Bewertung
Sia

We Are Born

Die musikalische Metamorphose der Sia Furler ist vollendet. Mit ihrem vierten Studioalbum liefert die einst für ihre emotionale Tiefe bekannt gewordene Australierin ein unbeschwertes "guilty pop pleasure" ab, das ihre Fangemeinde wohl endgültig in zwei Lager spalten wird.

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Eines muss man Sia lassen: Sie macht einem das Erwartungsmanagement verdammt einfach. Um den Inhalt ihrer Alben vorab einzuschätzen, genügt ein kurzer Blick auf das jeweilige Cover. Während sowohl das betrübte Gesicht auf ihrem Debüt "Healing Is Difficult" als auch der einer Grabsteingravur ähnelnde Schriftzug auf dem Nachfolger "Colour The Small One" Bände sprechen, kündigt sich Anfang 2009 mit der auf "Some People Have Real Problems" abgebildeten Malstunde ein Sinneswandel an. Mitte 2010 erfolgt nun in Form von "We Are Born" der endgültige Übertritt in die kunterbunte Welt des Pop. Mit allerhand Pfeifenputzern im Haar und abgedrehter Moosgummi-Schmuckstein-Verzierung im Gesicht streckt einem Frau Furler auf dem in dezentem Schweinchenrosa gehaltenen Cover ihr Haupt entgegen und wartet gleich im Opener mit einer freudigen, obgleich wenig überraschenden Botschaft auf: "We've made it through the darkness to the light."

Beim Reinhören in das neue Album wird sich vermutlich bei einigen eingefleischten Sia-Fans erstmal Enttäuschung breitmachen. Tatsächlich ließe sich bei oberflächlicher Begutachtung vieles finden, das man der experimentierfreudigen Sängerin vorwerfen könnte: Sind die unverkennbaren 80er-Jahre-Anleihen, deren sich in letzter Zeit schon unzählige KollegInnen bedient haben, wirklich notwendig? Und was wurde eigentlich aus den einst so bedeutungsschwangeren Songtexten? Sia scheint diese Kritik, die ansatzweise schon in Bezug auf das Vorgängeralbum geäußert wurde, nicht zu tangieren. Nein, sie greift diesmal sogar noch tiefer in die Pop-Trickkiste und setzt ihre neuen Lieblingsstilmittel - Synthie-Sounds, Handclaps, Kinderchor - exzessiver ein denn je. Dass bei so viel kalkulierter Eingängigkeit die Abwechslung schon einmal auf der Strecke bleiben kann, scheint das Gesangstalent aus Down Under bei ihrem letzten Besuch im Tonstudio bereitwillig in Kauf genommen zu haben.

Lässt man die leidigen Vergleiche mit der Sia von früher beiseite und nähert sich dem Album mit der richtigen, sprich der durch das Cover vermittelten Erwartungshaltung, sieht die Sache schon ganz anders aus. Plötzlich könnte man der Künstlerin beispielsweise für das famose "Bring Night" vor lauter Dank um den Hals fallen, denn selten zuvor wurde auf so simple und doch effektive Weise ähnlich viel gute Laune verbreitet wie bei diesem Lied. "Chase your shadow till the sun goes down!" fordert sie ihre Hörer auf und weckt damit Erinnerungen an den unbändigen Freiheitsdrang, den man in Kindertagen beim ausgelassenen Herumtoben im Freien empfunden hat. Kein Wunder, dass zu Beginn dieses potentiellen Sommerhits Polizeisirenen zu hören sind, so verboten ansteckend wie er ist. Ähnlich stark präsentiert sich die quirlige Schmetterlinge-im-Bauch-Hymne "Never Gonna Leave Me", die der zumeist übermäßig sentimentalen Balladen-Konkurrenz furchtlos den Kampf ansagt. Mit Spielzeugschwert und Wasserpistole, wohlgemerkt.

Auch wenn Sia tapfer dagegen ankämpft, so blitzt ihre melancholische Seite gegen Ende - genauer gesagt im Laufe der beiden Stücke "Cloud" und "I'm In Here" - doch noch kurz auf. Allerdings ändern auch stimmgewaltig vorgetragene Textzeilen wie "I am a dark cloud swelling with rain." oder "I'm in here, a prisoner of history. Can anybody help?" nichts mehr an der Tatsache, dass die Australierin insgesamt nicht annähernd so schwermütig wirkt wie noch zu Zeiten von "Breathe Me". Oder anders gesagt: Eine neue Sia ist geboren, und mit ihr ein neue Generation von Fans. Diese abschließende Erkenntnis nimmt ausnahmsweise nicht das Cover des Albums vorweg, sondern dessen clever gewählter Titel.

Fazit

Wer immer noch auf der Suche nach einem kurzweiligen Soundtrack für den Sommer 2010 ist, dem sei Sias jüngstes Pop-Experiment wärmstens ans Herz gelegt. Die große Liebe für die Ewigkeit wird man darauf zwar aller Voraussicht nach nicht finden, aber so manch musikalischen Urlaubsflirt hält "We Are Born" allemal parat.

Anspieltipps

Bring Night

Never Gonna Leave Me

I'm In Here

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SiaMusic.net

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Tracks

1.The Fight
2.Clap Your Hands
3.Stop Trying
4.You've Changed
5.Be Good to Me
6.Bring Night
7.Hurting Me Now
8.Never Gonna Leave Me
9.Cloud
10.I'm In Here
11.The Co-Dependent
12.Big Girl Little Girl
13.Oh Father

Willi S. - myFanbase
22.06.2010

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