Bewertung

Review: #1.04 Verschiedene Welten

Foto: Sam Palladio, Nashville - Copyright: 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate
Sam Palladio, Nashville
© 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate

Mit Juliette, Rayna und Scarlett stehen die weiblichen Hauptfiguren an unterschiedlichen Scheidepunkten ihres Lebens. Juliette muss aus ihren Fehlern lernen, um ihre junge Karriere am Leben zu erhalten, Rayna steht dagegen vor einer Trennung von einem langjährigen Weggefährten und Scarlett muss sich zwischen Unterordnung und eigener Karriere entscheiden. Währenddessen nährt das Auftauchen eines neuen Charakters Spekulationen um Teddys Vergangenheit.

"Wanna keep living this life? I suggest you take it."

Nach dem Ende der letzten Folge war ich besonders gespannt, welches Nachspiel der Diebstahl von Juliette haben wird. Und es kam natürlich, wie es kommen musste. In der heutigen Zeit verbreitet sich so ein Handy-Video wie ein Lauffeuer im Internet und schon ist der Ärger für Juliette vorprogrammiert. Aber bereits nach drei Folgen kennen wir Juliette bereits so gut, dass es kaum verwundert, dass sie das Aufsehen um das Video recht gelassen auf die leichte Schulter nimmt. Weder die Polizei vor ihrer Tür, noch die Berichte im Fernsehen können sie aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil, sie scheint schon fast belustigt darüber zu sein. Sie erkennt den Ernst der Lage gar nicht und verfährt eindeutig nach dem Motto “any publicity is good publicity” und findet selbst in negativen Schlagzeilen noch etwas für sie Gutes: “At least I look good."

Ein Wandlungsprozess von ihrem überheblichen und realitätsfremden Ego-Trip hin zu einer von Verletzlichkeit und Einsamkeit gezeichneten jungen Frau setzt erst ein, als die drohende Absage der Tour und der Kündigung von Glenn sie wie ein Schlag ins Gesicht zu treffen scheint. Im Gespräch mit ihrem Manager gewährt Juliette einen Einblick in ihre Seele und bestätigt den bereits vermuteten Grund für ihren Fehlgriff im Supermarkt. Auf dem Weg zum Erwachsenwerden musste sie lange für sich selbst sorgen und das tut sie auch heute noch, selbst wenn es sie an ihre Grenzen bringt. Als Zuschauer bekommt man in dieser Szene wirklich Mitleid mit Juliette. Sie war nicht nur in der Vergangenheit oft einsam, sondern ist es auch heute noch. Denn mit dem Erfolg lassen sich wahre Freunde oft nicht mehr erkennen. Am besten ist es dann, wenn man auf Freunde von vor ihrem Erfolg bauen kann, die Juliette aber fehlen. Es ist wirklich traurig zu sehen, wie eine Karriere auch vereinsamen und einen noch jungen Menschen schon so verbittern kann. Mit ihrem Anruf bei Deacon wendet sich Juliette in dieser Situation meines Erachtens an den Richtigen. Zwei verletzte und einsame Seelen haben sich in diesem Moment gefunden und können sich vielleicht gegenseitig den nötigen Halt geben.

Ein paar Worte gehören im Zusammenhang mit Juliette auch noch zu ihrer Beziehung mit Jolene gesagt. Ihren Frust richtet sie, in der für sie heiklen Situation, lieber auf ihre Mutter, deren bloße Präsenz und Annäherungsversuche sie zunehmend nerven. Die Rolle der Jolene gefällt mir bislang übrigens sehr gut. Ich bin grundsätzlich kein Freund von Drogengeschichten in Soaps und Serien, weil sie oft doch sehr klischeehaft und schlecht geschauspielert abgehandelt werden. Doch Sylvia Jefferies gelingt hier ein sehr differenziertes und glaubhaftes Portrait einer von Drogenmissbrauch gezeichneten Mutter, die trotz ständiger Zurückweisung immer wieder versucht, ihrer Tochter mit kleinen Schritten wieder näher zu kommen. Noch überzeugender wird diese Geschichte auch durch Hayden Panettieres

Leistung, der es mit ihrem berührendem Schauspiel gelingt, ihrem Charakter erneut eine verletzliche Seite zu verleihen. Das gipfelt hier in einer intensiven Szene, in der Juliette das Foto von ihr als Baby in Jolenes Armen findet. Juliette bekommt hier einmal mehr vor Augen geführt, dass ihre Mutter eine lange Zeit nicht für sie da war. Bei Jolene dagegen offenbart sich, dass sie trotz ihrer schweren, kranken Zeit, stets ihre Tochter im Herzen trug und Reue empfindet. So fand ich es am Ende der Folge auch einen schönen und berührenden Moment, als Juliette doch noch den Auflauf ihrer Mutter isst, während sie mit Deacon telefoniert. Ganz abgeschrieben hat sie ihr Verhältnis zu Jolene wohl doch noch nicht.

"We’re done here?” – “Yeah, we’re done."

Raynas Abnabelungsprozess von Deacon bekommt zu Beginn der Folge erst einmal einen herben Dämpfer. Der Versuch der Autoren uns mit der Traumszene in die Irre zu leiten ist aber trotzdem misslungen. Zumindest hätte ich das im realen Fall nicht ernsthaft nachvollziehen können. Der etwas plumpe Versuch ist in Bezug auf Rayna aber dennoch glaubhaft. Immerhin haben uns die letzten beiden Folgen bereits gezeigt, dass Sie noch an Deacon hängt. Rayna’s Augenrollen nach dem Aufwachen fand ich dann aber ganz witzig und löste die Szene mit einem Augenzwinkern schön auf. Dass Deacon für den Auftritt im Country Club zusagte, empfand ich als recht glaubwürdig. Er will eine professionelle Haltung zeigen und macht mit seinem politischen Statement bezüglich Coleman zugleich einen weiteren Standpunkt klar. Diese Geradlinigkeit zeichnet ihn bisher stets aus. Rayna scheint Deacons Bereitschaft zum gemeinsamen Auftritt dagegen zu verwundern, was ihr ungläubiger Blick auf die Nachricht von Bucky vermuten lässt. Aber sie kennt Deacon nun einmal ganz genau und weiß, wie unwohl er sich im Umfeld des Country Clubs und dessen Mitgliedern fühlt. Im Grunde geht es ihr wohl genauso. Wie schon in ihrer Vergangenheit fühlt sie sich auch jetzt diesen Kreisen nicht zugehörig. Ihre selbst zuerkannte Untauglichkeit als Ehefrau eines Politikers weiß Teddy jedoch mit einem Kompliment an sie zu kontern und kann damit bei mir punkten, weil er seine Frau so zu lieben scheint, wie sie ist. Leider verscherzt es sich Teddy aber im Anschluss auch direkt wieder. Der Konflikt mit Deacon im Rahmen des Auftritts ist doch ziemlich lächerlich. Genauer gesagt Teddys Reaktion darauf zu Hause mit Rayna ("I’m your husband.“). Wenn das ein reiner Eifersuchtsanfall ist, dann verstehe ich ihn nicht. Die Unsicherheit hat er doch gar nicht nötig, schließlich ist er doch mit Rayna verheiratet. Da sind offenbar einige Themen noch nicht final abgeschlossen zwischen ihm und Deacon und ich vermute, dass es etwas mit der ältesten Tochter Maddie zu tun haben könnte. Andeutungen hierzu gab es ja schon in der Pilotfolge. Auch wenn Rayna etwas unglücklich schaut, so scheint sie sich wieder in den Griff zu bekommen und setzt ihr Trennungsvorhaben von Deacon in die Tat um. Mal sehen, wann ihr Unterbewusstsein ihr diesbezüglich den nächsten Streich spielen wird.

Im Zusammenhang mit Teddy gibt es aber noch eine weitere interessante Entwicklung. Wir lernen Peggy Kenter kennen, die in seinem Wahlkampfteam arbeitet. Offenbar scheint es zwischen den beiden eine gemeinsame Vergangenheit zu geben. Rayna darf hier bereits die eifersüchtige Ehefrau spielen, denn offenbar war Peggy früher an ihrem Mann interessiert. Die uns gezeigten Szenen zeigen aber auch, dass hier nach wie vor eine Verbindung zu bestehen scheint. Sie schaut bereits während Raynas Auftritt ständig zu Teddy und dann ist da noch dieses mysteriöse Treffen der beiden auf dem Parkplatz. "Teddy, someone’s gonna find out.“ Aber was soll das sein? Ich kann mir eigentlich keine Affäre von Teddy vorstellen. Das passt nicht zu ihm. Mir ist das nach dem verschwörerischen Gespräch auch zu offensichtlich auf eine falsche Fährte getrimmt von den Autoren. Im Rahmen der Storyline um Teddy erweitert um den politischen Aspekt, ist das auf jeden Fall das erste Mal, dass mein Interesse und meine Neugier geweckt sind. Ich bin gespannt, was hier wirklich Sache ist.

"I don’t want to feel bad about this deal Avery."

Es fällt inzwischen vielleicht schon auf, dass ich zur Handlung um Scarlett, Gunnar und Avery immer erst am Schluss etwas schreibe. Das mag damit zusammenhängen, dass die Anknüpfungspunkte zu den Geschichten um Rayna und Juliette nach wie vor kaum vorhanden sind, soll aber keinesfalls aussagen, dass dieser Part uninteressant wäre. Diese Woche löst sich ein wenig die Spannung in der unterschwelligen Anziehung zwischen Scarlett und Gunnar. Zu Beginn der Folge schien Gunnar noch recht enttäuscht, weil Scarlett vor Freude über ihren Deal lieber Avery um den Hals fiel. Da sah man einfach noch einmal, dass er durchaus mehr für sie zu empfinden scheint. Mit der Einführung der Assistentin Hailey im Musikverlag bietet sich für Gunnar aber eine willkommene und hübsche Ablenkung. Ich finde es auch eine gute Idee, das Love-Triangle hier zunächst einmal zu pausieren und den Fokus mehr auf die ersten Schritte der noch jungen Karriere zu legen. Mit Hailey scheint sich Gunnar auf Anhieb zu verstehen. Beim ersten Kennenlernen benimmt er sich noch geradezu linkisch. Dass er letztendlich den Kühlschrank mit ihrem Lieblingsjoghurt zubunkert, ist dann aber wieder einmal mehr ein Beweis für seine gute Beobachtungsgabe und Aufmerksamkeit.

Avery dagegen will ich diese Woche am liebsten erwürgen. Spätestens jetzt bin ich endgültig der Überzeugung, dass er schon mehr als eifersüchtig auf Scarletts Erfolg ist. Ich könnte es durchaus noch verstehen, dass es ihm unangenehm ist, wenn Scarlett sich lobend vor einem größeren Kreis über ihn äußert. Dann tut man das aber vielleicht mit einem verlegenen Lächeln ab. Er hingegen reagiert beim Dinner vor allen Leuten und auch im Anschluss im persönlichen Gespräch ziemlich rüde. Und dass, obwohl Scarlett doch wirklich stolz und von Herzen über den positiven Einfluss von Averys Songschreiberkünsten auf ihre eigene Arbeit erzählt. So fährt man seine Freundin einfach nicht vor anderen an. Von aufrichtiger Liebe kann bei solch einer Reaktion auch kaum noch die Rede sein. Wer weiß, vielleicht tue ich ihm auch unrecht und es ist wirklich nicht so einfach, mit dem unerwarteten Erfolg des Partners umgehen zu können. Die Unsicherheit von Scarlett auf seine Reaktion kann ich auf jeden Fall gut verstehen. Einmal mehr ist es auch in dieser Handlung Deacon, der mit seiner Lebenserfahrung seiner Nichte einen guten Rat geben kann ("Avery is either gonna to keep up or he’s gonna be left behind, that’s it.“). Eine offensive Ansprache der Problematik durch Scarlett bei Avery war dann auch dringend von Nöten. Ich bezweifele jedoch, dass Avery trotz seines Versprechens um Bemühung, sich zukünftig anders verhalten wird. Ich lasse mich da aber auch gerne vom Gegenteil überzeugen.

Der Musikanteil in dieser Folge war gemessen an den bisherigen Folgen erstaunlich niedrig. Dafür schafften es wieder einige Referenzen an die Country Musik Szene (zum Beispiel die Erwähnung von Martina McBride, die goldene Platte von Jason Aldean im Musikverlag) und Verweise auf reale Begebenheiten (der Absturz von Wynona Ryder und Lindsay Lohan) und TV-Formate (die ABC Shows "Katie“ und "Good Morning America“) die Handlung in eine reale Umgebung einzubetten. Anzumerken ist auch noch, dass es sich bei [Kimberly Williams-Paisley, der Darstellerin der Peggy Kenter, um die Ehefrau des in den USA sehr populären Country Sängers Brad Paisley handelt. Aber das nur für den Country-Fan am Rande.

Fazit

Eigentlich wollte ich der Folge nur sechs Punkte geben, aber die Handlung um Juliette überstrahlt die Folge besonders positiv. Mit intensivem und teils berührendem Schauspiel wird uns einmal mehr ein ambivalenter Charakter präsentiert. Zusätzlich können auch die Szenen mit Jolene brillieren. Bitte zukünftig mehr davon. Die Einführung von Hailey und Scarletts zunehmende Emanzipation von Avery sind ebenfalls auf der Haben-Seite zu notieren. Selbst Teddy kann dank seiner noch mysteriösen Beziehung zu Peggy endlich einmal mein Interesse für dessen Handlungsstrang in den kommenden Folgen wecken. Abstriche gibt es dann lediglich für den geringen Musikanteil und für Raynas Unfähigkeit, ihren Vorsatz, sich von Deacon zu lösen, auch endlich einmal in die Tat umzusetzen.

Jan H. - myfanbase

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