Bewertung
Calexico, Lambchop

Calexico & Lambchop im Wiener Gasometer

Meine bisherigen Live-Erfahrungen mit den Wüstensound-Grenzwanderern von Calexico beschränkten sich lediglich auf einen Festivalauftritt vor ein paar Jährchen, bei dem ich noch keinen einzigen Song kannte, mich aber sofort in ihren ungewöhnlichen Stil verliebte. Eine intensive Kennenlernphase später hatte ich nun endlich die Möglichkeit, sie wieder live zu sehen – gemeinsam mit Lambchop, die nicht etwa zur Vorband degradiert wurden, sondern ebenfalls ein "normales" Konzert spielen durften. Ein spannender Konzertabend im Gasometer nahm also seinen Lauf...

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© myFanbase/Stephanie Stummer

Meine Beziehung zu Lambchop war nicht ganz so intensiv beziehungsweise eher kaum vorhanden, aber da man über das neue Album der "leisesten Band der Welt" so viel Positives hört, war ich natürlich dementsprechend gespannt, wie es Kurt Wagner und Co. wohl gelingen würde, ihre besondere Atmosphäre auf der Bühne rüberzubringen.

Überhaupt schienen sämtliche Menschen, die sich vor die Bühne drängten, mehr wegen Lambchop gekommen zu sein als wegen Calexico – zumindest konnte man das aus allerlei Fangesprächen über Bootlegs, Soloalben und Lambchop-Konzerte aus dem Jahre Null aufschnappen. Diese Menschen und alle, die einfach der Musik lauschen wollten, zahlten letztendlich aber auch drauf – der gesamte hintere Teil der Halle schien während dem ganzen Konzert dermaßen uninteressiert zu sein, dass geplaudert und gelärmt wurde, was das Zeug hielt. Gegen diesen Geräuschpegel, der wie ein Bienensummen immer mehr anschwoll, mussten Lambchop nun ständig ansingen und -musizieren. Keine leichte Sache für jemanden wie Kurt Wagner, der bei den meisten seiner Songs kaum über eine Flüsterlautstärke hinauskommt und zwar über eine 6-köpfige Band verfügt, diese aber ihre Instrumente auch eher streichelt als spielt.

Kurt Wagner mit seiner Hornbrille und der obligatorischen Kappe ist schon eine Nummer für sich – exzentrisch und mit einer gewissen Ironie führte er sitzend durch den Abend. Da ich persönlich kaum mehr als eine Hand voll Lambchop-Stücke kannte, tat ich mir im Lauf des Konzertes mit diesen schweren, bedächtigen Stücken etwas schwer – vor allem ein Sitzplatz wäre der reinste Segen gewesen!

Erst im letzen Drittel, als Wagner urplötzlich eine fetzige, völlig untypische Nummer auspackte und sich erstmals aus seiner bequemen Sitzpositon erhob, begann der Funke so richtig überzuspringen und etwas wie eine gelassene Stimmung aufzukommen – auch die letzten (wieder gemäßigten) Songs konnten dieses Niveau halten, bis das Publikum schließlich frenetisch sein Recht auf eine Zugabe einforderte (und auch bekam).

Um Punkt 22 Uhr folgte dann der Auftritt von Calexico vor einer Leinwand, auf der Videos von heruntergekommenen Städten, Militärgebieten und ähnlichem gezeigt wurden. Den Anfang machte "Bisbee Blue" vom vorletzten Album – die stark reduzierte Version wurde nur von Joey Burns und einem weiteren Bandmitglied vorgetragen. Erst im Lauf der nächsten Nummer betrat auch der Rest der Gruppe die Bühne.

Das dargebotene Programm enthielt neben den bekannten Klassikern vor allem Stücke vom neuen Album "Carried To Dust" – auf Songs wie "Minas de Cobre", "Across the Wire" oder das Love-Cover "Alone Again Or", die natürlich sofort lautstark bejubelt wurden, folgten "Two Silver Trees" oder "Man Made Lake".

Abgesehen von ein paar Zeilen im Eingangsstück, die er auf Wien umdichtete, hielt sich Joey Burns mit dem Publikumskontakt sehr zurück - ich glaube, ich habe ihn nicht einmal lächeln sehen. Umso erfreuter war man natürlich, als Trompeter Jacob Valenzuela in holprigem Englisch die Vorgeschichte zu seinem persönlichen Song "Inspiracion" erzählte, sich bei Burns für dessen Unterstützung bedankte und sich nach dem Song, den er fast im Alleingang bestritt, wie ein Schnitzel freute, als er beim Publikum so gut ankam.

Während sich "Sunken Waltz" beispielsweise hervorragend zum Mitschunkeln eignete, waren es vor allem die neueren Stücke, die sich gegen Ende in eine ausufernde Geräuschkulisse verwandelten und Joey Burns vielleicht so viel Aufmerksamkeit abverlangten, dass er vor lauter Konzentration glatt vergaß, ein freundliches Gesicht aufzusetzen.

Im ersten Zugabenteil ging es dann aber ein wenig lockerer zu: Den Anfang machte "Victor Jara's Hands", das wiederum zum Mitmachen einlud. Der absolute Höhepunkte folgte aber, als plötzlich Kurt Wagner mit einigen Lambchop-Musikern auf der Bühne erschien und beide Bands gemeinsam eine absolut kultige Version von "(I Can't Get No) Satisfaction" vom Stapel ließen, die alle restlos begeisterte. Am meisten begeistert war wohl Kurt Wagner selbst, der als herumfuchtelnder, wilder Rocker kaum wiederzuerkennen war – obwohl er den Text notgedrungen von einem Spickzettel ablas, brachte er die Halle zum Toben. Nur sein Getränk, das er schließlich in hohem Bogen als letzte große Geste ins Publikum schleuderte, entsprach nicht ganz seinen Gebärden: Es war schlicht und einfach Mineralwasser.

Mit dieser tollen Aktion war es für Calexico natürlich leicht, die gute Stimmung auf einen weiteren Kracher zu übertragen: Der fetzige Rhythmus von "Guero Canelo" brachte schlussendlich selbst die Faulsten zum Tanzen und rundete den ganzen Abend perfekt ab.

Nach einem erneuten Abgang der Band gelang es uns aber noch ein letztes Mal, sie für das wunderschöne "Red Blooms" zurückzuholen – bis es nach diesem "Schlaflied" endgültig vorbei war.

Fazit

Beide Bands legten jeweils einen sehr guten Auftritt hin – in Sachen Lambchop hätte ein wenig Vorwissen sicher nicht geschadet, um mit dem Kaliber Kurt Wagner klarzukommen. Calexico boten einen schönen Mix aus neuen und alten, aus gefühlvollen und tanzbaren Songs – die Melodie von "Guero Canelo" spukt mir noch heute im Kopf herum. Abzüge gibt es für das störende Publikum und etwas fehlende Herzenswärme von Seiten Calexico.

Setlist: Calexico

Bisbee Blue / Convict Pool / Roka / Bend To The Road / Across The Wire / Sunken Waltz / Two Silver Trees / Minas de Cobre / Inspiracion / Not Even Stevie Nicks... / The News About William / Writers Minor Holydays / Black Heart / Man Made Lake / Alone Again Or / Fractured Air

Zugabe 1: Victor Jara's Hands / Satisfaction w/ parts of Lambchop / Guero Canelo

Zugabe 2: Red Blooms

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Stephanie Stummer - myFanbase
01.11.2008

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