Bewertung
U2

360° at the Rose Bowl

Über die neue U2-DVD streiten sich in den Medien sowohl Kritiker als auch Fans. Einige sind völlig begeistert, andere sehr skeptisch. Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Dass die aktuelle 360° Tour ein absolutes Showereignis ist, steht außer Frage, aber kann die DVD dieses Erlebnis auch in die eigenen vier Wände bringen?

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© Universal Music

U2s neue DVD gibt es in verschiedenen Ausführungen. Als einfache DVD-Ausgabe (liegt mir vor), als Doppel-DVD, BluRay oder in teurer, limitierter Auflage mit allerlei Schnickschnack. Aber "teuer" ist ja kein Fremdwort für die U2-Fans dieser Welt, die auch für die Tickets eine Menge Geld ausgeben mussten um die Band auf ihrer Welttournee zu Gesicht zu bekommen. Aber irgendwie muss diese gigantische Show mit ihrer Bühne der Superlative ja auch bezahlt werden. Allein die Transportkosten von Stadt zu Stadt verschlingen mehrere hunderttausend Euro.

Das Konzert beginnt auf der DVD anders als es die Zuschauer im ausverkauften Rund in Pasadena (USA) erlebt haben. Mit "Breathe" wurde der eigentliche Opener der Tour von der DVD gestrichen. Stattdessen gibt es den wesentlich rasanteren Einstieg mit dem funkigen Elektro-Rocker "Get on Your Boots". Schon jetzt lässt sich hören, dass man bei der Abmischung des Sounds nichts dem Zufall überlassen hat. Die Musik kommt satt, kräftig und trotzdem sehr klar aus den Boxen. Das macht einen Heidenspaß! Es folgt das starke "Magnificent" vom letzten Album der Iren, dem aber "Mysterious Ways" etwas hinterher rennt. Auf Platte ein schönes Stück, aber als Livetrack erfüllt es nicht unbedingt den Zweck.

Auf einem richtigen Stadionkonzert dürfen natürlich die Songs, die wie dafür geschrieben sind, nicht fehlen. So entpuppt sich "Beautiful Day" jedes Mal wieder als Stimmungsrakete. Während der Nummer fallen die tollen Kameraperspektiven auf, die wunderbare Eindrücke von der opulenten Bühne und den herumspringenden Fanmassen (und es sind wirklich Massen) zeigen. Den ersten Gänsehaut-Moment gibt es, wie schon auf dem Europaabschnitt der Tour, als "I Still Haven't Found What I'm Looking For" erklingt. Die 97.000 Zuschauer singen in einem Chor die erste Strophe und den Refrain des Bandklassikers und selbst Bono scheint ernsthaft ergriffen zu sein. Der Blick in die Zuschauer ist einfach phänomenal. Ein unvergesslicher Augenblick für jeden Besucher der Tour.

Nach den ziemlich hektisch geschnittenen letzten DVDs von U2 ("Vertigo Live", "Slane Castle" und "Live In Boston") hat man sich mit Tom Krueger einen neuen Regisseur gesucht. Der U2-Debütant liefert mit seinem Team gute Arbeit ab. So bleiben dem Zuschauer auch die besten Momente der Akustikversion von "Stuck in a Moment You Can't Get Out Of" nicht verwehrt. Besonders die Stücke des letzten, wirklichen Megasellers der Band, "All That You Can't Leave Behind", kommen beim Publikum super an. Die wesentlich aufregenderen Songs des aktuellen Albums "No Line On The Horizon" werden vom amerikanischen Publikum eher verhalten aufgenommen. Beim Rocker "Elevation" springen die Massen dann wieder auf und ab. Wie könnte man bei dieser Ladung Stadionrock auch still stehen bleiben? "In A Little While" hätte man durchaus außen vor lassen können. Das nette Stück brennt auf der Bühne kein Feuerwerk ab und ist stimmlich schon eine ziemliche Herausforderung für Bono geworden. Das frische "Unknown Caller" eignet sich dagegen wieder als perfekter Sing-A-Long-Song. Damit liegen U2 selten falsch. Das Solo von The Edge ist einfach atemberaubend.

Es folgen die besten Minuten des Konzerts. Beginnend mit dem zuletzt selten gespielten "The Unforgettable Fire", eines der besten Stücke der Bandgeschichte. Live kann der Song im Duell mit der toll beleuchteten Bühne noch mehr überzeugen. Sogar einen Tick besser wird es beim emotionalen "City of Blinding Lights", welches eines der wenigen Stück von "How To Dismantle An Atomic Bomb" ist, das Platz in der Setlist gefunden hat. Anschließend rockt "Vertigo" was das Zeug hält. Bono zeigt hier stimmlich was er noch drauf hat und über The Edge an der Gitarre muss man nur wenige Worte verlieren. Einfach wahnsinnig gut. Ein mittlerweile bekannter, aber dennoch nicht wenig überraschender Punkt im Set der Iren ist der tolle Dance Remix von "I'll Go Crazy If I Don't Go Crazy Tonight", mit imposanten Trommeln, den starken Gitarrenklängen und Bonos toller Bühnendarbietung. Man fühlt sich fast an alte "Popmart"- und "Zoo TV"-Zeiten zurück erinnert.

Doch das war es noch nicht. Der Politkracher "Sunday Bloody Sunday", samt Anspielung an die brisante Situation der letzten Jahre im Iran, darf natürlich nicht fehlen. Nur der pathetisch anbiedernde Übergang samt USA Flagge hätte nicht sein müssen. Der Song gehört zum Stärksten was U2 je aufs Band gebracht haben. Stimmt die Gitarre erst einmal an, gibt es kein Halten mehr. Ein gelungenes politisches Statement liefert auch "Walk On" ab, das der gefangen gehaltenen Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi aus Birma gewidmet ist. Eine Szene wie sie nur Bono kreieren könnte: Zuschauer im weiten Rund, als auch Fans auf der Bühne tragen Masken der Politikerin. Nach dem Klassiker "One" gibt Bono "Amazing Grace" von sich. Aua, das hätte nicht sein müssen. Wesentlich stärker präsentiert sich der Frontmann dann wieder beim epischen "Where The Streets Have No Name". Die Band liefert hier ein Hitfestival vom feinsten ab, bei dem längst nicht alle Songs gespielt werden können, die man gerne hören würde. So fehlen z.B. die in Berlin gespielten "Stay" und "Angel Of Harlem" oder aber Klassiker wie "New Years Day", "Pride" oder "Bad". Den Schluss bilden mit "With Or Without You" und "Moment of Surrender" zwei wundervolle Balladen.

Technisch gibt es ein paar Kleinigkeiten zu bemängeln. Die Bildqualität kann mit dem grandiosen Klang nicht mithalten. Da die DVD leider für den amerikanischen Markt im NTSC Format umgesetzt wurde, sieht man auf unseren europäischen PAL verwöhnten Geräten leider oft etwas schwammige Bilder, besonders wenn die Kamera auf die Zuschauer gerichtet ist. Das die Bühne oft nur mit grellen Farben beleuchtet wird, macht die Sache für die Augen leider nicht einfacher. Allerdings würde die Bühne in Raumstationform anders nicht zur Geltung kommen. Besonders die europäischen Fans sind enttäuscht, dass schon wieder eine große DVD-Veröffentlichung von U2 in den Staaten aufgezeichnet wurde. Ich war beim Berlin-Konzert Gast und kann die Leute, die Barcelona, Amsterdam oder Dublin besucht haben nur darin bestätigen, dass ein U2-Konzert auf diesem Kontinent ein ganz anderes Erlebnis ist. Unvergessene Mitschnitte wie das Konzert in Slane Castle oder im Mailänder San Siro bleiben einfach länger in Erinnerung. Die einfache DVD muss ohne Extras auskommen. Wer darauf nicht verzichten mag, muss zu den besser ausgestatteten Optionen greifen.

Fazit

"360° at the Rose Bowl" ist eine tolle DVD, vermutlich die beste der U2-Aufzeichnungen in den USA. Doch man wird das Gefühl nicht los, dass hier noch einiges mehr möglich gewesen wäre. Für Fans ist die DVD natürlich ein Pflichtkauf. Für alle anderen, die mit kleinen Mängeln leben können, auch.

Anspieltipps

I Still Haven't Found What I'm Looking For

The Unforgettable Fire

City of Blinding Lights

Sunday Bloody Sunday

I'll Go Crazy If I Don't Go Crazy Tonight

Artistpage

U2.com

Technische Details

Darsteller: U2
Gesamtlaufzeit: 131 Minuten
Sprache: Englisch
Ton: Stereo, DTS 5.1, Dolby Digital 5.1 Surround
Format: 16:9

Inhalt/Tracks

1.Get on Your Boots
2.Magnificent
3.Mysterious Ways
4.Beautiful Day
5.I Still Haven't Found What I'm Looking For
6.Stuck in a Moment You Can't Get Out Of
7.No Line on the Horizon
8.Elevation
9.In a Little While
10.Unknown Caller
11.Until the End of the World
12.The Unforgettable Fire
13.City of Blinding Lights
14.Vertigo
15.I'll Go Crazy If I Don't Go Crazy Tonight
16.Sunday Bloody Sunday
17.MLK
18.Walk On
19.One
20.Where the Streets Have No Name
21.Ultraviolet (Light My Way)
22.With or Without You
23.Moment of Surrender

Christian Finck - myFanbase
20.07.2010

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