Bewertung

Review: #3.13 Der Mann aus Tallahassee

Nach zweieinhalb Staffeln ist eines der zahlreichen Rätsel gelöst, die mich seit Beginn der Serie brennend interessiert haben: Wie ist Locke im Rollstuhl gelandet?

Gebrochen

Seit Anthony Cooper in das Leben seines Sohnes getreten ist, verlor dieser nicht nur eine Niere, sondern auch ein Stück seiner Freiheit. Das traumatische Erlebnis, dem Vater nicht viel mehr Wert zu sein als ein anonymer Organspender, ist für einen Menschen schwer zu verkraften. Wie lange Lockes Erlebnisse mit seinem Vater nun zurück liegen, bleibt offen, doch es wird schnell klar, dass Locke es noch immer mit sich herumträgt und es ihn beschäftigt, tagein tagaus.

Kein Fünkchen Güte steckt in seinem angeblichen "Vater" Anthony Cooper, der auch weiterhin nicht müde wird, sein Leben nur mit Gaunereien und Lügen aufrecht zu erhalten. Dass Locke andere Leute vor dem Schicksal, das er durchleben musste, bewahren will, zeigt jedoch, dass er gewillt ist, sich mit seinem Vater auseinander zu setzen. Natürlich wird er auch dieses Mal wieder bitter enttäuscht und muss zudem auch noch feststellen, dass Anthony nicht nur andere Menschen um ihr teuer verdientes Geld betrügt, sondern jeden, der sich ihm in den Weg stellt, eiskalt ausschaltet. Es ist beinahe schon schmerzhaft mit anzusehen, wie Locke dennoch nie den Glauben an seinem Vater verliert und insgeheim weiter hofft, dass er zu ihm durchdringen kann. Für dieses fast schon blauäugiges Vertrauen in einen Mann, der sich nur selbst der Nächste ist, erntet Locke schließlich die bittere Quittung. Er hat durch seinen Vater am Ende nicht nur eine Niere verloren, sondern auch seine persönliche Freiheit. Der Mann, in den er so große Hoffnungen gesetzt hatte, warf ihn ohne zu zögern aus dem achten Stock eines Hochhauses und fesselt in an einen Rollstuhl.

Hier sei kurz erwähnt, dass die Kameraarbeit Johns Angst vor dem freiheitsraubenden Rollstuhl wirklich grandios einfangen konnte.

Das U-Boot

Es ist schon verständlich, dass Locke die Insel unter keinen Umständen verlassen will. Immerhin hat dieser Absturz ihm ein Stück der verloren gegangenen Freiheit wieder gegeben. Der ungeliebte Rollstuhl ist weg, Locke kann sich wie durch ein Wunder wieder frei bewegen. Zu groß ist die Angst, dass mit dem Verlassen der Insel, ihm diese Freiheit wieder genommen wird. Was mir nicht so recht einleuchten will, ist, warum er dafür sorgen will, dass niemand anderes die Insel verlässt. Da keiner der Anderen ein solches Vorhaben jemals geäußert hat (abgesehen von Juliet) könnte Locke sich doch zum Beispiel der Gruppe um Ben anschließen und dabei zusehen, wie die anderen mit dem U-Boot in ihre Welt verschwinden. Ihn mit Gewalt von der Insel herunter zwingen, wird wohl keiner. Darum frage ich mich ernsthaft, ob es nötig war, das U-Boot wirklich zu zerstören. Nun gut, später sollte uns ja ein Grund geliefert werden, der für mich jedoch auch nicht sonderlich verständlich war, denn wie wahrscheinlich ist es, dass Lockes Vater sich wirklich auf die Suche nach ihm gemacht hätte, um zu beenden, was er mit dem Stoß aus dem Haus begonnen hatte.

Mit der Zerstörung des einzigen Fluchtwegs stellt Locke sich nun endgültig gegen Jack und die anderen Überlebenden von Flug 815, denn die einzige, reelle Chance auf Rettung flog mit dem alten Boot in die Luft. Nun hat Locke eigentlich nur noch eine Möglichkeit: sich Ben und den Anderen anschließen, was er am Ende ja mehr oder weniger freiwillig auch tut.

Ben

Auch wenn Ben durch die Operation geschwächt sein mag, so hält er doch immer noch die Fäden in der Hand. Nichts geschieht ohne seinen Willen und wie manipulativ er sein kann, selbst aus dem Krankenbett heraus, macht diese Episode einmal mehr deutlich. Durch den Deal mit Jack sah es bereits so aus, als würde Ben seine Stellung in der Gruppe der Anderen allmählich verlieren. Denn auf Geheiß ihres Anführers sollte nicht nur Jack, sondern auch Juliet, eine Verräterin aus den eigenen Reihen, ziehen gelassen werden. Durch Locke war Ben eine Möglichkeit gegeben worden, aus dieser verzwickten Situation als Sieger hervorzugehen.

Jacks Fluchtweg ist durch die Zerstörung des U-Boots nun dahin. Er und Juliet müssen auf der Insel bleiben, ob sie wollen oder nicht. Ben selbst wahrt dabei ein Stückchen moralische Integrität, denn ihm blieb erspart, sein Wort, das er Jack gegeben hatte, brechen zu müssen. Also ein Sieg auf ganzer Linie.

Der Mann aus Tallahassee

Am Ende erfahren wir dann doch noch, dass Locke eine heiden Angst hat, dass sein Vater zurück kommen würde, um das zu vollenden, was er mit dem Stoß aus dem Fenster erreichen wollte. Und was gäbe es dann interessanteres, als Locke genau diesen Menschen, vor dem er sich so verzweifelt zu schützen versucht, direkt vor die Nase zu setzen. "Lost" überrascht wirklich immer wieder und einen ziemlich großen Anteil daran tragen die beiden interessantesten Charaktere der Serie: Ben und Locke. So kontrovers ihre Handlungen auch sein mögen, so unsympathisch und kaltblütig sie auch im Vergleich zu den anderen erscheinen, so interessant sind doch ihre Geschichten.

Nun bleiben also noch ein paar Fragen ungeklärt. Wie kommt Anthony Cooper auf die Insel? Hat Ben ihn mit dem U-Boot herbringen lassen? Gibt es vielleicht noch ein zweites? Steht Ben mit jemandem außerhalb der Insel in Kontakt? "Lost" bleibt seiner Linie auch Mitte der dritten Staffel treu: eine Frage wird beantwortet, dafür werden fünf andere aufgeworfen.

Fazit

Eine wirklich grandiose Folge, die uns kein Stückchen weiter bringt, aber die verschobenen Machtverhältnisse zwischen Jack und Ben wieder gerade rückt und am Ende Locke mit seiner größten Angst konfrontiert.

Melanie Brandt - myFanbase

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