Bewertung

Review: #2.09 Wer Wind säht

Foto: Alfred Enoch, How to Get Away with Murder - Copyright: 2017 ABC Studios; ABC/Richard Cartwright
Alfred Enoch, How to Get Away with Murder
© 2017 ABC Studios; ABC/Richard Cartwright

Man verabschiedet sich in dieser Episode wortwörtlich mit einem Knall in die Winterpause und lässt die Zuschauer dabei mit offenen Mündern und einem Haufen Fragen zurück.

Schon der Beginn der Episode ist unheilverkündend, da sie genau an der rätselhaften Stelle beginnt, an der man sich zuvor verabschiedet hatte: die Waffe im Hapstall-Haus. Wie kommt sie dort hin? Wer ist der Mörder im Hapstall-Fall? Zwar bekommen wir auf diese Fragen keine Antworten, doch man deckt die Geschehnisse rund um Emily Sinclair und Annalise auf. Jene sind verstrickter, als man ahnen konnte und die Konsequenz des Ganzen ist dieses Mal nicht der gestärkte Zusammenhalt der Mittäter sondern das Auseinanderbrechen der Gemeinschaft.

"Annalise, that's what you call her. Why did you choose her over us, the people who loved you your entire life?"

Ich hatte zuvor schon Vermutungen angestellt, ob und wie die Geschichte rund um die Millstones einen Einfluss auf das Unglück von Emily und Annalise hat. Nun zeigt man uns den verheerenden Zusammenhang in voller Pracht und ich muss sagen, dass ich nicht damit gerechnet habe, dass es Asher ist, der in diesem Herbstfinale zum Mörder wird. Innerhalb von Sekunden verwandelt sich der reumütige Asher, der nichts lieber will, als Bonnies Vertrauen zurück zu erobern, in einen trauernden Sohn, der selbst von seiner eigenen Mutter verstoßen wird und dann in einen vor Trauer und Entsetzen kaltblütigen Killer. Matt McGorry stand bisher meist nur am Rande des Geschehens und gehörte dem inneren Zirkel nicht an. Man sah bisher in der Regel nur seine lustige Seite, doch in dieser Episode geben die Autoren dem Schauspieler sehr viel zu tun und ich muss sagen, dass McGorry bewiesen hat, dass er auch Ashers dunkle Seite überzeugend an den Mann bringen kann. Der stumpfe Blick bei dem Gespräch mit seiner Mutter und der anschließende Gefühlsausbruch im Auto waren Szenen, die man bei Asher so noch nicht gesehen hat.

Wenig später ändert sich Ashers Gemütszustand erneut. In blinder Vergeltungslust schaltet Asher alles Denken aus und rächt den Tod seines Vaters, indem er Emily das Leben nimmt. Doch damit nicht genug, erkennt Asher gleich, was er Entsetzliches getan hat. Wie in Trance hilft er anschließend dabei, den Mord zu vertuschen, auch wenn er nicht glaubt, dass man seine Spuren verwischen konnte. Dieses Wechselbad der Emotionen ist äußerst gut gelungen.

"Show me." - "I'm so sorry." - "Stop. She did this to herself."

Mit jedem Schritt, den Emily in dieser Episode tut, macht sie sich mehr Feinde. Zunächst ist es Nate, den sie einfach nicht in Ruhe lassen will, um irgend möglich Annalise zu Fall zu bringen. Ihr Frust über die Niederlage gipfelt schließlich darin, dass sie sich abfällig über Bills Selbstmord äußert, womit sie sich selbst das Grab schaufelt. Innerhalb der Staffel ist Emily bei vielen Personen angeeckt und hat sich äußerst unbeliebt gemacht, was ihr nun zum Verhängnis geworden ist. Als wäre ihr Tod nicht schockierend genug gewesen, setzen die Autoren aber noch eins drauf.

Es reicht nicht, dass Emily ermordet wurde, in guter alter "How to Get Away with Murder"-Manier wird der Tod nun vertuscht. Dabei ziehen zum ersten Mal in der Geschichte der Serie alle Charaktere an einem Strang. Es ist faszinierend, zu sehen, wie sich Michaela, Laurel, Connor und Wes bei ihrem zweiten Mord verhalten und wie sich ihre Einstellung verändert hat. Erneut arbeiten die Studenten sehr zielgerichtet, sind aber dieses Mal weniger schockiert, sondern eher angewidert, dass sie erneut in einen Mordfall verstrickt werden. Besonders Connor und Michaela wollen nicht noch einmal den Kopf für etwas hinhalten, an dem sie nur passiv beteiligt waren und geben damit den Anstoß, der dafür sorgt, dass die Loyalität Annalise gegenüber einreißt.

"Shoot me!" - "I hate you so much."

Nachdem sich die Frage nach dem Mord an Emily geklärt hat, habe ich jedes Mal die Augen aufgerissen, wenn die Waffe ins Spiel kam, da ich befürchtet habe, dass nun der Schuss auf Annalise folgen muss. Die ganze Inszenierung im Hapstall-Haus hatte eine eindringliche Bedrohlichkeit an sich, was an den düstern Lichtverhältnissen, der unheilverkündenden Musik und den blank liegenden Nerven der Charaktere lag. Es ist den Autoren sehr gut gelungen, den Zuschauer vor den Fernseher zu fesseln und man fragte sich in jeder Sekunde, wer nun den Schuss abfeuern wird. Verdächtige gab es weiß Gott genug und ich persönlich hatte den größten Respekt vor Connor und Asher, deren Gefühle in dieser Episode so unvorhersehbar waren, dass ich jeden Moment damit gerechnet habe, dass sich einer der beiden als Schütze entpuppt.

Umso erschütterter war ich, als sich das volle Ausmaß von Annalises Plan zeigte und sie die Studenten auffordert, auf sie zu schießen, um den Mord an Emily Catherine glaubhaft anhängen zu können und Nate, den sie so verzweifelt schützen will, endgültig zu entlasten. Bis zu diesem Moment haben die Studenten zu Annalise aufgesehen und sie teilweise sogar vergöttert, weil sie so eine starke und erfolgreiche Frau ist, dass man garnicht anders kann, sie zu bewundern. Dieser Eindruck bröckelte die letzte Zeit über immer mehr, da Annalise die Zügel der Keating Five sehr kurz hielt und es nur eine Frage der Zeit war, bis sie sich von ihr befreien wollen. Indem Annalise dann fordert, dass man auf sie schießt, scheint das Band zwischen den Studenten und Annalise vollends zu reißen. Es ist schaurig und fesselnd zugleich, als einer nach dem anderen aufgefordert wird, einen Schuss auf die Juristin abzugeben und man sich fragt, bei wem von ihnen der Freiheitsdrang oder die Unterwürfigkeit so groß ist, dass er die Waffe erhebt. Einer nach dem anderen erteilt Annalise eine Absage, bis Annalise so verzweifelt ist, dass sie Rebeccas Tod gesteht und genau weiß, was dies in Wes auslösen wird.

Der Moment, in dem Wes die Waffe von Annalises Bein in Richtung ihrer Brust bewegt, war einmalig und man konnte in den Augen von Alfred Enoch die Abscheu, Trauer und Wut erkennen, mit der er die einst strahlende Dozentin nun betrachtet. Nur Sekunden nach dem Schuss macht Wes einen weiteren Schritt auf die bereits am Boden liegende Annalise zu und richtet die Waffe auf ihr Gesicht. Voller Entsetzen glaubt man nun, dass Wes drauf und dran ist, erneut zum Mörder zu werden, doch an dieser Stelle bauen die Autoren eine unerwartete Wendung ein.

Viola Davis hat in dieser Episode eben so sehr ihr Können unter Beweis gestellt, indem sie den krampfhaften Versuch, Nate aus der ganzen Misere rauszuhalten, eindrucksvoll über die Bühne brachte. Nachdem sie von Emilys Tod erfahren hat, scheint für Annalise die Welt zusammen zu brechen und man kann die von ihr ausgehende Hilflosigkeit geradezu anfassen. Doch dann nimmt sich die Überlebenskünstlerin zusammen und brütet einen Plan aus, der riskanter nicht sein könnte. Die Verzweiflung, mit der Annalise ihre Studenten überreden will, sprüht Davis aus jeder Pore aus und ihr zittriges Gebaren unterstreicht zusätzlich, wie dringend sie jemanden braucht, der sie unterstützt. Man könnte nicht authentischer zeigen, das Annalise sich an die Grenzen ihrer Weisheit begibt.

"What did we do?"

Als wäre diese Episode nicht schon dramatisch genug gewesen, so hat man in der letzten Minute noch einen besonderen Leckerbissen für uns parat. Schon häufig kam die Frage auf, was die geheimnisvoll Verbindung zwischen Annalise und Wes ist. Weshalb haben die beiden von Beginn an einen Draht zu einander und warum ist es Annalise so wichtig, dass es Wes gut geht? Man bekommt noch keine konkrete Antwort auf diese Fragen, doch zeigt man uns, wie weit die Geschichte der beiden schon zurückreicht. Ich bin äußerst gespannt, welche Entdeckungen wir noch über den Tod von Wes' Mutter machen werden und wie Eve sich in das Bild einfügt.

Fazit

Das Herbstfinale war Spannung pur und bringt mehr Tod, Verzweiflung und erschütternde Gewissheiten, als man vorher annehmen konnte. Durch Annalises Aufforderung distanzieren sich die Studenten zum ersten Mal von ihrer Dozentin, was dafür sorgen wird, dass die Dynamik in den restlichen Episoden eine ganz andere sein wird als bisher.

Marie Florschütz - myFanbase

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