Bewertung
John Legend

Evolver

2004 machte John Stephens seinem Künstlernamen noch alle Ehre. Denn auf seinem Grammy-gekrönten Debüt "Get Lifted" bewies er durch ganz viel Herz und Seele, dass er wahrlich das Zeug zur neuen amerikanischen Soul-Legende hat. Nach dem vergleichsweise erschreckend unspektakulären Nachfolger "Once Again" versucht John Legend mit seinem neuen Album "Evolver" nun - once again - an sein umjubeltes Erstlingswerk heranzureichen. Und scheitert dabei kläglich.

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Dabei lässt "Good Morning Intro", eine kurze, lauschig-zurückhaltende Piano-Andacht mit anmutigen Bläsern und sanftem Vogelgezwitscher, zunächst noch so viel Hoffnung aufkommen. Doch die Enttäuschung folgt auf dem Fuß. Künstliche, platt peitschende Beats preschen aufs Trommelfell ein, begleitet von einer derart penetranten und scheinbar endlosen Gesangs-Melodie, dass man nach einer Weile nur noch rot sieht anstatt "Green Light" zu hören. Da kann selbst André 3000 mit seinen Rap-Einlagen nicht mehr viel retten, zu deplaziert wirken die übertriebenen Synthies und Plastik-Beats.

Ganz anders ertönt da schon die Collabo mit Freund und Förderer Kanye West. Als eines der rar gesäten Albumhighlights erinnert "It's Over" mit seinem Groove sogleich an die unwiderstehlichen Hooks des von West produzierten Debüts und aktiviert beim Hörer alle Nervenzellen, die für's Kopfnicken zuständig sind. Nur dominiert auf Albumlänge dann leider doch eher ungläubiges Kopfschütteln. Denn selbst sein größtes Kapital, seine unverwechselbare Stimme, verpulvert John Legend durch völlig unnötige Vocal- und Hall-Effekte. Genauso geht sein virtuoses Klavierspiel in der Masse von digitalen Spielereien größtenteils völlig unter. Und somit auch jegliche Natürlichkeit und Originalität flöten.

Stattdessen badet Legend in gängigen Reggae-Klischees ("No Other Love", "Can't Be My Lover"), ertränkt brauchbare Song-Ideen in einem Meer von synthetischem Soundbrei ("Quickly", "Satisfaction") oder versinkt in schwülstigem Pathos ("This Time"). Dabei kann man ihm die vor Kitsch nur so triefenden Balladen noch am ehesten verzeihen, meint man da doch wenigstens noch "echte" Instrumente rauszuhören. So entpuppt sich auch das überspitzte und allzu aufgebauschte "If You're Out There", eine speziell für Barack Obama geschriebene Wahlkampagnen-Hymne, trotz allem Überschwang und Schmalz zumindest rhythmisch als höchst interessantes politisches Statement.

Und wenn man dann noch "I Love, You Love" gehört hat, scheint all das Potential, das John Legend auf seinem dritten Album verschenkt, fast vergessen. Denn hier dient ein Sample von Altmeister Mark Knopflers bezauberndem E-Gitarren-Solo aus dem Dire Straits-Klassiker "Tunnel of Love" als Grundlage für eine herrlich fragile Ballade, deren zart-zerbrechliche Atmosphäre zur Abwechslung mal weder plumpen Beats noch unpassenden Sythies zum Opfer fällt, sondern lediglich von dezenten Orgelsounds untermalt wird. Doch dann kommen sie wieder, die Vorschlaghammer-Beats. Ein nervenaufreibender Teddy Riley Remix von "It's Over" offenbart zum Abschluss nochmal unheimlich prägnant die große Schwäche dieses Albums: mangelndes musikalisches Fingerspitzengefühl.

Fazit

Aus der vermeintlichen Soul-Legende ist ein ungraziler Elefant im Porzellanladen geworden, der den ein oder anderen Fan erster Stunde durch seinen seelenlosen Plastik-Soul gar an den Rand des Wahnsinns zu treiben vermag. Evolution geht jedenfalls anders ("The Evolution of Robin Thicke").

Anspieltipps

It's Over

I Love, You Love

If You're Out There

Tracks

1.Good Morning Intro
2.Green Lightfeaturing André 3000
3.It's Overfeaturing Kanye West
4.Everybody Knows
5.Quicklyfeaturing Brandy
6.Cross the Line
7.No Other Lovefeaturing Estelle
8.This Time
9.Satisfaction
10.Take Me Away
11.Good Morning
12.I Love, You Love
13.If You're Out There
14.Can't Be My Loverfeaturing Buju Banton
15.It's Over (Teddy Riley Remix)

Paulina Banaszek - myFanbase
14.12.2008

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