Bewertung
Cashore, Kristin

Die Flammende

Wer das Mädchen mit den Haaren wie Feuer einmal gesehen hat, wird sie nie wieder vergessen.

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Inhalt

In den Dells, eines der sieben Königreiche, wächst die siebzehnjährige Fire heran. Mit ihren flammenden Haaren und ihrer außergewöhnlichen Erscheinung verdreht sie den Menschen in ihrer Umgebung den Kopf - entweder sie hassen oder vergöttern das Mädchen mit der musikalischen Ader, das allgemeinhin als Monster bezeichnet und von vielen gefürchtet wird. Schuld daran ist Fires verstorbener Vater Cansrel, der die Gedanken der Menschen manipuliert und für seine Zwecke missbraucht hat. Auch Fire verfügt über diese machtvolle Gabe, setzt diese aber allein zum Selbstschutz ein und lebt zurückgezogen in den Wäldern, zusammen mit ihrem Jugendfreund Archer.

Als zwei Wilderer unabhängig voneinander in das Revier von Lord Archer eindringen und während der Gefangenschaft durch einen unbekannten Bogenschützen hingerichtet werden, ist es an Archer, sich dieses Rätsels anzunehmen. Zusammen mit Fire macht er sich auf den Weg zu König Nash, der sich gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Brigan auf einen nahenden Krieg mit den verfeindeten Nachbarreichen vorbereitet. Während Nash sofort Feuer und Flamme für Fire ist, verhält sich Brigan ihr gegenüber verschlossen und kaltherzig. Nicht einmal in die Gedanken des ruppigen Oberbefehlshabers vermag sie einzudringen. Für Fire ein frustrierendes und faszinierendes Erlebnis zugleich, denn langsam machen sich widersprüchliche Gefühle in ihr breit.

Kritik

Machen wir es kurz: ich bin ein wenig enttäuscht. Hatte ich mich nach dem grandiosen Debütroman "Die Beschenkte" noch auf ein weiteres High-Fantasy-Abenteuer der talentierten Nachwuchsautorin Kristin Cashore gefreut, legte ich die gelesene Lektüre am Ende mit gemischten Gefühlen beiseite. "Die Flammende" hat großes Potential und hält einige wunderbare Ideen bereit, gar keine Frage. Aber ehrlich gesagt habe ich mir von der Geschichte um die monsterartige Fire mehr erhofft.

Dabei beginnt der Prolog vielversprechend und fördert einen alten Bekannten zutage, den man bereits aus "Die Beschenkte" kennt. Schnell wird deutlich, dass die Handlung um die gedankenmanipulierende Fire rein gar nichts mit den Ereignissen um Katsa und Bo zu tun hat und gewissermaßen eine indirekte Vorgeschichte darstellt (den Bösewicht betreffend), deshalb ist es gleichgültig, ob man Cashores Romandebüt gelesen hat, oder nicht.

Erneut spielt die Geschichte in den sieben Königreichen, dieses Mal befinden wir uns allerdings in einer weit entfernten Region. Das zumindest lässt sich anhand der Tatsache erahnen, dass die Menschen der Dells von der Existenz der Beschenkten nichts wissen, zudem unterscheiden sich Flora und Fauna beträchtlich. Von bunten Monstertierchen umgeben, denen es nach dem Fleisch der Menschen dürstet, wächst die junge Fire heran. Ihr flammendes Haar und ihre auffällige Erscheinung sind sichtbare Beweise für ihre wahre Herkunft. Denn ihr skrupelloser Vater Cansrel stammt von den bunten Kreaturen ab und besaß somit die gleiche Monstergabe, die er an Fire weitervererbt hat: Gedankenkontrolle. Doch während Fire behutsam mit ihren Fähigkeiten umgeht, nutzte der mittlerweile verstorbene Cansrel sie zu seinem eigenen Vorteil.

In zahlreichen Rückblicken wird das Verhältnis zwischen Vater und Tochter näher beleuchtet und man bekommt schnell eine Ahnung davon, dass Fire keine leichte Kindheit hatte. Sie wirkt auf ihr Umfeld befremdlich und betörend zugleich, ist aber in Wirklichkeit ein zerbrechliches Mädchen, das oftmals beschützt werden muss. Cashore hat mit ihr eine Protagonistin erschaffen, die kreativ und mutig ist, im Verlauf der Handlung wächst und ihren Idealen dabei stets treu bleibt. Eine Figur, mit der man gerne mitfiebert und leidet ... bis zu einem gewissen Grad. Ihre Erscheinung gleicht einem Engel, gutherzig und selbstlos, manchmal jedoch zu gut und leider auch schwach. Besonders, wenn sie ihre Periode bekommt, was unnötigerweise in fast jedem zweiten Kapitel der Fall ist. Dann ist Fire besonders gefährdet, weil die Monster sich sofort auf sie stürzen würden. Das geht ein wenig auf Kosten der ohnehin schon schleppenden Spannung und nervt schnell, da es ständig wiederholt wird.

Die Neugierde, die anfangs aufkommt, ebbt bald ab. Cashore wirft interessante Charaktere in die Handlung hinein und zieht den roten Faden geschickt, wenn auch an einigen Stellen vorhersehbar. Nur fehlt es an dem gewissen Etwas. Weder die anbahnende Liebesgeschichte zwischen Brigan und Fire schafft es durchweg zu fesseln, da die beiden stets getrennt werden und Brigan folglich nur selten präsent ist (von romantischen Gefühlen kaum eine Spur), noch sind die Intrigen der Gegner wirklich packend. Dafür wird über die Feinde einfach zu wenig preisgegeben. Alles verliert sich irgendwann in Kriegsgeschehnissen, die in kurzen Berichten abgehandelt werden und nicht wirklich an den Ereignissen teilhaben lassen. Selbst der besagten Person aus dem Prolog wird nur eine kleine Rolle zuteil. Zu Anfang wird sie einem gewissermaßen vor die Füße geworfen, dann taucht sie Ewigkeiten nicht auf und offenbart sich schließlich in einem, sagen wir mal, etwas unspektakulärem Showdown – die Zusammenhänge in der Handlung sind erkennbar, passen (in meinen Augen) aber nicht ins Gesamtpacket bzw. hätten gerne ausgespart werden können.

Im Ganzen ist "Die Flammende" sicherlich eine Sache des persönlichen Geschmacks und der Erwartung, mit der man an diesen Roman heran geht. Kristin Cashore hat eine bildgewaltige Welt erschaffen, die von vielseitigen Charakteren und ungewöhnlichen Kreaturen bewohnt wird. Aus dem Plot hätte man dennoch mehr machen können und die etlichen Wiederholungen, sprachlich wie inhaltlich, rauben der Geschichte bald den nötigen Reiz. Hoffentlich weiß Kristin Cashore mit ihrem dritten Roman "Bitterblue" (engl. Originaltitel) wieder mehr zu überzeugen. Dann bekommt die kleine Prinzessin aus "Die Beschenkte" nämlich ihre ganz eigene Geschichte.

Fazit

Ein High-Fantasy-Abenteuer, das trotz wunderbarer Ideen und interessanter Charaktere auf Sparflamme kocht und aus dem man mehr hätte machen können - reicht an "Die Beschenkte" bei weitem nicht heran, bietet aber eine nette Unterhaltung für zwischendurch.

Zur Rezension von Band 1 "Die Beschenkte"

Doreen B. - myFanbase
06.04.2011

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