. Beide kämpfen mit den gleichen Mitteln - nur auf verschiedenen Seiten. Was unterscheidet Carrie beispielsweise von Abu Nazir? Sie erschleicht sich Aayans Vertrauen genauso, wie Abu Nazir es mit Brody getan hat. Auch sie nutzt die Situation eines Menschen aus, der sich in einer sehr unsicheren, hilflosen Lage befindet. Aayan sagt selbst, dass sein Onkel der einzige Angehörige ist, der ihm noch geblieben ist. Und warum? Wegen Carrie, die ihm gegenüber nun als Retterin in der Not auftritt. Wenn das nicht an Brodys Geschichte erinnert…

Das Katz-und-Maus-Spiel, das sich zwischen CIA und ISI entspinnt, bietet momentan richtig gute Unterhaltung. Bei all der Spannung verliert die Serie aber dennoch nicht ihren kritischen Blick auf die Dinge und liefert immer wieder auch Momente, die einen tiefen Einblick in die Gedanken und Gefühle der Charaktere erlauben. Eine tolle Mischung! Bleiben die kommenden Folgen auf dem gleichen Niveau wie #4.05 About A Boy, schlägt die vierte Staffel einen vielversprechenden Weg ein.

Franziska G. - myFanbase

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