A Campflight to Lowlands-Paradise
Das wars, der Vorhang für die Festivalsaison 2006 ist gefallen, leider. Zelt, Isomatte und Campingkocher sind nun wieder im Keller verstaut und warten auf den Einsatz im nächsten Jahr. Trotzdem werde ich natürlich noch über mein drittes und letztes Festival für dieses Jahr berichten, welches zugleich mein internationales Lieblingsfestival ist: das Lowlands in Biddinghuizen, nahe dem Ijsselmeer in den Niederlanden.
Da wir vom vorigen Jahr noch wussten, dass das einzige Manko beim Lowlands die Einlasssituation und Bändchenvergabe vor den Campingplätzen ist (wir hatten letztes Jahr je zweimal zweieinhalb Stunden mit dem Gepäck gewartet), hatten wir dieses Mal all unser Gepäck auf einen Sackkarren gepackt, was das Anstehen angenehmer gestalten sollte. Zu unserer Überraschung war die Schlange dieses Jahr aber erstaunlich gering, und schon nach ca. einer halben Stunde hatten wir unser Bändchen um den Arm und waren auf dem Weg einen Zeltplatz zu suchen. Zum Glück achteten wir auf die Nähe zum Entwässerungsgraben, aber dazu folgt später mehr.
Das Festival sieht sich gerne als eigene Stadt, bei 55.000 Besuchern ist der Vergleich auch durchaus berechtigt, und diese hat sogar ihre eigene Währung, die Munten. Nachdem wir uns häuslich eingerichtet hatten, sind wir also erst einmal etwas Geld umtauschen. Im Gegensatz zu den meisten Holländern haben wir allerdings erst einmal unser eigenes Essen gekocht, anders als die deutschen Festivalbesucher scheinen sie um einiges konsumfreudiger zu sein.
Am nächsten Morgen ging es nach dem üblichen duschen, waschen, essen,etc. erst einmal das Gelände begutachten, denn das macht ja immer erst kurz bevor die ersten Bands spielen auf. Die acht großen Zelte standen noch genau wie im Vorjahr, aber einiges lassen sich die Veranstalter doch immer neu einfallen. Natürlich folgte auch der obligatorische Einkauf im CD-Shop, bei dem man gerade ältere Alben sehr günstig erstehen kann. Zu manchen neueren Scheiben bekommt man aber auch ein gratis T-Shirt der Band dazu, in Festivaledition.
Aber genug mit dem Vorgeplänkel, kommen wir doch endlich mal zu der Hauptsache: den Bands. Nach der offiziellen Eröffnung des Festivals schauten wir Mew aus Dänemark an, die sich sichtlich schwer taten mit ihrer Opener-Rolle. Der Sänger war wohl zu schüchtern zu reden, so musste der Gitarrist diesen Part übernehmen, was sehr komisch wirkte. Musikalisch waren sie allerdings sehr gut.
Danach folgten Orson, von denen man ja in letzter Zeit so einiges hört, dank der cleveren Marketingabteilung. Doch leider konnten sie mich gar nicht überzeugen, der ganze Auftritt war einfach zu aufgesetzt und durchgestylt, der Bassist hat zu Hause vor dem Spiegel sicher stundenlang geübt sich in coole Posen zu werfen, die Spielfreude hatte dadurch eindeutig gelitten und auch die Lieder an sich rissen einfach nicht mit. Also gingen wir glücklicherweise nach dem Großteil des Auftritts lieber zu Razorlight, die einiges mehr hermachten.
Ein Essen, von dem es beim Lowlands eine unglaubliche Auswahl gibt, später waren wir dann bei meinem ersten Highlight des Tages, den Magic Numbers. Das Album gefällt mir da schon sehr gut, aber live waren sie einfach noch besser, vor allem gesanglich war das große Klasse! Die nächste Band, The Veils, waren zwar auch nicht schlecht, aber an den vorangegangenen Auftritt kamen sie nicht heran.
Noch ein Hype, aus England, stand als nächstes auf der Bühne: Bloc Party. Das war ja so etwas, was ich nie ganz verstanden habe, aber ich muss meine Meinung über die Jungs revidieren, sie sind wirklich gut! Doch Snow Patrol anschließend haben mir trotzdem einfach besser gefallen, da stimmte einfach alles. Super Stimmung, klasse Setlist, ein gut gelaunter Gary Lighbody und als Höhepunkt packten dann bei "Run" auch wirklich alle im Publikum die als Überraschung für die Band ausgeteilten Feuerzeuge aus.
Den Abschluss des Tages bildeten dann Placebo auf der Hauptbühne, die ich damit nun schon zum fünften Mal sah. Im Gegensatz zu Rock im Park war Brian wohl aber besser gelaunt oder das Publikum war viel besser drauf, und so war der Auftritt um Klassen besser.
Doch auf dem Lowlands ist ein Tag nach den Bands noch lange nicht gelaufen. Neben dem obligatorischen Disko-Zelt nahe den Campingplätzen kann man sich außerdem Filme anschauen (auf Englisch mit Untertiteln), sowohl im Kino-Zelt in dem auch tagsüber Filme laufen, als auch draußen auf einer Leinwand, oder man lässt sich von Comedians unterhalten. Da wir allerdings schwer Niederländisch verstehen, haben wir uns dann doch für den kanadischen DJ Tiga entschieden, der wie einige weitere DJs nach den Konzerten in den Bühnenzelten auflegte.
Am nächsten Morgen bekam man dann per Kurier die Zeitung frei Zelt geliefert, denn wie in jeder ordentlichen Stadt dürfen die eigenen Medien nicht fehlen. Neben dem Wetterbericht, der leider nicht wirklich stimmte, gab es hier jeden Morgen die frischesten News über die Bands, Kritiken der Auftritte, Informationen über das gesamte Programm und was man eben sonst wissen sollte. Lesen kann man das Niederländische zum Glück ganz gut und man merkt, wie ähnlich es dem Deutschen doch ist.
Neben der Zeitung gibt es natürlich auch ein Festivalradio, und sogar einen eigenen Fernsehsender. Das Programm bekommt man auf einigen Leinwänden auf dem Gelände zu sehen, aber auch in den Wartezeiten bei der Hauptbühne, was um einiges besser ist als die ständig gleiche Werbung bei den deutschen Festivals. Das Programm ist auch mit Liebe gemacht, so geht das Festivalmaskottchen Lowlands de Powlands (eine ausgestopfte Socke) auf Reisen und wird dabei gefilmt oder es werden lustige Aktionen mit Festivalbesuchern gezeigt.
Da wir uns für mehr Schlaf und gegen das Thai Chi Programm am Morgen, auch so etwas kann man bei diesem Festival machen, entschieden hatten, begann unser Tag erst so richtig mit Hawthorne Heights, die schon etwas Mühe hatten das Publikum wach zu bekommen, obwohl sie sich redlich bemühten. Das gelang der niederländischen Gruppe A Balladeer schon viel besser, man merkte auch, dass sie zu recht einen Essent-Award (Nationaler Talent Award in den Niederlanden) bekommen hatten.
Die Wartezeit zur nächsten interessanten Band zu überbrücken fiel uns nicht schwer. Zuerst statteten wir der Lowlands-Uni einen Besuch ab, hier halten namhafte Wissenschaftler und sogar Nobelpreisträger Vorträge über interessante Themen wie z.B. Raumfahrt oder Gerichtsmedizin. Doch da wir leider wieder wenig verstanden, ging es auch bald weiter. Das schöne am Lowlands ist, dass man immer wieder überrascht wird. Zu Beginn gab es eine stumme Demonstration mit lauter verkleideten Menschen, auf dem Hauptweg saßen einmal plötzlich mindestens 20 Clowns in einer Reihe an ihren Schulbänken und nun gab es einen Artisten mit seinem umgebauten Auto, der allerlei Kunststücke aufgeführt hat.
Außerdem könnte man auf dem Lowlands noch unzählige andere Dinge unternehmen: Kletterwand erklimmen, in die Sauna am See gehen, Urban Golf spielen, seinen Eastpack besprayen lassen, Karaoke singen oder sein musikalisches Talent im eigens dafür vorgesehenen Zelt unter Beweis stellen, neuartige Computerspiele ausprobieren und mit einem Kombiticket kann man sogar in den benachbarten Freizeitpark Walibi-World gehen. Wer da noch Langeweile hat, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.
Die nächste Band war dann ein weiterer niederländischer Award-Gewinner, die Band Seven. Das war richtig guter Rock, ohne viel Schnickschnack und sehr gelungen. Anschließend war wieder Zeltwechsel angesagt für Phantom Four, die leider nicht so ganz meinen Geschmack trafen, aber dafür waren dann die Infadels wieder ganz nett. Zwischendrin coverten die sogar plötzlich "Steady as she goes" von den Raconteurs, die gleich anschließend spielten.
Oft beschwert man sich bei anderen Festivals, das gerade jüngere Bands zuwenig Spielzeit bekommen.
Am Lowlands dürfen die meisten Bands eine ganze Stunde spielen, was ich generell sehr gut finde. Als Band mit nur einem Album kann man da allerdings schon Probleme bekommen diese auch zu füllen, sind die meisten CDs doch weniger als eine Stunde lang. Daher war ich sehr gespannt, wie das denn die Raconteurs lösen würden, und wurde positiv überrascht. Zum einen gab es ein sehr gelungenes Cover, zum anderen gab es diverse, sehr gute und ausgiebige Soli. Sehr gefreut hat mich, dass keine White-Stripes Lieder zum Besten gegeben wurden.
Das war bei den Dirty Pretty Things dann doch anders, zwei Libertines Lieder bekamen wir zu hören, aber da das Pete Doherty mit seinen Babyshambles auch macht war das wohl in Ordnung. Ansonsten fand ich den Auftritt richtig gut, auch wenn ich mir wünschen würde, dass Carl und Pete sich wieder zusammentun.
Iggy & The Stooges haben wir dann nur von außen ein wenig angehört, bei einer kleinen Essenspause, und dann sind wir auch schon wieder zur Hauptbühne gegangen, um den Headliner Massive Attack anzuschauen. Hierfür hatten wir auch noch recht gute Plätze ergattert, allerdings direkt vor der Bassbox. Außerdem stellte sich heraus, dass die Sänger meist genau hinter der Kamera stehen, was ein Pech. Dafür, dass ich von ihnen kaum Songs kannte, gefielen sie mir aber wirklich gut!
Am dritten und letzten Tag wollten wir eigentlich unsere gesamten Münzen auf den Kopf hauen, denn da man seine Münzen durch Becher vom Weg aufsammeln vermehren kann, hatten sie noch gar nicht abgenommen. Beim Lowlands liegt das Geld also wirklich auf der Straße. Also sind wir erst einmal zum Essen auf das Gelände, danach wollten wir den Urban Golf endlich einmal ausprobieren und die englische Band Forward, Russia! anschauen.
Nach dem Essen schauten wir erst einmal ein bisschen beim Straßentheater zu, als es plötzlich zum ersten Mal so richtig anfing zu regnen. Leider hatten wir natürlich keine Regensachen dabei, die lagen friedlich im Zelt. Also schauten wir zuerst die Band im Trockenen an, aber als der Regen nicht schwächer wurde sind wir dann doch schnell die Sachen holen. Mittlerweile war das Gelände eine einzige Schlammlandschaft, aber zum Glück gibt es einige geteerte Wege, so dass man wenigstens noch von einem Zelt zum nächsten kommt.
Panic! At the disco waren dann als nächstes an der Reihe, auch das ist mal wieder so eine Band, die live einfach mehr überzeugt als auf Platte. Als sie dann noch Radioheads "Karma Police" ganz wunderbar coverten, war ich schließlich hin und weg, denn ich finde solche Einlagen meistens super. Endlich ließ der Regen auch ein wenig nach, also wollten wir uns ins andere Zelt zu The Kooks wagen, doch da war absolut kein Platz mehr, und da es wieder begonnen hatte zu schütten, gab es für sie eben keine zweite Chance mir zu beweisen, dass sie doch ganz gut sind. So kamen wir dann tatsächlich dazu, Opeth anzuschauen, die mich wirklich überrascht hatten. Eigentlich war ich mir schon sicher, dass das nicht meine Musik ist, aber wäre diese typische, in meinen Ohren schreckliche, Stimme nicht dabei, wären sie gar nicht so übel.
Es schüttete weiter, also blieben wir im gleichen Zelt und schauten Pennywise an. Als ich sie damals auf dem Terremoto gesehen hatte, fand ich ja den Circle Pit sehr lustig, leider war der hier durch die Wellenbrecher schlecht möglich. Noch dazu bildeten sich langsam aber sicher auch im Zelt Pfützen, da der Boden von unten das Holz durchgeweicht hatte.
Danach sind wir aber doch schnell raus um etwas zu essen zu kaufen, denn im Zelt ließen sich leider so schwer die Münzen ausgeben.
Aber zu den Yeah Yeah Yeahs war ich natürlich rechtzeitig zurück, sogar mit einem Platz auf der Pole Position. Da ich noch nie zuvor irgendeinen Live-Ausschnitt von der Band gesehen hatte, war ich ganz schön überrascht was Karen O’ für eine Show abzog, die Frau hat es einfach drauf! Hat mich ein bisschen an Moloko erinnert, Roisin Murphy hat ja auch immer alleine eine wahnsinnige Show abgeliefert während der Rest der Band einfach "nur" spielte.
Um meinen Platz nicht zu verlieren, und um nicht wieder in den andauernden Regen zu müssen, wartete ich dann auch brav auf Belle and Sebastian und gab auch denArctic Monkeys eine zweite Chance. Das war einer von den Auftritten, bei denen einfach alles stimmt. Die Musik, die Stimmung und die Kommunikation mit dem Publikum, alles einfach perfekt und sympathisch. Sänger Stuart meinte dann noch zu uns, dass das hier wohl eher ein Wetter für Frösche wäre, wie unrecht er hat sollte sich am nächsten Morgen zeigen…
Als absoluter Höhepunkt standen dann noch Muse auf dem Programm. Zum dritten Mal habe ich sie nun schon gesehen, und es war eindeutig der beste Auftritt. Obwohl ich recht hinten stand, konnten um mich herum alle Leute die Texte mitsingen, da habe ich mich dann schon ein wenig gefragt, wann diese Band so richtig zu einer Überband wurde. Immerhin waren sie bei Rock im Park 2004 nur Co-Co-Headliner, und viele fanden es hinterher nur "nett". Aber es freut mich natürlich, dass sie nun mehr Anerkennung bekommen, denn der Auftritt war einfach wahnsinnig gut und wirklich ein gelungener Abschluss.
Da wir am nächsten Morgen früh abreisen wollten ging es dann leider auch schon recht bald ins Zelt, das zum Glück nicht wie viele andere in einer riesigen Pfütze stand, Glück gehabt!
Beim Zusammenpacken am folgenden Tag merkten wir dann, dass die Frösche das Wetter auch nicht mochten, denn sonst hätten sich nicht zwei süße, kleine in unser Vorzelt verkrochen, gehen wollten sie nämlich auch nicht.
Auf dem Parkplatz kam dann allerdings ein, ich hatte es irgendwie schon geahnt, böses Erwachen, denn die Wiesen waren natürlich auch total matschig, da eben doch schon einige Leute abgereist waren, auch wenn noch so einige um 8 Uhr morgens im Partyzelt immer noch oder schon wieder feierten. Aber da der große Reiseverkehr noch nicht ausgebrochen war, wartete mit mir ganz nett ein Traktorfahrer, ob wir Hilfe benötigten. Zum Glück hat aber auch so alles geklappt und wir konnten unsere Heimreise antreten.
Tja, und jetzt dauert es wohl erst einmal wieder bis nächstes Jahr, bis ich meinem Hobby nachgehen kann. Doch trotz der Schlam(m)assels würde ich jederzeit wieder aufs Lowlands fahren, wegen der super Organisation, dem ganzen Einfallsreichtum, der netten Atmosphäre und weil die Holländer einfach viel angenehmere Zeitgenossen sind als die, die man zum Beispiel bei Rock im Park gewohnt ist.
Jedenfalls freue ich mich schon riesig auf die diversen Gerüchte über Bands für das nächste Festivaljahr und natürlich wieder die ersten Bestätigungen, denn Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude.
Eva F. - myFanbase
22.08.2006
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Veröffentlichungsdatum (DE): 17.08.2006Aktuelle Kommentare
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