Bewertung
MGMT

Congratulations

Ungläubig werden sich die hippen H&M-Girls am Kopf kratzen, verzweifelt die Dateinamen auf ihre Richtigkeit überprüfen und schließlich aufseufzen: Nein, die schrägen Elektropop-Newcomer von 2008 haben es ihrem Publikum und sich selbst mit ihrem zweiten Album nicht leicht gemacht. Dennoch dürfen sie sich zu "Congratulations" gratulieren: Es bedarf schon einer großen Portion Mut, sich derart querzustellen, auf alle Erwartungen (und die waren immens hoch) zu pfeifen und so ein schillerndes, abgefahrenes und teilweise sinnloses Album zu machen.

Foto: Copyright: Columbia Records
© Columbia Records

Was auf der zweiten, weniger hitlastigen Hälfte des Debüts "Oracular Spectacular" mit Songs wie "Of Moons, Birds and Monsters" schon angedeutet wurde, ist nun offiziell: Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser sind nicht nur verkappte Blumenkinder, sondern fanatische Pink-Floyd-Fans, die glauben, noch immer beim Kinderchor zu singen, und genauso auf Ennio Morricone wie auf Jahrmarkt- und Leierkastenmelodien stehen. Klingt abgedreht? Eine Spur verrückter wird es noch, wenn man bedenkt, dass MGMT schon immer einen Hang zu einem Gesang hatten, der leicht an Mickey Mouse erinnert – auf "Congratulations" wird dieser noch häufiger eingesetzt und dadurch für manche wohl das Fass zum Überlaufen bringen.

"Congratulations" ist wie eine bunte Kindergeburtstagsparty, bei der die Clowns selbst die größte Gaudi haben. Von den gefeierten Hipstern zu den belächelten Clowns ist der Weg allerdings nicht weit: Erst ihre durchaus interessante Aussage, keine Singles veröffentlichen zu wollen, und dann die offizielle Entschuldigung für die Doch-Single "Flash Delirium" haben ein nicht so optimales Bild von den Künstlern hinterlassen.

Wahre Singlekandidaten und Überhits wie "Kids" oder "Time To Pretend" wird man auf "Congratulations" aber tatsächlich nicht finden. Das berühmt-berüchtigte "Flash Delirium" erinnert mit seinen ständigen Tempo- und Stilwechseln an die Kollegen von of Montreal oder den Los Campesinos und ist anfangs wirklich eine lustige Sache, wird aber spätestens nach dem sinnlosen Flötensolo einfach nur anstrengend. "Brian Eno", das dem gleichnamigen britischen Musiker gewidmet ist, ist herrlich abgedreht und überschlägt sich beinahe, während es sich unerbitterlich in die Gehörgänge schraubt. Die unvermeidliche blumige Hippie-Hymne wird von "It's Working" gestellt, inklusive Brummkreisel-Melodie und einem Chor, der einen unweigerlich an den "Aquarius"-Song erinnert.

Für die Rubrik "eindringliche Ballade mit fulminanter Steigerung gegen Ende hin" sorgen "Someone's Missing" und "I Found A Whistle": Ersteres zitiert nach dem typischen zarten Mädchen-Gesang auf einmal in bester Western-Soundtrack-Manier Ennio Morricone, bevor es sich noch einmal wendet und plötzlich zu einem groovigen Tanzflächenfüller wird – allerdings nur für die letzte halbe Minute. "I Found A Whistle" klingt noch eine Spur unschuldiger - VanWyngarden und Goldwasser befinden sich wohl auf einem LSD-Trip, betrachten die Welt mit staunenden Augen und katapultieren einander mit Inbrunst in klebrig-süßliche Höhen.

Am erstaunlichsten werden es die meisten wohl finden, dass MGMT mit ihrem Mammutwerk "Siberian Break" einen ganz und gar nicht knackig-kompakten Song abgeliefert haben: 12 Minuten dauert dieses kleine Epos, das im Prinzip mehrere Themen durchmischt und aneinanderreiht – es enthält wiederum alle bereits erwähnte Elemente von Pink-Floyd'schem bis zum Flötenspiel, fasst praktisch all das zusammen, was an "Congratulations" so suspekt und gerade deswegen (zumeist) grandios ist.

Fazit

Mit ihrer zweiten Album-Veröffentlichung haben MGMT all ihren Fans und Kritikern ein Schnippchen geschlagen: Anstelle der erwarteten Elektro-Pop-Hymnen findet man einen aberwitzigen, überdrehten Mix aus Psychedelischem, Hippie-Melodien und allerlei Kinderkram. Respektlos bedienen sich Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser bei vielen berühmten Vorbildern und basteln daraus eine Wundertüte, aus der man schier endlos zehren kann – was anfangs noch total abgedreht oder bescheuert klingt, wandelt sich schnell in einen kunterbunten aufregenden Trip, bei dem besonders die kindlichen Hippie-Chöre für gute Laune sorgen. Als negativer Aspekt entpuppt sich leider das, was in Anbetracht der Musikrichtung schon zu erwarten war: MGMT sprudeln über vor Ideen und Melodien, packen alles rein, was nur irgendwie reinpassen könnte und verlieren dabei manchmal den roten Faden.

Anspieltipps

It's Working

Someone's Missing

I Found A Whistle

Brian Eno

Artistpage

WhoIsMGMT.net

MySpace-Profil

Tracks

1.It's Working
2.Song for Dan Treacy
3.Someone's Missing
4.Flash Delirium
5.I Found a Whistle
6.Siberian Break
7.Brian Eno
8.Lady Dada's Nightmare
9.Congratulations

Stephanie Stummer - myFanbase
09.04.2010

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