Bewertung
Suarez, Daniel

Darknet

"Das Leben schmeißt einen an irgendeiner Kreuzung raus, und eh man sichs versieht – zack! -, dient man einem weltumspannenden kybernetischen Organismus. Immer die gleiche Geschichte."

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Inhalt

Immer mehr Menschen schließen sich dem Daemon an, einem mächtigen Organismus aus Computerprogrammen, erschaffen von einem inzwischen verstorbenen Videospielerfinder, um über das Darknet, dem eigenen sozialen Netzwerk des Daemons, Stück für Stück eine neue Zivilisation zu errichten. Während der Wert des US-Dollars rapide sinkt und die Benzinpreise horrend steigen, bauen die Darknet-Mitglieder neue, autarke Gemeinden auf. Die Welt ist im Umbruch begriffen, doch die Männer am Hebel der Macht, die Wirtschaftsbosse, stemmen sich gnadenlos gegen die Entwicklung und schrecken ebenso wenig wie der Daemon vor Gewalt zurück, um ihr System durchzusetzen.

Kritik

"Darknet", die Fortsetzung des erfolgreichen Cyber-Thrillers "Daemon", erlaubt dem Leser eine andere Perspektive auf das Geschehen als der Vorgänger und setzt sich sehr kritisch mit der modernen Marktwirtschaft und der westlichen Demokratie auseinander. Im ersten Teil haben wir das weltumspannende Gewebe aus Computerprogrammen, das als Daemon bezeichnet wird, noch in erster Linie als das Werk eines Wahnsinnigen empfunden, als eine seelenlose, furchtbare Bedrohung, die reihenweise Blutbäder unter denen angerichtet hat, die sich ihr entgegengestellt haben. "Darknet" jedoch zeigt uns die andere Seite der Medaille und stellt uns das soziale Netzwerk vor, das der Daemon für seine menschlichen Anhänger geschaffen hat und das eine neue Form der Demokratie etabliert.

Die Darknet-Mitglieder leben wie in einem globalen Computerspiel. Die Fähigkeiten und Privilegien jedes Einzelnen steigen durch seine erbrachten Leistungen und die Bewertungen, die er von anderen Mitgliedern erhält. Aussehen, ethnische Zugehörigkeit oder Religion spielen keine Rolle mehr. Die Darknet-Mitglieder stimmen nicht alle vier Jahre darüber ab, wer sie politisch führen soll, so wie es in der uns vertrauten Demokratie der Fall ist, sondern entscheiden jeden Tag gemeinsam darüber, was zu tun ist, was sie brauchen und welche Ideen verwirklicht werden sollen. Sie stehen in ständigem Austausch miteinander. Natürlich ist auch diese Gesellschaft (noch) lange nicht perfekt, aber dem Leser erschließen sich mehr und mehr die Vorteile und die interessanten Möglichkeiten dieser neuen Zivilisation, was gleichzeitig etwas Erschreckendes an sich hat, da wir schließlich genau wissen, dass das Darknet auf einem sehr blutigen Fundament errichtet ist. Tausende von Menschen, darunter viele Polizisten, die nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben, wurden vom Daemon regelrecht abgeschlachtet. Darin liegt eine der Kernfragen, die der Autor Daniel Suarez aufwirft: ist es legitim, dass Menschen sterben, damit eine neue, fortschrittlichere Kultur entstehen kann? Blickt man in unsere reale Geschichte, so wird man feststellen, dass immer schon Kulturen untergegangen und dafür neue entstanden sind. Die heutigen USA zum Beispiel haben sich aus der gewaltsamen Unterdrückung der Amerikanischen Ureinwohner entwickelt, und wenngleich dies heute in den Geschichtsbüchern pflichtschuldig bedauert wird, gibt man den Ureinwohnern das Land ja auch nicht zurück.

Waren die Gegner des Daemons im ersten Teil noch Personen, die es als ihre Pflicht erachtet haben, diese vermeintliche Bedrohung der Menschheit zu bekämpfen, so sind die aktuellen Feinde vor allem Wirtschaftsmogule, denen es nur um ihren eigenen Vorteil geht und die nicht die Computerprogramme, sondern die menschlichen Anhänger angreifen. Viele der Protagonisten aus dem ersten Band, die als Bekämpfer des Daemons angefangen haben, gehören nun zum Darknet. Sie hegen zwar noch Zweifel und Widerwillen, schließlich haben sie die Gewalttaten des Daemons am eigenen Leib erfahren, aber wie bei uns Lesern auch verschieben sich ihre Perspektiven und sie erkennen die Chancen, die diese neue Zivilisation bietet.

Dadurch, dass diesmal vor allem die menschlichen Anhänger des Daemons im Vordergrund stehen, liest sich "Darknet" flüssiger und spannender als der erste Teil. Zum Einen werden wir viel weniger mit technischen Details bombardiert und zum Zweiten erscheint der Daemon nicht mehr so übermächtig, da wir jetzt die verletzlichen Elemente, den Faktor Mensch, sehen. Unter anderem erleben wir einen durchaus brutalen Zweikampf zwischen dem führenden Daemon-Agenten und dem obersten Kriegsherrn der Wirtschaftsbosse.

Gemeinsam ergeben die Romane "Daemon" und "Darknet" ein komplexes Ganzes, das dem Leser verschiedene Eindrücke bietet, sehr kontrovers und kritisch ist und vor allem fasziniert. Man sollte schon beide Bücher in der richtigen Reihenfolge lesen, damit sich die ganze Wirkung entfaltet.

Fazit

"Darknet" ist ein spannender, faszinierender Cyber-Thriller, der im Verbund mit dem Vorgänger "Daemon" viele kritische Fragen und interessante Überlegungen aufwirft.

Zur Rezension von Band 1: "Daemon"

Maret Hosemann - myFanbase
20.07.2011

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