Bewertung
Viguié, Debbie & Holder, Nancy

Hexenkuss

Eine junge Liebe - Ein uralter Fluch

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Inhalt

Das Leben der sechszehnjährigen Holly Cathers mutiert langsam aber sicher zu einem Albtraum. Nachdem ihre Eltern und ihre beste Freundin Tina während eines gemeinsamen Rafting-Ausfluges gestorben sind, verschlägt es sie von San Francisco ins verregnete Seattle. Dort wird sie von ihrer fremden Tante Marie-Claire und deren Töchtern Amanda und Nicole mit offenen Armen empfangen und in die Familie integriert. Es dauert nicht lange und merkwürdige Ereignisse lassen in Holly Zweifel aufkommen, ob sie wirklich so gewöhnlich ist, wie sie bisher immer glaubte. So kann ihre taube Katze Bast sie anscheinend besser verstehen, als sie dachte, und ständige Visionen aus der Vergangenheit ergreifen immer mehr Besitz von ihr. Als sie schließlich Jeraud Deveraux begegnet, weiß sie, dass etwas Außergewöhnliches im Gange ist. Denn Jerauds und Hollys Familien sind seit Generationen in eine schicksalhafte Fehde verstrickt, in deren Verlauf ihre Vorfahrin Isabeau Cahors und deren Gemahl Jean Deveraux ein tragisches Ende fanden. Und plötzlich erkennt Holly in Jeraud den Mann (Jean) aus ihren Visionen wieder und das Feuer der Liebe entbrennt erneut.

Kritik

Worauf achtet man beim Kauf einer Lektüre als erstes? Natürlich isst das Auge mit und so entscheidet zumeist die Optik eines Buches, ob es eines zweiten Blickes würdig ist und später eventuell im Einkaufskorb landen wird. Kann das Cover überzeugen, führt man sich die Inhaltsangabe und bei Bedarf noch die erste Seite zu Gemüte, und die Entscheidung ist gefallen. Der Urban-Fantasy-Schmöker "Hexenkuss", ein Gemeinschaftsprojekt der Autorinnen Nancy Holder und Debbie Viguié, erfüllte meine Buchkriterien auf Anhieb und enttäuschte trotz dessen auf ganzer Linie.

Das Cover ist ein echter Eyecatcher und sehr schön gestaltet, der Klappentext verspricht einen spannenden und irgendwie auch typischen Jugend-Fantasy-Roman, und die erste Seite beginnt sehr vielversprechend ... nur leider folgt das böse Erwachen bereits innerhalb der ersten Kapitel. Denn diese Lektüre ist nichts Halbes und nichts Ganzes.

Wo fange ich am besten an? Nehmen wir doch vorweg die Charaktere, da sie neben dem Plot die wichtigsten Faktoren für ein gelungenes Leseerlebnis darstellen. Hier hätten wir die Hauptprotagonistin Holly, ein typisches Mädchen im Teenager-Alter, dessen Eltern und beste Freundin während eines gemeinsamen Rafting-Ausfluges ums Leben kommen. Woraufhin Holly zu ihrer unbekannten Tante nach Seattle ziehen und rasch feststellen muss, dass sie kein gewöhnliches Mädchen zu sein scheint. Schließlich ist sie eine Hexe. Klingt erst einmal nicht wirklich außergewöhnlich und originell, ist es auch nicht. Doch können andere Autoren diesen Genres solch einem Klischee mit glaubhaften Charakteren und einer gelungenen Handlung entgegenwirken, indem sie eine Nähe zu den beteiligten Personen herstellen und einen geschickten Spannungsbogen einführen, sieht die Realität in diesem Fall ganz anders aus.

Hauptsächlich spiegelt sich das Kernproblem in der Breite der unterschiedlichen Perspektiven wieder. Statt sich auf nur eine Person zu konzentrieren, schildern Holder und Viguié die Story aus der Sicht aller möglichen Protagonisten – selbst unwichtige Nebencharaktere und der Antagonist werden so ins (rechte) Licht gerückt – und das nicht gerade geschickt. Auf diese Weise bleibt Holly, die eigentlich den Hauptpart übernehmen sollte, überwiegend fremd und unzugänglich. Entsprechend geht selbst der Unfalltod ihrer Eltern, den man als Leser mehr oder weniger miterlebt, spurlos an einem vorbei und berührt nur wenig, bis gar nicht. Im Ganzen wird alles sehr Oberflächlich gehalten und dass macht es dem Leser nahezu unmöglich, mit den Protagonisten mitfiebern zu können. Tiefgang und Charakternähe scheinen hier Fremdwörter zu sein.

Des Weiteren tauchen immer wieder Rückblicke aus der Vergangenheit auf, in der die tragische Liebesgeschichte der jungen Isabeau Cahors und ihres Gemahls Jean Deveraux geschildert wird. Beide stammen aus verfeindeten Familien ("Romeo und Julia" lassen grüßen) und gehören einem Hexengeschlecht an, jeweils mit dem Hang zum Okkulten. Das ist auf den ersten Blick interessant, aber gleichzeitig auch sehr irritierend. Denn es werden wiederholt abstruse Ereignisse mitten in ein Kapitel hineingeworfen und die beiden Charaktere sind alles andere als sympathische Zeitgenossen. Isabeau und Jean sind nämlich keine Kinder von Traurigkeit und an beiden klebt bereits das Blut unschuldiger Opfer aus zahlreichen Ritualmorden. Zudem baut ihre Liebe auf Verrat und Magie auf.

Aber was hat das alles mit Holly zu tun? Das wird schnell deutlich und total unspektakulär aufgeklärt. In Holly lebt gewissermaßen die Seele ihrer Vorfahrin Isabeau weiter und in ihrem Love Interest Jeraud (kurz Jer genannt) deren Seelengefährte Jean. Der Ansatz dieser Idee ist nicht schlecht und bietet durchaus eine Menge an Potential, das war es dann aber auch schon. Während Holder und Viguié sich größtenteils auf alles Unwichtige konzentrieren, nur nicht auf das Wesentliche, bleibt selbst die Liebesgeschichte zwischen Holly und Jer (der eigentlich mehr den Reizen seiner Uniprofessorin erliegt) auf der Strecke. So fühlen die beiden sich wie magisch zueinander hingezogen, sehen sich im Verlauf der Geschehnisse aber so gut wie gar nicht, und wenn, dann nur für wenige Wimpernschläge. Diese Momente kann man sich dann wie in einen Stummfilm vorstellen. Getreu dem Motto: "Reden ist Silber, Schweigen (in Form von Anstarren, Fummeln oder Knutschen) ist Gold".

An Sprache und Stil erkennt man, dass Holder und Viguié alte Hasen im Geschäft sind und sich (eigentlich) im Schreibhandwerk auskennen. Dennoch wirken gerade die Gedankengänge der jungen Protagonisten, in der personalen Erzählperspektive geschildert, an manchen Stellen steif und unpassend. Zumindest klingt es oftmals untypisch für Minderjährige und ist dementsprechend anfangs gewöhnungsbedürftig. Außerdem wird mehrfach die französische Sprache gebraucht, was sich einerseits sehr schön anhört, für Laien jedoch schnell nervig und unverständlich werden kann.

Ein entscheidenes Manko in "Hexenkuss" ist schließlich, dass viele Szenen oftmals nur kurz umschrieben und nicht bildlich dargestellt werden. Dadurch fällt es nochmals schwerer, sich in der Lektüre richtig fallen und zugleich ein Bild im Kopf entstehen zu lassen. An vielen Stellen wirkt die Story unausgegoren und lieblos zusammengeschustert – einzelne Abschnitte gehen zusammenhangslos ineinander über und verwirren nur unnötig, besonders zum Ende hin. So wird hier zwar reichlich schwarze Magie praktiziert und die "zauberhaften" Cousinen Holly, Amanda und Nicole machen sich ans Werk, um das Böse mit Bannzaubern usw. abzuwehren, aber das alles wird nur in wenigen Sätzen beschrieben und nicht näher erläutert. So werden aus ahnungslosen Teenagern schlagartig geschulte Hexen, die genau wissen, was zu tun ist.

Folglich ist Recherche ja gut und schön, wie Nancy Holder ihre Besuche bei einer Hohepriesterin im Vorwort so schön anmerkt, nur bringt es dem Leser leider nichts. Wie sagt man so schön? Wissen ist Macht. Dennoch sollte man sie in manchen Fällen auch teilen (idealerweise mit einer überschaubaren Einführung), sonst hat man als Autor zwar selbst etwas davon, der Leser dagegen tappt überwiegend im Dunkeln oder wird überfordert. Und das ist eindeutig nicht Sinn und Zweck eines gut durchdachten Romans. Daher empfehle ich lieber "Sixteen Moons – Eine unsterbliche Liebe" des Autorenduos Kami Garcia und Margaret Stohl. Bietet diese Fantasy-Romanze doch alles, was ich in "Hexenkuss" sehnlichst vermisst habe.

Fazit

Im Hexenkessel brodelt es gewaltig: Ein gutes Rezept liegt vor, nur leider fehlt es hier an den richtigen Zutaten und einer gelungenen Mischung. Obwohl durchaus spannende wie prickelnde Momente geboten werden, können sie nicht über die andauernde Oberflächlichkeit der Charaktere sowie etlicher Handlungsstränge hinwegtrösten und machen aus dem "Hexenkuss" einen Todeskuss. Bleibt zu hoffen, dass der Fortsetzungsband "Hexentochter" (erscheint im Januar 2011) es schafft, den Leser wieder wach zu küssen und somit aus dem Dornröschenschlaf zu befreien. Lesen auf eigene Gefahr!

Doreen B. - myFanbase
31.12.2010

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